Der
fromme Matthias Drobinski durfte wieder einmal den Leitartikel der
auflagenstarken Wochenendausgabe der SZ schreiben.
Der
Titel lautet, wenig überraschend: „Christenverfolgung“
Nicht
gerade innovativ angesichts der Myriaden Berichte über das Wüten des IS
wortreich das Elend der Christen im Irak und Syrien zu beklagen.
Mit dem
ganz dicken Pinsel trägt Drobinski auf; wirft biblische Metaphern und
NS-Analogien in seinen Artikel.
Ein arabisches „N“
malen sie den Christen auf die Hauswand, die Männer, die da angeblich im Namen
Gottes das Land heimsuchen. Nasrani, Nazarener, so heißen die Christen im
Koran. Und wen die Killer des Islamischen Staates als Nazarener brandmarken,
der muss seinem Glauben abschwören oder eine Kopfsteuer zahlen. Oder er stirbt.
Oft genug helfen weder Schwur noch Geld, oft genug machen die muslimischen
Nachbarn von gestern mit, in dieser Mischung aus Angst und Gier, die auch die
Nazis nutzten, um die Juden auszurauben und zu ermorden.
Im Irak, aber auch in
Syrien findet eine mörderische religiöse Säuberung furchtbaren Ausmaßes statt.
Sie zerstört die Kultur der Region, zu der auch die vielen uralten christlichen
Gemeinschaften gehörten. Sie wird weitere Gewalt gebären, Glaubenskriege und
Glaubenskrieger.
(Matthias
Drobinski, SZ 30.08.14)
Es liegt
mir fern die Situation der irakischen Christen zu beschönigen.
Zweifellos
schweben viele von ihnen in tödlicher Gefahr.
Der
Autor sieht die Christen ausschließlich als Opfer, die nun stellvertretend für
diejenigen leiden müßten, welche der IS nicht zu fassen bekommt.
Sie zahlen den Preis,
dass seit der iranischen Revolution 1979 und den Anschlägen von 2001
Auseinandersetzungen als heilige Kriege und Kreuzzüge überhöht werden. Die
Christen zahlen für George W. Bushs Messianismus, mit dem er den Irak per
Invasion zu einem besseren Land machen wollte. Den Ex-Präsidenten kriegen die
IS-Terroristen nicht, also halten sie sich an jene, die in ihren Augen die
Agenten des Westens sind – und ihnen wehrlos ausgeliefert.
(Matthias
Drobinski, SZ 30.08.14)
Auch die
Darstellung ist in etwa richtig.
Aber der
überzeugte Christ Drobinski sieht nicht das Gesamtbild.
Für ihn
scheinen Christen die ersten und ganz besonders unschuldigen Opfer zu sein. In
diesem Zusammenhang weist er daraufhin, daß in Deutschland bisher eher
erzkonservative Politiker und fundamentale Christen und von „Christenverfolgung“
sprachen. Dies sei inzwischen aber einen Tatsache und insofern müsse sich jeder
mit dem Drama beschäftigen.
Daß
zuvor schon mindestens 1,7 Millionen Menschen im Irak und Afghanistan durch
westliche Interventionen gekillt wurden, daß 200.000 Syrer hingemetzelt
und weitere 10 Millionen auf der Flucht sind, fällt Drobinski nicht
ein.
Offenbar
ist ein toter Christ für ihn beklagenswerter als ein totgefolterter Musel.
Konstruktive
Vorschläge sind dem SZ-Kirchenschreiberling ebenso fremd.
Aufgabe
des Westens sei es nun strikt auf Religionsfreiheit zu drängen und den
Verfolgten zu helfen.
Zur Hilfe gehört,
verfolgte Christen großzügig und schnell in Deutschland aufzunehmen, zu ihr
gehört aber auch, alles zu tun, dass die christlichen Gemeinden im Nahen Osten
nicht sterben. Zu dieser Hilfe gehört auch, gegenüber islamischen Staaten
klarer als bisher Religionsfreiheit zu fordern – für alle.
(Matthias
Drobinski, SZ 30.08.14)
Ich
staune immer wieder über die Naivität von schreibenden Christen. Drobinski steigt hier regelrecht auf Käßmann-Niveau herab.
Mit
welchen Staaten soll denn „der Westen“ reden? Mit Wahabitistan? Dort sitzt eine
saudische Königsfamilie, die sich als Hüter der heiligen Stätten Mekka und
Medina begreift. Da gibt es keine Religionsfreiheit und „der Westen“ kann da
auch nicht das Geringste erreichen, da er von dem Öl abhängig ist und nichts
mehr als eine Destabilisierung Riads fürchtet.
Oder
soll Deutschland vom Irak oder von Syrien Religionsfreiheit verlangen?
Bisher gab es dort sogar so etwas wie Religionsfreiheit – hauptsächlich dank der westlich-christlichen Einmischung gibt es aber keinen Staat mehr, der das garantieren und durchsetzen kann.
Bisher gab es dort sogar so etwas wie Religionsfreiheit – hauptsächlich dank der westlich-christlichen Einmischung gibt es aber keinen Staat mehr, der das garantieren und durchsetzen kann.
Oder
soll Merkel mal Kalif Abu Bakr al-Bagdadi anrufen und ihm sagen; du, mal unter
Kollegen, kannste nich ma Religionsfreiheit einführen?“
Wir
wissen doch was passiert wenn Demokratie und Religionsfreiheit eingeführt
werden soll – dann wird wie in Ägypten oder dem Irak der stärkste religiöse
Block gewählt (Schiiten in Bagdad, die Muslimbrüder in Kairo) und das Gemetzel
geht erst richtig los.
Unter Assad
konnten sogar rund zwei Millionen Christen friedlich in Syrien leben.
(Melkitische
Kirche mit Patriarch Youhanna X., Armenische Apostolische Kirche, Syrisch-Katholische und
Griechisch-Katholischen Kirche,
syrisch-orthodoxe Gemeinden, Assyrische Kirche, Chaldäische Kirche,
Maroniten, verschiedene protestantische sowie römisch-katholische Gemeinden.)
Saddam wurde
aber Opfer des von Washington bestimmten „Regime-Change“; mit Assad wird das
Gleiche versucht.
Und dann kamen
Muslimbrüder, demokratisch gewählte Schiitenregierungen und die ISIS.
Genau wie es
schon vor 2003 jeder vorausgesagt hatte, der sich in der Gegend auskennt. Peter
Scholl-Latour verließ seinerzeit die TV-Studios gar nicht mehr und erklärte
über Wochen und Monate was passieren würde, daß die Christen dann wohl
massakriert würden oder fliehen müßten.
Nun, da die
Zukunft, die kommen mußte, gekommen ist, jammern die Irakkriegsbefürworter in
der CDU.
Genauso
weltfremd auch Drobinskis zweite Idee von der Aufnahme der Christen in Europa.
Schon
jetzt sind es doch gerade die Parteien mit dem CHRISTEN-C im Parteinamen, die
die Grenzen zumachen. Das Asylrecht wurde eben weiter verschärft und Europa
schottet sich durch Frontex komplett ab.
Schon
jetzt quellen die Auffanglager über, weil es gerade die konservativen
Landespolitiker zB in Bayern sind, die Flüchtlingen in Deutschland das Leben
möglichst unangenehm gestalten wollen – mögen sie nur schnell wieder freiwillig
abhauen.
Von 10
Millionen Syrern auf der Flucht hat Deutschland bisher wenige Hundert
aufgenommen.
Und
wieso sollten eigentlich Christen bevorzugt werden?
Ist das Leben fliehender Kurden, Jesiden und Schiiten weniger wert?
Ist das Leben fliehender Kurden, Jesiden und Schiiten weniger wert?
Doch es gibt alle
guten Gründe, den bedrohten Christen zu helfen. Nicht, weil sie dem Westen
näher wären als die Muslime, sondern weil sie ein Recht auf Religionsfreiheit
haben. Sie haben das Recht zu glauben, was sie wollen, ohne dafür mit dem Tod
bedroht zu werden. Das Recht, anders zu glauben – oder eben gar nicht –, für
dieses Menschenrecht bezahlten Platon und Jesus mit dem Leben, in der Neuzeit
wurde es erkämpft gegen die Macht und Gewalt der Kirchen. Es ist das Recht,
sich öffentlich vor dem wie immer vorgestellten Höchsten in den Staub werfen zu
dürfen, und das Recht, diesem Höchsten Lebewohl zu sagen.
(Matthias
Drobinski, SZ 30.08.14)
Diesen
Absatz kann ich kaum kommentieren, da ich ihn gar nicht verstehe. Sollen etwa
nur Christen Religionsfreiheit haben und deswegen Hilfe erwarten können?
Braucht
man sich nicht im Kurden im Iran, Alewiten in Syrien, Schiiten in Saudi Arabien
sorgen, weil sie keine Religionsfreiheit haben?
Was geht
in Kurt Kister vor, wenn er solche Wochenend-Leitartikel absegnet?
In sagenhafter
Naivität schert Drobinski alle Christen über einen Kamm:
Die Christen dort wollen keine Märtyrer sein, anders als viele ihrer Vorgänger im alten Rom, die sich in heiligem Eifer vor hungrige Löwen knieten. Sie wollen schlicht leben, ohne beraubt zu werden, ohne Todesangst zu haben um ihre Kinder und sich.
(Matthias
Drobinski, SZ 30.08.14)
Glaubt
er ernsthaft, daß Kurden und Palästinenser nicht auch „schlicht, ohne
Todesangst leben“ wollen?
Ist das etwa ein Alleinstellungsmerkmal der Christen?
Ist das etwa ein Alleinstellungsmerkmal der Christen?
Ohne es
zu merken, widerspricht sich Drobinski selbst, wenn er die vielen uralten christlichen Gemeinschaften erwähnt.
Dass es
in Bagdad, Damaskus, Kairo und Istanbul diese uralten Gemeinden gibt, zeigt ja,
daß die Kalifen und sonstigen Islamischen Herrscher – ganz im Gegensatz zu christlichen
Herrschern des Mittelalters – sehr wohl Religionsfreiheit gewährten.
Am Hofe
des Kalifen machten auch Juden und Christen Karriere.
Schon
Mohammed selbst arrangierte sich mit Juden und Christen; er duldete sie.
Das war
im Christlichen Europa ganz anders. Dort hat man Anders- oder Ungläubige lieber hingerichtet.
Im Nahen
Osten lernten Christen über 1500 Jahre sich mit den Mächtigen zu arrangieren.
Bis
zuletzt waren Christen die stärksten Unterstützer Assads, Mubaraks und Saddams.
Aus
ihrer Sicht zu Recht; denn diese Diktatoren schützten sie.
Erst
nachdem sie weggefegt wurden, bzw seit sie um ihre Macht kämpfen müssen, geht
es auch den Christen an den Kragen.
Herr
Drobinski scheint auch das nicht zu wissen:
Präsident
Assad ist kein netter Mann. Myriaden Tote gehen auf sein Konto. Er wird dabei
unterstützt von der katholischen Kirche in Syrien.
Da
Assads Regime – unter dem Jubel des Westens – nun wankt, rächen sich die
Rebellen an seinen einstigen Unterstützern.
Diese
Rebellen – darunter die Al Nusra-Front, Al Kaida und IS sind allerdings nicht
in erster Linie auf Religionsfreiheit ausgerichtet.
Das ist
lange bekannt.
Wollte
man ernsthaft die Christen in Syrien schützen, sollte man nicht nur Kurden,
sondern eben auch die Regierungstruppen aus Damaskus massiv aufrüsten und damit
Assad helfen.
Aber
entweder ist Drobinski der Zusammenhang nicht bekannt, oder er traut sich nicht
derart Unbequemes auszusprechen.
Stattdessen
nur sein wolkiges doch es gibt alle guten
Gründe, den bedrohten Christen zu helfen.
Wie man
helfen könnte; dazu schweigt er lieber.