Sonntag, 16. Februar 2025

Martialische Demokratie

Über die Demokratie wurde in der alten Bundesrepublik voller Stolz geredet, als ob wir uns sie selbst erkämpft hätten. Dabei handelt es sich um eine ziemlich dreiste Form des Schmückens mit fremden Federn. Denn die Deutschen hatten, im Gegenteil, mit großer Mehrheit die Demokratie der Weimarer Republik abgeschafft. Sie bevorzugten eine genozidale Diktatur. Die Demokratie musste ihnen 1945 nach 65 Millionen Toten erst aufgezwungen werden.

Bis heute brüsten sich Deutsche auch mit der „friedlichen Revolution von 1989“, um sich mit den Leistungen anderer zu erhöhen. Die gut 60 Millionen Westdeutschen hatten nichts mit dem Sturz der SED zu tun. Die Mehrheit der DDR-Bürger bestand aus Mitläufern. Im internationalen Vergleich der Ostblock-Staaten, waren die Ost-Deutschen besonders Diktatur-treu, feierten noch ihr Steinzeit-Regime, als in Polen das Volk schon Jahre lang General Jaruzelski Feuer unterm Hintern machte. In den frühen 1980ern gab es im Warschauer Pakt-Staat Ungarn schon längst den sogenannten „Gulasch-Kommunismus“; das Volk hatte sich gute 20 Jahre nach dem Ungarischen Volksaufstand von 1956, als etwa 3.000 Ungarn für die Demokratie starben, von dem Regime emanzipiert. Titos Jugoslawien erklärte sich für „blockfrei“, wurde ein beliebtes Urlaubsziel. Belgrad rief den Vorzeige-Diktatoren in Ost-Berlin und Moskau ein herzliches FUCK YOU ins Gesicht.

Die Tschechen und Slowaken hatten sogar schon 1968 mit Alexander Dubček den Prager Frühling eingeläutet und konnten erst durch sowjetische Panzer eingenordet werden.

Die DDR-Deutschen hingegen waren brav obrigkeitsgläubig und klammerten sich noch an die alte Sowjet-Diktatur, als im Kreml selbst, mit KPdSSU-Generalsekretär Gorbatschow, Glasnost und Perestroika eingeläutet waren.

Die westdeutschen Christenparteien CDU und CSU hatten unterdessen die schlimmsten NSDAP-Antidemokraten, wie Hans Globke und Theodor Oberländer aufgenommen und ins Kabinett befördert. Kurt-Georg Kiesinger, ein ehemaliges NSDAP-Mitglied wurde CDU-Vorsitzender und Bundeskanzler Der NSDAP-Verbrecher und Marine-Richter Hans Filbinger war von 1966 bis 1978 war er Ministerpräsident Baden-Württembergs, acht Jahre CDU-Landesvorsitzender und sechs Jahre stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender. Wir Deutsche waren mehrheitlich eben nicht stolze Demokraten, sondern Diktatur-geile Mitläufer, die Nazi-Verbrechern den roten Teppich ausrollten. Martialische Töne, als wären wir Vorzeige-Demokraten, spuckten wir dennoch nur zu gerne.

Der SPIEGEL nannte sich im Widerstand gegen antidemokratische Ex-NSDAP-Mitglieder, wie Söders Idol Franz-Josef Strauß, stolz „Sturmgeschütz der Demokratie“.

In keiner Sonntagsrede der alten Bundesrepublik durfte der Begriff „wehrhafte Demokratie“ (militant democracy, streitbare Demokratie) fehlen. Ein Konzept, das in den späten 1930ern von den Exilanten Karl Loewenstein und Karl Mannheim erdachte wurde. Also zwei Personen, die von der Mehrheitsgesellschaft rausgeworfen wurden.

Es ist ein gutes Konzept; die Demokratie sollte wehrhaft sein und für diese Wehrhaftigkeit auch die absolute Freiheit im Sinne der USA einschränken: Daher haben wir den Volksverhetzungsparagraphen, der Opfer des Nazi-Regimes schützt und das Tragen von Hakenkreuzflaggen verbietet. Überraschungseier und Bilder entblößter Brustwarzen sind dafür in Deutschland erlaubt. Aber in den USA streng verboten.

Beim Schutz der Demokratie stellen sich die USA und Gesamtdeutschland allerdings gleichermaßen als wehrlos heraus.

Der unbestreitbar ablaufende Trump-Coup in den USA wurde von einer 77-Millionen Stimmenmehrheit auf den Weg gebracht. 77 Millionen Wahlberechtigte, die sich  anders als 2016, nicht damit herausreden können, nicht gewußt zu haben, was sie tun. Es ist der Bilderbuch-Weg in die Autokratie.

[….] Sanktionen gegen die Wissenschaft: Donald Trumps Feldzug gegen die Wahrheit.

Einschüchterung, Geldsperre, Zensur: Mit Macht geht US-Präsident Trump gegen die Wissenschaft vor. In den Umwelt- und Gesundheitsbehörden geht die Angst um. Die Folgen könnten drastisch sein – auch für den Rest der Welt. [….]

(DER SPIEGEL 8/2025, 16.02.2025)

Das US-Volk ist so ungebildet, so sehr mit FOX-Scheiße unterfüttert, so sehr mit TikTok-Tanzvideos abgelenkt, daß es den Entzug all seiner Freiheiten nahezu willenlos geschehen läßt.

[…] Vor acht Jahren hatten rund um die erste Amtseinführung von Trump allein in Washington eine halbe Million Menschen demonstriert - von solchen Massenprotesten ist diesmal keine Spur.

Es sei ein Prozess der Gewöhnung an Trump und der Erschöpfung der Opposition, geben selbst manche Demokraten zu - auch wenn sich Senatoren wie Chris Murphy aus Connecticut lautstark zu Wort melden und von "Verfassungskrise" sprechen.

"Wir dürfen das nicht zur Normalität werden lassen, dass der reichste Mann der Welt im Endeffekt die Regierung führt", schimpfte Murphy im Fernsehsender CNN, "dass Musk Dinge durchsetzt, die auch seinen eigenen Firmen dienen und ihn noch reicher machen".  Doch den Demokraten fehlt derzeit die Führungsfigur, in beiden Kongresskammern sind sie in der Minderheit. Und die Republikaner stehen fast bedingungslos hinter Trump.  [….]

(Tagesschau, 15.02.2025)

Die Deutschen sind kaum besser, lassen den Abbau ihrer Rechte ebenfalls achselzuckend geschehen.

Nach 10 Jahren AfD wissen wir zwar sicher, daß es sich um eine faschistische, rechtsextreme, verfassungsfeindliche Partei handelt, die zu Hass und Gewalt anstachelt, konnten uns aber noch nicht mal dazu durchringen, ein AfD-Verbot auch nur zu prüfen.

Es ist nicht nur ein Politiker-Versagen, sondern natürlich auch ein Volks- und Wählerversagen. 

Die Deutschen stellen sich mit großer Mehrheit hinter Parteien, die nationales und internationales Recht brechen wollen. 

Die gegen die Würde des Menschen agitieren. 

Die ganz offen mit dem Wunsch, internationales Recht aushebeln zu wollen, prahlen.

Wir sind keine wehrhaften, sondern wehleidige Demokraten.

Wir gehörten schon in den 1930er und 1940er Jahren nicht zu den Nationen, die ihre jüdischen Mitbürger schützten. Rumänen, Slowaken, Deutsche, Österreicher, Ungarn waren sehr eifrig und effizient, als es darum ging, ihre jüdische Bevölkerung zu töten. Das gelang in anderen Nationen nicht immer so gut. Dänen und Bulgaren retteten ihre Juden. Die Deutschen mussten 1943 bei ihrem verbündeten Italien einmarschieren, weil der Duce Mussolini beim Holocaust nicht mitmachte. Das Italienische Volk galt den Deutschen als viel zu anarchistisch, um die Juden unter ihnen auszuliefern.

Das deutsche Volk war vor 90 Jahren unanständiger, als andere und ist auch heute kein sicherer Kantonist beim Erhalt der Demokratie.

Martialische Demokratie? Schön wäre es!