Sonntag, 28. Oktober 2012

Noch neun Tage





Sandy rast an die US-Ostküste und sofort fangen die Demokraten an zu zittern.
Ein Wetterchaos könnte gerade die demokratischen Stammwähler davon abhalten für Obama zu stimmen.

Heute sprach ich mit Freunden in New York. 
Sie fürchten weniger den Sturm selbst als die üblichen Stromausfälle. Das vergisst man in Deutschland so leicht: Amerikas Infrastruktur ist in vielerlei Hinsicht auf dem Stand eines Entwicklungslandes. Ein laues Lüftchen und schon knicken die maroden Strommasten ab wie Streichhölzchen. 
Und das ist ja so lästig, wenn dann alle Sachen im Tiefkühlschrank vergammeln.

Es ist eins dieser ewigen US-Rätsel, wieso Präsident Obama, der im Wahlkampf 2008 ebenso viel wie jetzt wieder von „some nationbuilding at home, right here in the United States“ spricht, dies in den letzten vier Jahren aber nie in praktische Politik umsetzte.

Beide Lager sind mit ihrem Kandidaten unzufrieden. 


Beide können nicht sagen was sie tun werden. Klar scheint nur zu sein, daß ein Präsident Willard die ganz wenigen guten Sachen, die Obama umsetzte (Abschaffung von „Don’t Ask Don’t Tell“, Krankenversicherung,..), gleich wieder abschaffen würde. Er würde den Supreme Court noch konservativer machen und sein radikal-teebeutlerischer Vize würde bei den Bürgerrechtsfragen (Recht auf Abtreibung, same-sex-marriage, ..) die Uhren auf Mittelalter stellen.


Genau das ist die einzig verbliebene Trumpfkarte des Präsidenten: 
Davor zu warnen was Romney Schlimmes tun könnte. 




Umgekehrt ist der größte Trumpf Romneys der weit verbreitete Hass auf den sozialistischen schwulen Atheisten-Muslim-Neger aus Kenia, der im Oval Office seinem Hass auf die Freiheit frönt und daher Kommunismus nach Europäischer Art in den USA einführen will.


Wenn kein Kandidat begeistert, ist die Mobilisierung ihrer Anhänger das Hauptproblem im Wahlkampf.
Lange Zeit stellte die WASP (=White Anglo-Saxon Protestant) nicht nur die Bevölkerungsmehrheit, sondern die gesamte Elite des Landes.
Diesmal aber ist von den vier Präsidentschafts- und VP-Kandidaten kein einziger WASP dabei. Zwei Katholiken, ein Mormone und ein eindeutig noch nicht mal Weißer - da fällt es den WASPs schwer sich zu identifizieren.


Wozu überhaupt noch wählen?


Der Hurrikan "Sandy" könnte sich unmittelbar auf die US-Wahlen auswirken - mit Nachteil für Barack Obama. Seine derzeitige Strategie besteht darin, jene ausfindig zu machen, die wanken, zaudern, zweifeln oder zu bequem sind, wählen zu gehen. Doch in den umkämpften Bundesstaaten Virginia und Ohio könnten nun viele zu Hause bleiben - und auch am 6. November womöglich gar nicht wählen gehen.
[…] Obama und seine Leute schienen zuletzt in Panik zu geraten. In den letzten beiden Fernsehduellen klang der Präsident aggressiv, in Mails bettelte er um frische Spenden: "Ich möchte diese Wahl nicht verlieren." Seine Anhänger ahnen plötzlich, dass der Traum schon wieder vorbei sein könnte, vielleicht zu früh, um etwas Bleibendes zu hinterlassen.
[…] Jetzt kommt […] der Hurrikan dazwischen. Der Sturm könnte sich unmittelbar auf die Wähler auswirken, weil er die umkämpften Bundesstaaten Virginia und Ohio treffen wird. Wer früh wählen wollte, bleibt womöglich zu Hause und enthält sich womöglich auch am 6. November.
Für Obama könnten darin größere Risiken liegen als für Romney. Falls die Regierung schlecht auf die absehbare Zerstörung an der Ostküste reagiert, könnte der Zorn den Oberbefehlshaber treffen; die Pannen nach Hurrikan Katrina 2005 haben Obamas Vorgänger George W. Bush bis zum Ende der Amtszeit verfolgt. Auf jeden Fall stört Sandy Obamas Strategie, seine möglichen Wähler früh und maximal zu mobilisieren.

Und selbst wenn genügend Menschen noch einmal für Obama stimmen sollten, ist nicht klar, ob Obama dann Präsident wird.
Amerika leistet sich ein mehr als undurchsichtiges Wahlsystem, in dem die Auszählungen so machen Wahlhelfer zur Verzweiflung brachten.










Mehr denn je setzten die Vereinigten Staaten daher auf Wahlcomputer, die praktischerweise von Hart Intercivic, einer Firma hergestellt werden, deren Eigner sich vor allem aus glühenden Romney-Fans und GOP-Großspendern aus Bain-Capital-Zeiten zusammen setzen. 

Hart Intercivic gehört mehreren Investmentfirmen.


Es ist […] von außen nicht ersichtlich, wie viel Kontrolle H.I.G. wirklich über das Tagesgeschäft von Hart Intercivic hat. Fest steht nur, dass Mitarbeiter von H.I.G. drei der fünf Posten im Verwaltungsrat des Wahlcomputer-Herstellers besetzen.
Das ist deshalb interessant, weil bei H.I.G. zahlreiche bekennende Romney-Unterstützer und Vertraute des Kandidaten in der Chefetage sitzen.
Zwei der drei Hart-Intercivic-Verwaltungsräte aus den Reihen von H.I.G., Neil Tuch und Jeff Bohl, haben Geld für Romneys Kampagne gespendet; und auch H.I.G. selbst steht auf der Liste der Geldgeber weit oben. Nach aktuellem Stand haben Mitarbeiter des Unternehmens, ihre Familien sowie dem Unternehmen nahe stehenden Lobbygruppen zusammen 362.500 Dollar für die Kampagne des Republikaners aufgebracht. […]
Das Geld kommt indes nicht nur von einer Handvoll Unterstützern: Von den 22 Männern aus der US-Führungsriege von H.I.G. haben 21 Männer Romneys Wahlkampf mit Geld unterstützt. Sieben von ihnen waren früher bei Bain & Co angestellt - ebenso wie Romney, bevor dieser ausstieg und zusammen mit zwei Partnern von Bain & Co die assoziierte Investmentfirma Bain Capital gründete, mit der er später Multimillionär wurde.
Die Verbindung von Romney zu H.I.G. ist aber sogar noch ein wenig enger: Eine andere Investmentfirma namens Solamere Capital, die Tagg Romney, der Sohn des Präsidentschaftskandidaten, mit gegründet hat, und zu deren Startkapital von 234 Millionen Dollar Mitt Romneys Ehefrau Ann seinerzeit 10 Millionen beigesteuert hat, hat ihrerseits Geld in H.I.G. investiert.


Man würde gerne die US-Wahlen etwas genauer unter die Lupe nehmen. 
Spätestens nachdem sich im Jahr 2000 die von Papa ernannten Richter trotz Gore-Mehrheit damit erkenntlich zeigten GWB zum Präsidenten zu machen, weiß man, daß in Amerika nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Bis 2000 reichen aber die Erinnerungen eines gemeinen Amis nicht zurück.



Tatsächlich schickte die OECD Wahlbeobachter in die Staaten.
 America is not amused.


Texas will unbeobachtet wählen.
Der Generalstaatsanwalt von Texas hat Wahlbeobachter der OSZE davor gewarnt, sich den Wahllokalen zu nähern.  […] Der texanische Generalstaatsanwalt Greg Abbott warnte die aus 56 Staaten bestehende Friedensorganisation, dass sich ihre Wahlbeobachter strafbar machen könnten, wenn sie sich den Wahllokalen nähern. Über diese Drohung beschwerte sich die Organisation bei US-Außenministerin Hillary Clinton, wie die OSZE am Mittwoch mitteilte.
Die in Warschau ansässige OSZE-Unterorganisation ODIHR überwacht weltweit regelmäßig Wahlen der Mitgliedsstaaten – darunter die USA. Texas will dies nun verhindern: Wenn sich OSZE-Experten näher als 100 Fuß (30,5 Meter) dem Eingang des Wahllokals nähern würden, könnte dies ein krimineller Akt sein, schrieb Abbott der OSZE in einem offenen Brief am Dienstag. „Gruppen und Einzelne außerhalb der Vereinigten Staaten dürfen nicht in den Wahlprozess in Texas eingreifen oder ihn beeinflussen“, so der Generalstaatsanwalt.
 (taz 25.10.12)