Menschen
sind beeinflussbar.
Man kann
ihnen Fehlinformationen unterjubeln, Themen hochjazzen und mit damit Parteien
stärken, die mit diesen Dingen assoziiert werden.
[…..] Eine lautstarke Minderheit dominiert den
politischen Diskurs, an den Interessen der meisten Bürger vorbei - und die AfD
profitiert. […..] Das Konzept
"issue ownership", die Idee, dass bestimmte Themen bestimmten
Parteien "gehören", erdachte der amerikanische Politologe John
Petrocik Mitte der Neunziger. Unterschiedliche Themen werden demnach vorrangig
bestimmten Parteien oder politischen Richtungen zugeordnet.
Parteien profitieren
davon, wenn "ihre" Themen häufig auf der Agenda stehen, also in der
medialen und heute natürlich auch der sozial-medialen Debatte häufig vorkommen.
Für Radikale und Extremisten, die früher schwerer Gehör fanden, sind die sozialen
Medien deshalb ein Gewinn. Hier können Zwerge unbedarfte Beobachter davon
überzeugen, sie seien Riesen.
[…..] Im aktuellen Kontext noch
beunruhigender ist eine neue Studie aus Großbritannien, von der University of
Southampton. Die Autoren zeigen darin, wie sehr die rechtsnationale
Ukip-Partei, der die Briten maßgeblich ihre mittlerweile für die meisten
erkennbar dämliche Brexit-Entscheidung verdanken, von medialer Aufmerksamkeit
profitierte. Der zeitliche Zusammenhang sei klar, schreiben die Forscher:
"Mediale Berichterstattung befördert Unterstützung für die Partei, aber
nicht umgekehrt." […..]
39 Prozent der
Deutschen finden die Flüchtlingspolitik "sehr wichtig", 69 Prozent
Gesundheitspolitik und Pflege, 64 Prozent die Renten- und Sozialpolitik. Beim
letzteren Thema zum Beispiel sind 67 Prozent mit der Arbeit der Bundesregierung
unzufrieden. Womit sollte man auch zufrieden sein, viel ist da ja nicht zu
hören. Man muss ja ständig über Flüchtlinge reden. Die Regierung regiert an den
Interessen der Regierten vorbei.
[…..]
Immer
wieder erstaunlich wie eine kleine, aber sehr lautstarke Minderheit medial aufgewertet wird,
während viel größere Aufreger regelrecht verschwiegen werden.
Die
Erbärmlichkeit, mit der die deutsche Presse den Aufstieg der Rechtsextremen
begleitet, tut mir weh.
Alles
was richtig rechts ist, gilt als Sensation und wird ausführlich dokumentiert.
Keine
Woche vergeht, in der nicht die AfD-Spitzen in den Talkrunden von Illner,
Maischberger, Plasberg und Will ihre Gülle ausgießen dürfen.
Es
gäbe wesentlich größere und bedeutendere Bewegungen, die tägliche
Aufmerksamkeit der Medienlandschaft verlangten.
Hunderttausende
engagieren sich beispielsweise gegen TTIP.
Würden
sie auch nur annähernd so hofiert wie die braunen Bekloppten an Petrys Rockzipfel,
dürfte keine Talkshow mehr ohne Vertreter von Greenpeace und attac ausgestrahlt werden.
Aber
das geschieht natürlich nicht.
Elektrisiert verfolgen die ARD- und ZDF-Redaktionen hingegen die relativ kleine Anzahl
der Peginesen.
26. Januar 1991: In
Bonn demonstrieren 200.000 Menschen gegen den zweiten Golfkrieg, an dem sich
auch Deutschland beteiligt, vor allem finanziell.
Dezember 1992: In
Hamburg demonstrieren am 13.12.1992 bis zu 450.000 Menschen gegen
Ausländerfeindlichkeit, in München waren es eine Woche zuvor 300.000
Teilnehmer. Die Bürger wollen mit Lichterketten ein Zeichen gegen Fremdenhass
setzten, der sich in Anschlägen auf Asylbewerberheime und Häuser von Ausländern
in Deutschland manifestiert. […]
Es
folgten eine Reihe riesiger Demonstrationen gegen die harte Asylpolitik der
CDU-Kohl-Merkel-Regierung.
100.000
Menschen in Essen 01.01.1993 "Das Ruhrgebiet sagt Nein!", gegen
Gewalt und Rassenhass. Noch einmal genauso viele am 30.01.1993 bei der
"Lichterspur" in Berlin unter dem Motto "Aufstehen und
widerstehen“ und am selben Tag 120.000 Menschen in Düsseldorf beim
"Lichterfest des Friedens und der Menschlichkeit."
15. Juni 1996: In Bonn
demonstrieren 350.000 Menschen gegen Sozialabbau in Krankenversicherung und
Arbeitsrecht. Die CDU/CSU-FDP-Bundesregierung gibt dem Druck der Straße nicht
nach
09.11.2000:
Berlin, 200.000, "Für Menschlichkeit und Toleranz", gegen
Ausländerhass.
15. Februar 2003: Rund
500.000 Menschen demonstrieren in Berlin gegen den sich abzeichnenden
Irak-Krieg. In Stuttgart sind es 50.000 Demonstranten.
Die
nächsten Demonstrationen mit deutlich sechsstelligen Teilnehmerzahlen gibt es
Ende 2003 und im Jahr 2004 gegen die Hartz-Gesetzgebung; leicht kommen eine
Viertelmillion Menschen dazu in Berlin zusammen, aber auch in Stuttgart sind es
140.000 am 03.04.2004 und noch einmal 100.000 am selben Tag in Köln.
Bei
allen diesen Demonstrationen geht es aber um Werte wie Frieden, Solidarität und
Bürgerrechte – also etwas, das die CDU in ihrer Regentschaft stets
eingeschränkt hat.
Also
wurden auch Millionen Demonstranten einfach als „linke Chaoten“ angesehen und
somit ignoriert.
Und nun kommen die 15.000 Dresdner Peginesen. Jene dumpf xenophoben
Außerrealitären, die sich ausgerechnet im de facto Muslim-freien Sachsen vor
Muslimen fürchten. Jenes perfide Pack, das wie Matthias Matussek die
Gefährlichkeit der Muslime mit dem Taliban-Anschlag auf eine Schule in
Peschawar belegen will und damit die OPFER von IS und Taliban, also diejenigen,
die vor ihnen fliehen und bei uns Schutz suchen, für die Grausamkeiten ihrer
Peiniger in Haftung nimmt.
Moralisch
verwerflicher kann man kaum agieren.
Skrupellos
Menschen gegen andere Menschen aufzuhetzen, versteht auch die CSU, die seit
Monaten in dramatischsten Farben eine Flüchtlingswelle herbeiredet, die es hier
gar nicht gibt, weil die Grenzen längst zu sind und die Vertriebenen zu Abertausenden
in nordafrikanischen Folterlagern oder dem Mittelmeer verrecken.
Seehofer,
Söder, Scheuer und Dobrindt vergessen allerdings, daß inzwischen die AfD für
Härte gegen Zuwanderer wahrgenommen wird.
Die CSU
stärkt also nicht sich selbst, sondern den rechten Konkurrenten.
Der
bayerische Ministerpräsident Söder hat dabei etwas Erstaunliches zuwege
gebracht:
Er ist
zum unbeliebtesten Regierungschef aller Länder abgestiegen.
Herzlichen
Glückwunsch.
Als
Sozialdemokrat sollte man ihm dankbar sein, wenn er nicht damit die AfD so
stark machen würde.
[….] Am Montag meldet das Forsa-Institut, das
sich im Auftrag von RTL mal wieder in der Republik umgehört hat, dass Markus
Söder nicht so gut ankommt daheim. […..] 64 Prozent zeigten sich mit seiner Regierungsarbeit unzufrieden. 31
Prozent dagegen äußerten sich zufrieden. […..] Winfried Kretschmann twittert nicht. Touren muss er auch nicht, weil
die Landtagswahl fern ist. Angesichts seiner Zustimmungswerte wäre die im
Moment wohl für die Grünen ein „gemähtes Wiesle“, wie man im Schwäbischen sagt.
74 Prozent der Baden-Württemberger sind zufrieden mit dem 70-Jährigen[…..]
Stimmungen
zu generieren und manipulieren sorgt aber bedauerlicherweise nicht nur für
parteipolitische Konsequenzen.
Wenn
Politiker wie Gauland, Farage, Johnson, Trump, LePen, Kurz, Strache, Söder,
Spahn und Seehofer Hass säen, gibt es immer unschuldige Opfer, die es ausbaden
müssen.
(….)
Durch die Anti-LGBTI-Kampagne des Front National und der katholischen Kirche in
Frankreich 2013 fühlten sich signifikant mehr Dumpf-Franzosen ermutigt Schwule
zu mobben und zu schlagen.
Wozu
katholische Schwulenhetze führt, haben wir 2013 in Frankreich erlebt.
In
unserem traditionell eher homophilen Nachbarland hatten sich die homophoben
Übergriffe verdreifacht, seit die
liebe RKK des allseits so geschätzten Papst Franz sich so massiv in die
französische Gesetzgebung einmischte.
Und
auch in Hamburg geschah letzte Woche das Unvorstellbare: Mehrere gewalttätige Übergriffe auf
Schwule im Zuge des CSDs. Zwei Opfer liegen immer noch im Krankenhaus.
Es
ist also angezeigt, daß sich der Staatsschutz mit diesen
radikal-christlichen Menschenfeinden beschäftigt.
Vom
deutschen BND und seinen Schwesterorganisationen ist diesbezüglich allerdings
rein gar nichts zu erwarten. Ihre Blindheit auf den rechten Augen stellten sie
eindrucksvoll unter Beweis.
Durch
die ständige antimuslimische und menschenfeindliche Hetze der AfD im Jahr 2015,
als CDU, CSU und FDP ungeniert auf den Zug aufsprangen, wurden Tausende
Widerlinge ermutigt ihre Xenophobie auf ein praktisches Level zu promovieren.
[…..]
Im vergangenen Jahr hat es in Deutschland
mehr als 3500 Angriffe auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte gegeben.
Dabei wurden 560 Menschen verletzt, unter ihnen 43 Kinder. Das berichten die
Zeitungen der Funke-Mediengruppe und berufen sich auf eine Antwort des
Bundesinnenministeriums auf eine Parlamentsanfrage.
Demnach gab es 2545
Angriffe auf Flüchtlinge außerhalb ihrer Unterkünfte. Hinzu kamen 988 Angriffe
auf Flüchtlingsheime - das waren geringfügig weniger als im Vorjahr (1031
Angriffe). Zudem wurden 217 Mal Hilfsorganisationen oder freiwillige
Asyl-Helfer attackiert.
[…..]
Ob
der endgültig zum rechtsradikalen Verschwörungstheoretiker mutierte David Berger mit seinen Hassblogs selbst
zum Baseballschläger oder Molotowcocktail greifen würde, vermag ich nicht zu
beurteilen.
Aber
sofern seine eigenen Angaben über die Klickzahlen stimmen – angeblich wählen
über 1,5 Millionen Menschen monatlich seinen PP-Blog an – ist es irrelevant, ob
der von Hass zerfressene Tradi-Katholik die Grenze zur physischen Gewalt
überschreitet, da es vermutlich unter seinen Lesern einen Bodensatz gibt, für den Bergers Worte
die Tropfen sind, die das braune Fass überlaufen lassen.
[…..][…..]
Ich halte es ebenso für schwer vorstellbar, daß Nigel Farage oder Boris Johnson jemals selbst einen
Migranten verprügelt haben.
Aber
sie waren die Haupttäter bei der Erzeugung der Europa- und
Migranten-feindlichen Stimmung in
England.
Nach dem Brexit-Votum
Briten machen Jagd auf Polen
[…]
Neid, Wut, Hass, Rassismus: Nach dem
Brexit zeigt Großbritanniens Gesellschaft ihre hässlichste Fratze.
Rechtsextreme, aber auch stinknormale Bürger hetzen gegen Ausländer und
Menschen mit ausländischen Wurzeln, machen teils regelrecht Jagd auf sie – ganz
speziell auf Polen.
Mehr als 750.000
Menschen kamen seit dem EU-Beitritt des Landes 2004 auf die Insel, um zu
arbeiten, eine bescheidene Existenz aufzubauen. Jetzt sind sie Ziel
ausländerfeindlicher Angriffe. So giftete Nigel Farage, Chef der rechtsextremen
UKIP-Partei, im Brexit-Wahlkampf gegen Polen, andere Ausländer und Muslime.
Seit dem Entscheid über das EU-Aus der Briten geht seine Saat und die Hetze
anderer Ausländerfeinde auf. Hunderte teils schwere Übergriffe gegen Zuwanderer
wurden bisher registriert.
[…]
Die britische Polizei bestätigte, dass
seit Donnerstag die rassistischen
Übergriffe um 57 Prozent zunahmen. […]
Der
von den Evangelikalen als frommer Christ gepriesene Donald Trump erreichte
schon vor der Wahl diesen Effekt. Seine fortgesetzten fremdenfeindlichen
Attacken zeigten überall im Land Wirkung.
[….]
Gerade mal eine Woche nach dem Wahlsieg
Donald Trumps berichten NGOs und Aktivisten von einer erschreckenden Zunahme
der Hasskriminalität in den USA. 437 Fälle sammelte das
Southern Poverty Law Center (SPCL) allein in den ersten fünf
Tagen nach der Wahl. Das ist allerdings bloß die Fortsetzung dessen, was fast
zwei Jahre Wahlkampf in den USA bereits angeschoben haben.
Am Sonntag
veröffentlichte dann das FBI eine Statistik,
wonach die Zahl der Fälle von Hasskriminalität gegen Muslime in den USA im Jahr
2015 um 67 Prozent im Vergleich zum Vorjahr angestiegen ist. Erfasst wurden 257
antimuslimische Übergriffe im Jahr 2015 (im Vergleich zu 154 im Vorjahr) – das
ist der höchste Wert, der seit den Anschlägen auf das World Trade Center im
Jahr 2001 erhoben wurde. Genauso stieg die Zahl der Übergriffe auf jüdische, schwarze
und LGBT-Menschen. Was all diese Gruppen gemeinsam haben? Sie gehören zu jenen,
gegen die Trump immer wieder gewettert hat.
Und Experten führen
die Übergriffe auch konkret auf Trumps Rhetorik
zurück. Auf das, was er gesagt hat. Also etwa auf seine
Forderungen, Moscheen zu überwachen, Muslimen die Einreise in die USA zu
verweigern und eine Datenbank mit allen muslimischen US-Bürger zu erstellen. […..]
(taz, 17.11.2016) (….)
Alle,
die öffentlich gegen Menschengruppen hetzen, bewirken etwas, das letztlich in physische Gewalt ausartet.
Der von
Spahn, Seehofer, Söder, Orban und Kurz umworbene rechtsradikale Italienische
Innenminister Salvini hetzt nicht nur im luftleeren Raum, sondern es finden
sich immer wieder Rassisten, die sich davon ermutigt fühlen Menschen mit
dunklerer Haut anzugreifen.
Natürlich
bleibt auch Trumps andauernde Hetze gegen Journalisten nicht ohne Folgen.
[…..] Seit
Monaten verschärft Trump seine Hetze gegen die US-Medien, allen voran die
"NYT", die "Washington Post"und CNN. Selbst als im Juni in
Maryland fünf Lokaljournalisten erschossen wurden, beschimpfte er Reporter
weiter als "Volksfeinde", eine implizierte Sanktionierung von Gewalt.
[…..]
Auch der
große politische Freund der CSU, der ungarische MP, der zu jedem Parteitag der
Christsozialen als Stargast geladen wird, agitiert nicht im luftleeren Raum.
[….] Nach seinem haushohen Wahlsieg will Ungarns
Ministerpräsident Viktor Orban einen neuen Anlauf unternehmen, um
Nichtregierungsorganisationen noch stärker unter staatliche Kontrolle zu
stellen. Die Stiftung „Open Society Foundation“ des US-Milliardärs George Soros
zieht daraus Konsequenzen, schließt ihr Büro in Budapest und zieht nach Berlin
um. Dieser Schritt erfolge wegen des „immer repressiveren politischen und
rechtlichen Umfelds in Ungarn“, teilte die Stiftung mit Zentrale in New York
mit. „Es ist unmöglich, die Sicherheit unserer Operationen und Mitarbeiter in
Ungarn vor willkürlicher Einmischung der Regierung zu gewährleisten“, sagte der
Präsiden Patrick Gaspard.
[…..] George Soros, in Budapest geboren und Überlebender des
Holocaust, gilt
Orban und der Fidesz heute geradezu als Staatsfeind. In einer Kampagne versucht
Orban seit Monaten mit antisemitischen Klischees und Verschwörungstheorien,
Soros als Spekulanten „ohne Heimatland“ zu verunglimpfen, der das Land und ganz
Europa angeblich mit dem gezielten Zuzug von muslimischen Flüchtlingen
destabilisieren will. Orban, einst selbst ein Stipendiat der Soros-Stiftung,
instrumentalisiert auch den in Ungarn tief sitzenden Antisemitismus politisch.
[….]
Diejenigen,
die wie David Berger, AfD und CSU den Ober-Ungarn bejubeln, machen sich
mitschuldig an judenfeindlichen Übergriffen und physischer Gewalt gegen
Minderheiten.
[…..]
Orbán speziell befeuert eben nicht nur
die rechtsextreme Politik in Deutschland, Frankreich, überall, er weicht
grundsätzlich die Standards auf und macht aus demokratischen Politikern des
konservativen Lagers Verräter an der Sache der Demokratie.
Nichts anderes macht
jemand wie Friedrich, wenn er sich gegen eine "Bevormundung" der
antisemitischen und autoritären ungarischen Regierung wehrt. Nichts anderes ist
jemand wie Alexander Dobrindt von der CSU, der Orbán einen Freund nennt. Nichts
anderes ist Bundesinnenminister Horst Seehofer, der von CNN als Stimme der AfD
in der Exekutive bezeichnet wird.
Auch die
Bundeskanzlerin Angela Merkel - und damit die CDU überhaupt - kann sich nicht
aus der Verantwortung stehlen. Sie nimmt es hin, dass Orbán und seine Partei
Fidesz weiter Teil der konservativen Fraktion im europäischen Parlament sind.
Sie muss, wenn sie glaubwürdig gegen Antisemitismus und Autoritarismus
auftreten will, dafür arbeiten, Fidesz auszuschließen. [….]