Mittwoch, 30. Juli 2014

Psychotischer Schub – Teil II

In Deutschland gibt es normale Menschen und dann gibt es Bayern.
Nicht daß ich als besonderer Fan der Intelligenz des Urnenpöbels bekannt bin, aber es gibt durchaus in einigen Bundesländern gelegentlich große Verschiebungen, wenn eine regierende Partei einen richtig heftigen Skandal verursacht oder generell beim Regieren versagt.
1987 wurde auf diese Weise die 40 Jahre regierende CDU Uwe Barschels erdrutschartig aus der Kieler Regierung vertrieben. 2011 verlor die taumelnde CDU, die zehn Jahre in Hamburg regiert hatte 22 Prozentpunkte bei der Bürgerschaftswahl und die SPD zog mit absoluter Mehrheit direkt aus der Opposition in die Alleinregierung.
Im selben Jahr passierte das Ungeheuerliche in Stuttgart, als der Grüne Winfried Kretschmann die seit Adam und Eva regierende Schwaben-CDU in die Opposition schickte.
Barschel, Ahlhaus und Mappus zusammen haben es aber nicht auf eine Skandaldichte wie die CSU in Bayern gebracht: Persönliche Bereicherung, Korruption, Verzocken von hunderten Millionen Steuergeldes, peinliche Ausfälle auf bundesdeutscher und europäischer Ebene, gagaeske tägliche politische Richtungswechsel, kontinuierliche Lügen, sowie derbe rechtsradikale Sprüche sind das tägliche Brot des psychotischen Ministerpräsidenten in München.
Wären die Bayern normale Menschen und keine Bayern, wäre die CSU längst in der Opposition marginalisiert.
Stattdessen regiert Crazy Horst mit absoluter Mehrheit und ist weit überproportional der Bedeutung Bayerns als eins von 16 Bundesländern mit 3 von 15 Bundesministern vertreten.

Gegenwärtig ist die Performance der Bayern in Berlin allerdings derartig miserabel, daß bundesweit Journalisten aus ihrer stoischen Hinnahme der Bayernmacht aufwachen und öffentlich kundtun, welch ein Ärgernis diese Partei darstellt. Man kann dazu beinahe beliebig Zeitungen aufschlagen; es hageln einem die Stichworte „Herdprämie“, „Ausländermaut“, „Haderthauer“, „Gauweiler“ und „Schmidt“ entgegen.


Manchmal stelle ich mir vor, ich wäre uralt geworden und würde für eine Guido-Knopp-artige Dokumentation über das Deutschland der Jahrtausendwende als einer der letzten lebenden Zeitzeugen interviewt.
Es säßen einige aufgeweckte Geschichtsstudenten vor mir, die sich intensiv mit dem Filmmaterial aus der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts befasst hätten. Und dann gingen die peinlichen Fragen los:
„Wie konnte es denn dazu kommen, daß Deutschland damals seine Zukunft verspielte, indem es trotz der damaligen Informationsmöglichkeiten 30 Jahre Merkel zur Kanzlerin wählte?
Und diese CSU! Was ging damals im deutschen Volk vor, daß es trotz der auch in Bayern geltenden formalen Demokratie noch bis ins frühe 21. Jahrhundert den korrupten Ausländerfeinden der CSU absolute Mehrheiten verschaffte?“

Das wären dann richtig schwere Fragen und ich würde voller Verständnis antworten, daß das natürlich heute überhaupt nicht mehr zu verstehen wäre, aber damals wäre es eben eine völlig andere Zeit gewesen. Die Idee, daß die eigene Wahlentscheidung Konsequenzen hat, daß man nicht nur nach Gewohnheit und ohne nachzudenken irgendwas ankreuzt, war noch nicht geboren.

Die Studenten von 2050 würden mich fragend ansehen und irgendein Nerd mit dem neuesten Google-Implantat würde mir triumphierend historische Zeitungsartikel auf die Retina projizieren: „Sagen Sie nicht, man hätte das damals nicht wissen können! Die Informationen waren trotz der damaligen primitiven Vorform der Globalhirnvernetzung schon für jeden zugänglich.

CSU versinkt in Affären
Drei Stunden Krisensitzung hat es diese Woche wegen Christine Haderthauer in der Staatskanzlei gegeben. Gegen die 51-Jährige, die Seehofers Regierungssitz managt, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Betrug und Steuerhinterziehung. [….]
Aber da ist ja auch noch ein anderes Problem. Der stellvertretende CSU-Chef Peter Gauweiler macht nicht nur bester Nebenverdienstler des Bundestags von sich reden – und als der größten Abstimmungs-Schwänzer des Parlaments. Er ist auch Figur in einem dubiosen Ärzte-Abrechnungsskandal: Gauweiler vertritt als Rechtsanwalt den Laborunternehmer Bernd Schottdorf, gegen den immer mal wieder wegen Betrugs- und Bestechungsvorwürfen ermittelt wurde, etwa wegen Rabattsystemen für Ärzte. Einen Untersuchungsausschuss des Landtags versucht Schottdorf mit einer Verfassungsbeschwerde zu verhindern. Für ihn klagt der Parlamentarier Gauweiler.   [….] 325.000 Euro Sozialversicherungsbeiträge soll sich der ehemalige CSU-Landtagsfraktionschef Georg Schmid gespart haben, als er seine Ehefrau als Sekretärin beschäftigte. Die Staatsanwaltschaft hat deswegen nun Anklage gegen den früheren CSU-Landtagsfraktionschef Georg Schmid erhoben – eine Folge der Verwandtenaffäre vom Sommer 2013. [….] Dobrindt ist [….]  so etwas wie der Problembär des Kabinetts. [….]

Nein, ich werde mich nicht damit rausreden können von allem nichts gewußt zu haben. Denn schon wird der nächste Schlaumeier, der sich im Nebenfach auf zeitgeschichtliche Comedy spezialisiert hat, mir die treffenden CSU-Satiren des Jahres 2014 in den Kopf schießen.

Ralf Husmann schreibt als Alexander Dobrindt einen Brief an Seehofer:

Lieber Horst,
die Kollegen im Ministerium haben in den Zuschriften zu unserer Maut sehr oft die Begriffe "Doofbrindt", "Straßendieb", "Arschloch" und "Politiker" gefunden, was mich zur Annahme bringt, dass die Vorschläge eher verhalten aufgenommen wurden. Ich würde deswegen gern folgende Optionen prüfen lassen:
Wenn ich dich damals richtig verstanden habe, ging es dir darum, in Ermangelung richtiger Themen, unseren Leuten in Bayern wenigstens das Gefühl zu geben, dass die Österreicher es nicht besser haben dürfen als wir. Nachdem die EU-Deppen das als Argument nicht anerkennen, könnten wir die Maut auch abblasen und stattdessen Bier und Brezen für Ausländer teurer machen oder die Eintrittspreise für Schloss Neuschwanstein.
Sollte es womöglich aber so sein, dass in Europa Diskriminierung von Ausländern nicht nur auf Straßen, sondern generell nicht gern gesehen ist, könnten wir das ohne Probleme Brüssel in die Schuhe schieben und dafür eine Art EU-Soli einführen, was nicht nur Geld bringt, sondern bei der nächsten Wahl auch Argumente gegen die EU, also Stimmen für uns.
Wir können auch einfach die Maut durchziehen wie geplant und darauf bauen, dass die Ösis eh keine Lobby in Brüssel haben. Der Nachteil ist, dass jetzt auch schon die Holländer eine Maut wollen, und so was wird schnell ein Fass ohne Boden. Andererseits trifft eine holländische Maut hauptsächlich NRW und damit die Sozen, insofern: drauf geschissen.
Alternativ wäre zu überlegen, ob man in jeder deutschen Gemeinde eine Sackgasse nach dir benennt, für die jährlich eine saftige Abgabe fällig wird. Das klingt erst mal hanebüchen, aber denk an die Hotelier-Steuer der FDP. [….]

Etwas mehr Ernst; würde an dieser Stelle der deutlich nach 2014 geborene Geschichtsprofessor anmahnen.

Denn abgesehen von der Anfang des Jahrhunderts einsetzenden deutschlandweiten Volksverdummung, ginge es schließlich um die schwerste deutsche Schuld, nämlich die technische Ermöglichung des dritten Weltkriegs von 2016-2036, bei dem zwischen Afghanistan und Marokko immerhin 100 Millionen Menschen durch konventionelle Waffen getötet wurden.
Bevor der letzte Zeitzeuge wegsterbe, müsste ich unbedingt gefragt werden, wie es möglich war, daß sich Deutschland zum ganz großen Weltwaffenexporteur aufschwang. Wieso wählte man damals Politiker, die dieses zutiefst amoralische Handeln offensiv forcierten?

Und wieder säße ich in der Klemme und wüßte keine einfache Antwort. Es war eben immer dieser Merkel/Bayern-Wahn gewesen, also offensichtlich eine kollektive Inselverdummung.

Der Wohlstand Deutschlands hängt nicht von der Rüstungsindustrie ab. Wieso also nationalen Herstellern helfen, die nur durch den Export in Krisengebiete überleben? [….]  Der bayerische Ministerpräsident hat mal wieder in bester Tradition von CSU-Chefs einen Grundsatzstreit vom Zaun gebrochen. Der Landeschef stört sich daran, dass die Bundesregierung - namentlich SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel - zu zögerlich sei bei der Genehmigung von Waffenexporten. Für den Herbst hat Seehofer gleich mal eine große Debatte über die Branche angekündigt, die in Bayern besonders stark vertreten ist. [….]  
Eine Bundesrepublik, die zu den drei führenden Waffenexporteuren der Welt gehört, schadet ihrem Ansehen in der Welt. Das Aufsehen, das die Branche regelmäßig erzeugt, steht in keinem Verhältnis zu ihrer Größe. In Deutschland arbeiten rund 200 000 Menschen in der Waffenindustrie - nicht viel im Vergleich zu rund zwölf Millionen Arbeitsplätzen in der Industrie insgesamt. [….]  Noch immer tun viele Politiker so, als hinge von dieser Branche das Heil der Republik ab. Das stimmt aber nicht. Zum Wohlstand tragen Maschinenbauer, Chemie- und Autoindustrie viel mehr bei als die Waffenschmieden. Auch für die Förderung neuer Technologien taugt die Waffenbranche nicht. Das können andere Branchen besser. [….]

Während in Gaza, Libyen, der Ostukraine, Syrien und dem Irak die heißen Kriege hochkochen, war es einmal mehr Horst Seehofer, der sich für die perverseste Option stark machte: Mehr deutsche Waffen in die Krisengebiete!
Wie hätten wir erwachsenen Menschen von 2014 das denn nicht zur Kenntnis nehmen können??

Die Sorge um Arbeitsplätze rechtfertigt für Horst Seehofer tödliche Exporte: So unverfroren wie der bayerische Ministerpräsident hat schon lang niemand mehr moralische Bedenken beiseitegeschoben.
[…] Er will, dass Deutschland seinen Spitzenplatz bei den Waffenlieferanten der Welt behält; es stört ihn nicht, dass ein großer Teil der Waffenexporte an zwielichtige Regimes geht. Es stört ihn deshalb nicht, weil an diesen Exporten einige Zigtausend bayerische Arbeitsplätze hängen. Das rechtfertigt, angeblich, die tödlichen Exporte.
[…] Alles soll so bleiben, wie es sich unter maßgeblicher Beteiligung der CSU entwickelt hat.  Vor zwanzig Jahren hatte sie im Bundestag gefordert, "die vielfältigen Bremsen" beim Rüstungsexport zu lockern - mit Erfolg. Die Folgen tragen nicht Seehofer und die CSU, sondern die Menschen, die dann (wenn sie Glück haben), vom Roten Kreuz und ihren Schwesterorganisationen verarztet werden. […]

Dabei war die deutsche Geldgier auf dem Rücken von Millionen Erschossenen und Verletzten doch sogar schon 2014 auch in den BAYERISCHEN Zeitungen verurteilt worden.


Nein, ich werde es vermutlich nicht erklären können, was damals los war.
Seehofer tat was er wollte und der Urnenpöbel nickte es ab.

Ob es nun perfide Persönlichkeiten waren…..

Soll nun das die alte Herrlichkeit sein, zu der Horst Seehofer seine CSU zurückgeführt hat? Nicht einmal ein Jahr regiert die Partei Bayern wieder alleine, da sieht sie sich wohl schon mit zwei Untersuchungsausschüssen und einem Ermittlungsverfahren gegen Staatskanzleichefin Christine Haderthauer konfrontiert. Von den U-Ausschüssen wird der eine durch CSU-Vize Peter Gauweiler in der Arbeit blockiert. Der zweite erscheint unausweichlich, nachdem Haderthauer in fragwürdige Geschäfte ihres Mannes mit Modellautos verwickelt ist. Diese haben psychisch kranke Straftäter gefertigt.
Der Vorgang ist nicht nur erstaunlich, weil Haderthauer das ernsthaft für das Normalste der Welt hält, wenn von Straftätern gefertigte Produkte die Haushaltskasse aufbessern. Er ist existenzbedrohend für die Politikerin aus Ingolstadt, seitdem der Vorwurf im Raum steht, sie und ihr Mann könnten einen früheren Geschäftspartner dabei übers Ohr gehauen haben. Viel zur Aufklärung hat Haderthauer bisher nicht beigetragen. […]

Oder abartige Moral:

Die CSU hat eine neue Front in der großen Koalition aufgemacht, dieses Mal auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik. Nach seinen umstrittenen Plänen für eine Pkw-Maut, sorgt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer jetzt mit einer Attacke gegen die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) verantwortete Politik für Rüstungsexporte für Streit in Berlin. [….]   Das klingt, als sei in der Waffenbranche, die 1990 noch rund 400000 Menschen beschäftigte und heute nur noch die Hälfte davon, eine akute Krise ausgebrochen, weil der Berliner Wirtschaftsminister sich in den Kopf gesetzt hat, die Exporte von Kriegswaffen schärfer zu kontrollieren. [….]  Merkwürdig ist nur, dass die Waffenindustrie die Dinge gelassen sieht. „Seehofer braucht offenbar eine Entlastungsdebatte, um von der Maut-Diskussion wegzukommen“, sagt ein Vertreter der Waffenindustrie. Beim Airbus-Konzern, der zu den großen Unternehmen in Bayern zählt, wo unter auch wesentlich Teile des Kampfflugzeuges Eurofighter gebaut werden, herrscht ebenfalls völlige Ruhe. „Es ist nichts passiert, was die Aufregung von Seehofer erklären könnte“, sagt ein Airbus-Manager. Auch der Branchenverband BDSV gibt sich unaufgeregt. [….]
Seehofer will mit seinen Attacken auf die Rüstungspolitik weitermachen. Für den Herbst plant er „eine große Debatte“ über die Verantwortung von Deutschland in der Welt. „Wir müssen auch unsere nationalen Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen im Auge haben“, so der Ministerpräsident. Wer redet dann noch von der Maut.

Oder Volksverdummung:

Am Freitag ist Zahltag. Dann gibt es wieder Betreuungsgeld. Pünktlich zum Monatsanfang landen bislang 100 Euro auf dem Konto von Eltern, die ihre Kleinkinder nicht zur Krippe bringen und zu Hause hüten. Seit einem Jahr geht das so. Und anstatt mit diesem Unsinn sofort aufzuhören, gibt es zum 1. August sogar noch 50 Euro drauf. 150 Euro beträgt dann diese Familienleistung, die von Anfang an ein Missgebilde war. Das Betreuungsgeld ist ein Beispiel dafür, wie politischer Stursinn Familien verstören kann, die Gesellschaft spaltet und Menschen aufeinander herabschauen lässt. Die jüngsten Opfer – das muss man nach einem Jahr Betreuungsgeld bitter resümieren – sind Menschen ohne Abitur und manche Familie mit ausländischen Wurzeln. Sie werden willentlich in mitunter schwieriger sozialer Situation gehalten.
(Ulrike Heidenreich, SZ, 29.07.14)

Alles was die CSU anfasst ist schlecht.
Aber dem Wähler gefällt es offensichtlich.