In Amerika bezeichnet man Präsidenten am Ende ihrer letzten
Amtszeit als „lahme Ente“
Das trifft insbesondere zu, wenn sie sechs Jahre nach ihrem
ersten Wahlsieg die Midterm Elections verloren haben, einem feindlich gesinnten
US-Kongress gegenüberstehen und die eigene Partei sich schon völlig darauf
konzentriert einen anderen Präsidentschaftskandidaten zu finden.
Auch andere bedeutende Amtsträger, die nicht mehr zu einer
Wiederwahl antreten und daher angeblich nicht mehr viel bewirken können, heißen
„lame ducks“.
Senatoren, Bürgermeister oder Minister, die sich zurück
ziehen und zum Ende ihrer Wahlperiode alles in Ruhe ausklingen lassen, ohne
sich noch intensiv in das parteipolitische Getümmel zu werfen.
So galt auch Merkel in unserer transatlantisch geprägten
Politmetaphern-Welt (Wir benutzen beispielsweise auch das Suffix „gate“ für deutsche
Politskandale) nach der Bundestagswahl von 2017 als „lame duck“. 2021 wollte sie
nicht mehr antreten, 2018 gab sie nach fast zwei Dekaden den CDU-Bundesvorsitz auf,
alles deutete auf eine vorzeitige Amtsübergabe an ihre mutmaßliche Nachfolgerin
Kramp-Karrenbauer hin.
Die Enten-Metaphorik ist stark überstrapaziert.
So war Barack Obama, der im Januar 2017 mit einem gewaltigen
Vertrauensvorschuss ausgestattet ins Amt ging, mit breiten demokratischen Mehrheiten
in House und Senat im Rücken und einer erwartungsfrohen Nation, die nur danach
gierte, daß er das Elend der GWB-Zeit revidieren würde, als lame duck in seine
Präsidentschaft.
Es war sein größter und folgenschwerster Fehler als
US-Präsident. Er schien Verständnis dafür zu haben, daß so viele Republikaner
mit seiner Hautfarbe fremdelten, sorgte sich um die Gefühle der aufkommenden
Tea Party und versuchte daher Jahrelang gute Stimmung für sich zu machen, die
politische Landschaft zu einen und trotz der gewaltigen demokratischen
Mehrheiten im Konsens zu regieren.
Er wollte sich mit der GOP versöhnen und die weißen,
konservativen Skeptiker mitnehmen.
Sie würden schon irgendwann überzeugt sein und seine
Reformen dann im Sinne der ganzen Nation mittragen. Er benannte sogar einen
republikanischen Verteidigungsminister, weil er offenbar fürchtete, die
Hillbillies aus Alabama und Kansas könnten es nicht verkraften, wenn zu einem
schwarzen Präsidenten auch noch Demokraten über die Army bestimmten.
Der Glaube an ein Konsens-basiertes Regieren macht Obama
sympathisch.
Es war aber ein katastrophaler Irrglaube. Dadurch wähnten
sich die Republikaner nur noch mehr im Recht, weil sie #44 als schwach ansahen.
Sie gaben nicht etwa ihre anfängliche Ablehnung auf, sondern
radikalisierten sich jeden Tag, wurden zu einer total destruktiven Kraft.
Obama nahm sich so viel Zeit dafür das Land vorsichtig auf
Änderungen vorzubereiten, daß seine eigenen Anhänger immer enttäuschter wurden,
weil es nicht voran ging.
2010 verlor Obama daher die Mehrheit im House an die
Republikaner, die sie auch bei den Parlamentswahlen im Jahr 2012 verteidigten. Bei
den 2014ner Midterms kam es zur demokratischen Katastrophe: Die inzwischen von
der radikalen Anti-Obama-Teaparty dominierten Republikaner gewannen weitere
Sitze im Repräsentantenhaus und holten auch im Senat eine 54/100-Sitzen
Mehrheit.
Nun war Obama nach der herkömmlichen Metaphorik wirklich
eine lame duck; die Gestaltungsmacht im Kongress war futsch.
In Wahrheit verhielt es sich aber genau umgekehrt: Barack
Obama schien erst 2014 zu verstehen, daß die Republikaner niemals mit ihm
kooperieren würden und eher das Land an die Russen verkaufen würden, bevor sie
ihm den kleinsten Erfolg gönnten.
Dadurch wurde Obama aber nicht nur nicht zur lame duck,
sondern endlich mutig genug auch bei Bürgerrechtsfragen wie
Haschisch-Legalisierung oder Homoehe oder Waffengesetzen oder Umweltschutz kein
Blatt mehr vor den Mund zu nehmen.
Er schien wie befreit, denn er hatte nichts mehr zu
verlieren.
Die letzten beiden Amtsjahre wurde die Stärksten. Den in
sich ruhenden selbstsicheren Obama von 2015 und 2016 zu sehen machte es a
posteriori nur noch tragischer, daß er diesen Mut und die Energie nicht gleich
2009 aufbrachte, als er mit breiten Mehrheiten so viel erreichen konnte.
Da Trump sich um die Wiederwahl bewirbt ist er keine lame
duck.
Aber die Metaphorik passt ohnehin nicht zu seinem
Politikstil, da er sich als Autokrat empfinden, von der „totalen und absoluten
Macht“ seines Amtes spricht und ihm die Mehrheiten im Kongress quasi egal sind.
Im Gegenteil, nachdem auch er bei seinen ersten Midterms 2018 die Mehrheit im
House verlor, hatte er endlich einen „schwarzen Peter“ zur Verfügung, dem er
alle Misserfolge in die Schuhe schieben konnte. Er erklärte den „national emergency“,
um den Kongress sogar mit einem Regierungs-Shutdown dazu zu zwingen seine
geliebte Mauer zu bauen. Sollte sie nicht fertig werden, sind die Demokraten
Schuld.
Die ersten zwei Jahre seiner Regierungszeit mit
republikanischer Mehrheit im House, welches über die Finanzen verfügt, gab es
eigenartiger Weise keinen Notstand an den Grenzen, der die sofortige Mauer-Finanzierung
erforderte.
Schon gar nicht passt Trumps Charakter zu dem Begriff lahme
Ente.
Der Psychopath hält sich zwar selbst für gottgleich,
überlegen und überhaupt den Schlausten, Schönsten und Potentesten, aber
paradoxerweise ist er gleichzeitig extrem bestätigungssüchtig und
außerordentlich zart besaitet, wenn er kritisiert wird. Es ist für ihn lebenswichtig
ununterbrochen gelobt und gepriesen zu werden. Rund um die Uhr muss ihm der
Hinter geküsst werden, sonst zerbricht er und flüchtet sich in tollwütige
Raserei.
Schon lange vor seiner politischen Karriere entwickelte er
die Strategie immer wenn er sich unterlegen oder eingeschüchtert fühlte mit
maximaler Kraft zuzuschlagen und rücksichtslos wie ein echter Soziopath ohne
Moral den Gegner zu zerstören.
Lügen, drohen, erpressen können in der Geschäfts- und
Showwelt durchaus bis zu einem gewissen Grad erfolgreich sein.
In der politischen Welt trifft er allerdings ziemlich oft
auf Menschen, die mehr von einer Thematik verstehen als er selbst. Im Grunde
genommen ist das sogar immer so, weil es keinen dümmeren und bornierteren
Menschen als Trump gibt. Umso mehr bläst er sich auf.
Die jüngst geleakten Informationen über Trumps verheerende
Telefonate mit anderen Regierungschefs zeigen das mustergültig.
Er akzeptiert nur wenige andere Präsidenten und zwar nur
die, die es mit drastischen Methoden schafften sich absolute und ewige Macht zu
verschaffen – so wie Putin und Xi. Das bewundert Trump ehrlich und so giert er
wie ein Welpe, der das erste mal nicht auf den Teppich gepinkelt hat nach einem
Lob aus Moskau oder Peking.
[….] Er sei häufig schlecht vorbereitet gewesen und habe wichtige Positionen
der USA einfach aufgegeben. Deutlich geworden sei vor allem, dass sich Trump
von "starken Männern" besonders beeindrucken lasse, ja geradezu devot
erscheine.
"Bei Telefonaten mit
Putin suchte er fast sklavisch dessen Anerkennung."
Der türkische Präsident Erdogan habe zeitweise zwei Mal in der Woche
angerufen und sei auf Trumps Anweisung immer durchgestellt worden. Der habe ihn
sogar öfter auf dem Golfplatz angerufen, mit dem Ergebnis, dass Trump die
amerikanischen Truppen aus Syrien abzog und damit die verbündeten Kurden den
Angriffen der Türkei schutzlos überließ. [….]
Trumps Frauenverachtung führt dazu, daß er
selbstverständlich keine weiblichen Regenten akzeptiert.
Insbesondere auf Merkel, mit ihrer viel größeren Erfahrung
und Wissen, reagiert er daher typisch trumpisch, indem er unverschämt, aggressiv und beleidigend wird.
Geradezu sadistisch habe er auf Merkel eingedroschen, heißt es.
[….] Weibliche Staatschefinnen habe er beleidigt - seine "bösartigsten
Angriffe" hätten demnach Kanzlerin Angela Merkel und der damaligen
britischen Premierministerin Theresa May gegolten. Das berichtete der Sender
unter Berufung auf zwei von mehreren namentlich nicht genannten
Geheimdienstbeamten und Quellen aus dem Weißen Haus.
Trump soll Merkel am Telefon als "dumm" bezeichnet und sie
beschuldigt haben, "unter dem Einfluss der Russen zu stehen",
zitierte CNN eine Quelle. [….]
(SPON, 01.07.2020)
Merkel, die (vermutlich) auch dem Ende ihrer Amtszeit
zugeht, scheint auch keine typische lame duck zu sein. Sie macht einfach weiter
wie immer. Hält sich aus dem Kleinklein der Parteipolitik raus und wickelt stur
ihre Termine ab.
Viel wichtiger als der Zeitpunkt ihrer Karriere ist aber
ihre Joker-Eigenschaft frei von Hysterie und Empfindlichkeit zu sein.
Man kann die Frau nicht beleidigen, weil sie alles stoisch
schluckt.
Horst Seehofer brachte das zur Verzweiflung. Jahrelang hatte
er sich getriezt und öffentlich gedemütigt – immer in der Hoffnung zu
verunsichern oder doch wenigstens ausflippen zu lassen.
Vergeblich.
Ebenso biss Trump auf Granit, der zwar Premierministerin May
verunsichern und einschüchtern konnte, aber trotz wüstester persönlicher Beleidigungen
an einer anderen Enten-Eigenschaft Merkels scheiterte: Sie mag keine lame duck
sein, aber sie kann Beleidigungen wie Wasser am Entengefieder abperlen lassen.
[….] Laut Carl Bernstein hätten Trumps aggressive Angriffe auf Theresa May
durchaus einschüchternd gewirkt, genau das, was der Präsident beabsichtigt
habe. Merkels Reaktion dagegen hätten seine Quellen ganz anders beschrieben:
"Sie ging sehr gut damit
um. So wie Wasser auf dem Rücken einer Ente, ließ sie es an sich
abperlen." [….]