Carolin
Emcke ist eine bekannte Autorin der ZEIT und sie ist lesbisch.
Normalerweise
würde ich das nie extra erwähnen, aber da sie es selbst in einem Buch zum Thema gemacht hat, will ich einen schönen Gedanken zitieren. Emcke hadert nämlich mit
dieser Kategorisierung. Ein Adjektiv könne kaum eine Identität vollständig
beschreiben.
Die Rede von kultureller, religiöser, ethnischer, sexueller Identität ist so selbstverständlich geworden, dass sich erklären muss, wer die Gegebenheit dieser Kategorien infrage stellt, wer ihren objektiven Gehalt bezweifelt, wem diese Zuordnungen von Identität und Differenz Unbehagen bereiten. Es gilt als tolerant, in diesen Kategorien zu denken, die »Andersartigkeit« anzuerkennen, es gilt als liberal, in Talkshows auch mal einen »echten Schwulen« oder einen »authentischen Muslim« oder einen »Juden« einzuladen, auch wenn sie dann meist nur über »Al-Kaida« und »Ehrenmorde«, »Israel« und »den Holocaust« oder eben »Sex« reden dürfen, als ob nicht auch ein Atheist die Position einer gläubigen Muslimin erläutern, ein nichtjüdischer Deutscher das Existenzrecht Israels verteidigen oder ein Heterosexueller das Adoptionsrecht für Homosexuelle fordern könnte. Es war ein langer, politisch wichtiger Kampf um Sichtbarkeit und Repräsentation, aber in dieser Art der Repräsentation liegt auch etwas Befremdliches.
Diese
spezielle Art der Liberalität hat sich inzwischen verselbstständigt.
Ich
erfahre das gelegentlich am eigenen Leib, wenn ich in christlichen Kreisen
diskutiere.
Mich interessiert nun einmal Religion und ein Hauptkollisionspunkt
des real existierenden Katholizismus‘ ist die praktizierte Homophobie der
Ratzingerophilen. Kritisiere ich dies,
schließen professionelle Religioten sofort daraus, ich müsse offensichtlich
auch schwul sein (und Schwule nimmt man nicht ernst).
Als
ob es nicht für jeden Menschen „normal“ sein müsste, sich für Menschenrechte
und gegen Diskriminierungen einzusetzen.
Ich
lehne schließlich auch vehement aus grundsätzlichen moralischen Überlegungen
die Sklaverei ab (im Gegensatz zu Jesus, der sie gutheißt), obwohl ich nie im
Leben Sklave war.
In
vielen deutschen Chefredaktionen gibt es auch dieses Denken, daß nur ein der
Religion sehr Wohlgesonnener über kirchliche Themen berichten soll.
Es
widerspricht aber dem journalistischen Ethos mit dem zu beobachtenden
Gegenstand verquickte Personen als quasi objektive Berichterstatter auftreten
zu lassen.
Journalismus bedeutet eigentlich „professionelle Fremdbeobachtung“
und nicht Werben befangener Schreiberlinge für ihre Sache.
Bei
anderen Themen wird dieser Eindruck vermieden. Man sollte gerade nicht
CDU-Mitglied sein, um von der CDU zu berichten.
Interessanterweise
sind in diesem Punkt ausgerechnet die verhassten Parteipolitiker viel weiter.
Man kann das an Buchvorstellungen beobachten.
Destilliert ein Spitzenpolitiker
seine Agenda zwischen zwei Buchdeckel, wird gerne ein Politiker aus einer
möglichst weit politisch entfernten Partei gebeten das Buch vorzustellen.
Wolfgang
Schäubles Buch "Scheitert der Westen?" wurde 2003 vom amtierenden
Grünen Außenminister Joschka Fischer laudatiert.
Merkel
fungierte als Laudatorin für die Biographie des renitenten FDP-Chefs Rösler.
Erbärmlich
inzestuös besetzten die Chefredaktionen ihre Ressorts für’s Religiöse.
Im
SPIEGEL gibt es immerhin auch kritische Autoren, wenn es um Papstthemen geht.
Lobend erwähnen möchte ich Peter Wensierski. Aber was heißt das schon, wenn
immer wieder der hochaggressive Hardcore-Religiot Matthias Matussek seine
katholisch-extremistischen Ansichten vertritt?
Fast
zehn Jahre schrieb der radikal-konservative Ratzinger-Epigone Alexander Kissler
für die Süddeutsche Zeitung über die katholische Kirche (2001-2010), bevor er
auf passendere Stellen wechselte. Heute schreibt er unter anderem für das
„Vatikan Magazin“ und die katholische „Christ und Welt“-Beilage der ZEIT.
Sein
Nachfolger ist Matthias Drobinski, der seit 2010 alle Missbrauchsfälle der RKK
journalistisch für die SZ begleitet. Im Vergleich zu Kissler ist er war
geradezu neutral, aber dennoch schreibt er stets wohlwollend über den
Katholizismus. Drobinskis Dreh- und Angelpunkt ist das Wohl der Kirche, welches
es zu stärken gelte.
Es
ist einfach langweilig seine Artikel zu lesen, weil man immer schon weiß was
kommt.
Zu
„Beschneidungsurteil“ vermeldete er, wie nicht anders zu erwarten:
Das Kölner Urteil ist Ausdruck unserer säkularen Gesellschaft. Manchmal aber ist es überhaupt nicht gut, wenn sich Richter über Religionen stellen.
Zu
Gute halten muß man der SZ, daß sie in diesem Fall wenigstens eine Gegenmeinung von Markus C. Schulte von Drach veröffentlichte.
Sehr
unangenehm fällt die Tagesschau auf, die zu dem Thema den katholischenTheologen Michael Bongardt befragt, welcher - ach wie überraschend - die
Religionsfreiheit bedroht sieht.
Die
pro-Religions-Crew der ZEIT um Evelyn Finger ist so einseitig katholisch, daß ich sie bereits in einer ganzen Artikel-Serie würdigte.
Die
WELT-Gruppe hält sich mit Paul Badde und Andreas Englisch zwei so
enthusiastische Papst-Verehrer, wie man sie selbst in der Papst-WG kaum noch
einmal findet.
Englisch
möchte man instinktiv als erstes zum Drogentest schicken, wenn man ihn in
Talkshows vor Benedikt-Begeisterung übersprudeln sieht.
Das
ZEIT-Partnerblatt „Tagesspiegel“ aus Berlin hält sich „für’s Religiöse“ Claudia Keller. Ein überzeugte Christin, die
ganz offensichtlich nicht gerade zu den gebildeten Kommentatoren gehört.
Sie
erklärte, daß nur ein Gläubiger über die nötige moralische Autorität verfüge
das Amt auszufüllen. Atheisten dächten nämlich nicht über den Tag hinaus.
Etwas
Dümmeres habe ich schon lange nicht gehört.
Acht der zehn bisherigen Staatsoberhäupter waren Protestanten. Die meisten waren es nicht nur auf dem Papier, sondern engagierten sich intensiv in ihrer Kirche. Gustav Heinemann war Mitglied der Bekennenden Kirche, Richard von Weizsäcker Präsident des Kirchentages, Roman Herzog Synodaler. Heinrich Lübke und Christian Wulff sind die katholischen Ausnahmen.Einen Konfessionslosen gab es noch nie in diesem Amt. Das ist kein Zufall. Der Bundespräsident sollte jemand sein, der über den Tag hinausdenkt und gesellschaftliche Zusammenhänge vor einem Horizont zu deuten vermag, der den Alltag übersteigt. Wer an Gott glaubt, hat einen solchen Horizont. Er weiß, dass es eine Alternative gibt, dass das Naheliegende nicht immer das Beste ist.
Immerhin
- in der Online-Ausgabe erschien einige Tage später ein missbilligender Brief
eines Lesers aus Berlin.
„Protestantische Bundespräsidenten –Ein Mann, viele Worte“ vom 21. FebruarNur wer an Gott glaubt, kann gesellschaftliche Zusammenhänge vor einem über den Alltag hinausgehenden Horizont deuten – eine im Jahr 2012 wahrhaft bemerkenswerte These! Ungeachtet der Frage, ob Protestanten angesichts zweier katholischer Präsidenten besonders gut für das Amt des Bundespräsidenten geeignet sind, ist die Feststellung, Konfessionslose seien es jedenfalls nicht, schlicht anmaßend.Gesellschaftlich wichtige Entwicklungen müssen auch in neuerer Zeit gegen den erbitterten Widerstand der christlichen Kirchen erkämpft werden (Frauenwahlrecht 1919, Straffreiheit homosexueller Handlungen 1973, Abtreibung 1974, Lebenspartnerschaftsgesetz 2001, PID 2011).Noch heute gilt das allgemeine Arbeitsrecht nicht für kirchliche Arbeitgeber. Sie können Mitarbeitern kündigen, weil sie geschieden oder homosexuell sind, selbst dann, wenn die kirchliche Einrichtung vom Staat finanziert wird. Die Abschaffung solcher Sondergesetze scheitert regelmäßig an konfessionsgebundenen Bundestagsabgeordneten. Angesichts dieser Fakten kann ich nicht erkennen, wodurch sich Religiöse in gesellschaftlichen Zusammenhängen besonders weitsichtig gezeigt hätten. So wie Joachim Gauck Thilo Sarrazin Mut für sein Buch attestierte, war auch dieser Kommentar mutig.
Den
(meiner Meinung nach lausigen) Tagesspiegel-Meinungsartikel zum aktuellen Thema
„Beschneidung“ verfasste Malte Lehming.
Heute durfte Solon Solomon nachlegen, der ernsthaft angesichts dieses Urteils den Satz fallen läßt "so wurde der Faschismus geboren."
Religionsfreundin
Claudia Keller durfte Bericht erstatten.
Die Gelegenheit nutzte sie, um durch
die Hintertür ihre pro-religiösen Freunde als anscheinend neutrale
„Staatsrechtler“ einzuführen.
Ein
Artikel, der sicher den meisten Lesern nicht weiter auffallen wird. Überprüft
man ihre Informationen, wird aber Kellers Einseitigkeit sofort deutlich.
Sie
zitiert in dem Artikel „Verletzte Gefühle“ den angeblichen Experten Heinig.
Der Göttinger Staatskirchenrechtler Hans Michael Heinig hält das Urteil „für rechtlich und politisch verfehlt“. Dass der Eingriff den Tatbestand der Körperverletzung erfülle, sei eindeutig. Aber da eine Gefährdung des Kindeswohls überaus zweifelhaft sei, müsse man den Eltern die Entscheidungsfreiheit lassen. Vor allem aber fürchtet Heinig einen großen gesellschaftspolitischen Schaden. Das Urteil werde weltweit rezipiert, und viele Juden und Muslime seien verunsichert. Heinig fürchtet, diese werden zur Geburt ihrer Kinder ins Ausland fahren und sagen: „In Deutschland kann man sein Judentum, sein Muslimsein ja nicht leben.“
(Nicht
daß ich der Sippenhaft das Wort rede, aber Hans Michael Heinig ist der Ehemann der
Kirchenrätin und Kulturbeauftragten der EKD, Petra Bahr, für die „Salafisten, Atheisten und Co“ irgendwie alles
das gleiche sind.
Dazu
liegt mir eine Entgegnung eines Berliner Rechtsanwaltes vor, die ich
vollständig zitieren möchte:
zum Artikel "Verletzte Gefühle" von Claudia Keller und Jost Müller-Neuhof im Tagesspiegel vom 28. Juni 2012:
Richtig herausgearbeitet wird der neuralgische Punkt der sich an das Urteil des Kölner Landgerichts anschließenden Diskussion: "Wie weit darf der Staat in die Religionsfreiheit eingreifen?" Schade nur, daß die Autoren quasi als entscheidende Meinung, die zur Klärung dieser Frage aufgerufen wäre, allein den Staatskirchenrechtler Hans Michael Heinig zitieren. Zum einen handelt es sich bei ihm um einen eng mit der evangelischen Kirche verbundenen Wissenschaftler, sein Standpunkt ist daher vorhersehbar religionsfreundlich. Zum anderen begründet er die Entscheidungsfreiheit der Eltern für die Beschneidung von Kindern und Säuglingen damit, daß "eine Gefährdung des Kindeswohls überaus zweifelhaft sei."
Allein: Darauf kommt es nicht an! Wie Heinig selbst einräumt, besteht an einer tatbestandlichen gefährlichen Körperverletzung durch den Eingriff der Beschneidung kein Zweifel. Nach einhelliger Meinung in der Rechtsprechung und juristischen Literatur kann ein solcher Eingriff nur gerechtfertigt sein, wenn er zum Wohl des Kindes medizinisch indiziert ist. Nicht Zweifel an der Gefährdung des Kindeswohl, sondern ausschließlich die Notwendigkeit des medizinischen Eingriffs zum Wohl des Kindes schützt vor Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Auch Heinig behauptet aber nicht, die Beschneidung sei zum Wohl des Kindes notwendig. Für eine Abwägung zwischen der körperlichen Integrität des Kindes und der Religionsfreiheit der Eltern bleibt hier ersichtlich kein Raum. Selbstverständlich obliegt es dem Staat im Rahmen der ihn treffenden Schutzpflicht für seine Bürger, Kinder und erst recht Säuglinge vor lediglich religiös begründeten Körperverletzungen durch ihre eigenen Eltern zu bewahren. Das Urteil aus Köln bedeutet einen lange überfälligen Fortschritt der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland, es bleibt zu hoffen, daß die Entscheidung alsbald höchstrichterlich bestätigt wird.
Bedauerlich ist, daß der Tagesspiegel bei gesellschaftlich so wichtigen und polarisierenden Diskussionen lediglich auf Experten aus dem kirchennahen Spektrum zurückgreift und nicht wenigstens gleichberechtigt auch einen religionskritischen Wissenschaftler zu Wort kommen läßt. Für den nur durchschnittlich interessierten Leser muß sich der Eindruck ergeben, Heinig habe die Haltung der deutschen Rechtswissenschaft wiedergegeben. Dies ist jedoch wie gezeigt ein Trugschluß. Vom Tagesspiegel erwarte ich insbesondere vor dem Hintergrund seines Mottos "rerum cognoscere causas", daß ich unvoreingenommen und objektiv über Tatsachen informiert werde. Eine Ausnahme gilt bei ausdrücklich als "Meinung" gekennzeichneten Beträgen. Der Artikel "Verletzte Gefühle" war nicht als Meinung gekennzeichnet und läßt daher die notwendige Objektivität vermissen.
off the record:
Ich bin es leid, bei jedem auch nur ansatzweise religionspolitische Themen berührenden Artikel ausschließlich mit Ihrer Autorin Claudia Keller konfrontiert zu werden! Sie ist bekanntlich eine gläubige Katholikin und damit per definitionem zu Objektivität gerade in diesem Bereich nicht in der Lage, sonst könnte sie keine "gute Katholikin" sein. Es ist mit der Sicherheit eines Uhrwerks vorhersagbar, daß sie in jedem einzelnen ihrer Artikel - schön verpackt zwar, so daß es nicht jedem gleich auffällt - die offizielle Meinung der Deutschen Bischofskonferenz zur Kenntnis bringt.
Es wird beantragt:Die Mitarbeiterin Claudia Keller wird mit sofortiger Wirkung von ihren Pflichten beim Tagesspiegel entbunden und durch einen religionspolitisch neutralen Kollegen ersetzt.
Hilfsweise:Jedem von der Mitarbeiterin Claudia Keller verfaßten Artikel wird zur Wahrung der Objektivität auf derselben Seite ein Artikel von gleicher Länge, in gleicher Aufmachung und Schrifttype von einem explizit religionskritischen Autoren gegenüber gestellt. Der Unterzeichner erklärt sich zur Übernahme dieser Aufgabe gern bereit.
Höchst hilfsweise:Jedem von der Mitarbeiterin Claudia Keller verfaßten Artikel wird ein Warnhinweis vorangestellt. Insoweit wird folgender Text für ausreichend, jedoch auch notwendig gehalten: "Die Autorin ist gläubige Katholikin. Die Redaktion des Tagesspiegel übernimmt keine Gewähr für Objektivität."
Hinweis: Der "off-the-record"-Teil ist Ausdruck meiner jetzt bereits mehrere Jahre anhaltenden Frustration darüber, daß ich in "meiner" Tageszeitung in einer ganz überwiegend atheistischen Stadt zu jedem religionspolitischen Thema nur die Meinung von Frau Keller finde, des Mitglieds einer - jedenfalls in Berlin und Brandenburg - religiösen Splittergruppe.