Dienstag, 19. November 2019

Polit-ADHS


Da die AfD sich nie die Mühe machte ein seriöses Programm zu erarbeiten, kann sie inhaltlich zu keiner wichtigen Debatte in Deutschland beitragen.
Sie ist ein rein parasitärer Mitspieler, kann also weder dem Land, noch den Bürgern das geringste bißchen weiterhelfen.
Das braucht sie aber auch nicht, da sie vom Wesen her zutiefst destruktiv ist.
Es gibt keine konstruktive AfD-Politik. Sie richtet ausschließlich Schaden an, vergiftet das Klima, schürt Hass, schadet Wirtschaft, Umwelt und Gesundheit.
Sie gibt den potentiellen Rechtsterroristen den letzten Schubs, um aktiv zu werden: Etwas anzünden, etwas niederreißen, etwas mit Molotow-Cocktails zu bewerfen, Synagogen zu beschießen, Flüchtlingsunterkünfte zu stürmen, Obdachlose zu verprügeln, Dunkelhäutige zu jagen, Schwule „zu klatschen“, Medien zu bedrohen.

Mit der AfD auf den Ohren trauen die sich was.

[….] Die Polizei ermittelt gegen vier Männer, die versucht haben sollen, vier Flüchtlinge in Schöningen mit Schüssen aus einer Schreckschusswaffe anzugreifen. Verletzt wurde niemand, wie die Polizei am Montag mitteilte. Die vier Verdächtigen im Alter von 52, 50, 34 und 29 Jahren befanden sich laut Polizei auf einem Balkon, von dem aus sie mit Leuchtmunition auf die Gruppe schossen. Unter den Opfern war auch ein fünfmonatiges Baby. [….]

Diese reine Destruktionsagenda könnte nicht funktionieren ohne die Multiplikatoren der Medienbranche.

Es reicht nicht aus ein planloser Depp zu sein, der Ausländer hasst und gewohnheitsmäßig bei allen Statements lügt, um Sendezeit in den Talkshows zu bekommen, sowie die Printjournalisten in Gang zu setzen.
Die Aufmerksamkeitsjunkies vom ganz rechten Rand haben allerdings außerordentlich effektive Methoden entwickelt, um immer wieder im Rampenlicht zu stehen.
Das läuft nach dem immer gleichen Muster:

Schritt 1:
Ein AfD-Horst poltert einen so rassistischen oder NS-affinen Spruch heraus, daß er die erste kleine Aufmerksamkeit erregt.
(Neben rechtsradikalen Sprüchen sind für Schritt 1 auch nonverbale Aktionen möglich. Alice Weidel beherrscht das besonders gut: Aus Talkshows rennen, den Bundestag verlassen, beleidigt aufstampfen, etc)

Schritt 2:
Es wird bestritten gesagt zu haben, was man gesagt hat, andere AfDler springen bei. Die offensichtlichen Lügen generieren noch mehr Aufmerksamkeit.

Schritt 3:
Wenn der Anfangsaufreger nicht mehr zu leugnen ist, weil immer mehr Medien berichten, schwenkt die AfD auf den Mimimimi-Modus um, suhlt sich in der Opferrolle, nörgelt über die „Mainstreammedien“ und „Lügenpresse“, beklagt angebliche Tabus.

Schritt 4:
Die Redakteure der großen Talkshows werden aufmerksam und es folgen Einladungen der AfD-Pöbler zu Lanz, Plasberg, Will und Maischberger.

Seit vier Jahren lassen sich die ARD- und ZDF-Talkmoderatoren willig als AfD-Werbeplattform benutzen, erzeugen bei der Themensetzung ein geradezu groteskes AfD-Themen-Übergewicht.

[….] Untersuchung und Bewertung von über 200 politischen Talkshows der öffentlich-rechtlichen Medien.
[….] Leider kam ich zu dem Ergebnis, dass meine Befürchtungen sogar noch übertroffen worden sind. Teilweise musste ich meine Einschätzungen aber auch differenzieren und revidieren. Eine Tatsache ist und bleibt für mich dabei völlig inakzeptabel: Das krasse Missverhältnis bei den Themen.
    So wichtig einige Themen sicher waren und sind, niemand kann rechtfertigen, dass in 1,5 Jahren jede vierte Sendung speziell das Thema Flüchtlinge behandelt und sich fast jede zweite Sendung generell mit dem Themenkomplex Flüchtlinge, Islam, Terror/IS, Populismus/Extremismus befasst hat. In nur sechs von 204 Sendungen wurde über Armut und Ungleichheit diskutiert. Wichtigen Themen wie NSU, Rassismus und rechte Gewalt wurde zum Beispiel jeweils nur eine Sendung gewidmet. Klimawandel kam sogar gar nicht vor. Das ist nicht nur bedenklich, sondern prägt die öffentliche Debatte sehr einseitig. Die Themenauswahl spiegelt absolut nicht die tatsächlichen Probleme in unserer Gesellschaft wider und stellt damit ein Zerrbild der Wirklichkeit dar.
[….] Untersuchte Sendungen: 204 Sendungen von den fünf relevantesten politischen Talkshows von ARD und ZDF: Maischberger, Anne Will, Hart aber fair, Jauch, Maybrit Illner.
Untersuchungszeitraum: 1,5 Jahren. Oktober 2015 bis Anfang März 2017
Sendungen nach Themen:
Flüchtlinge: 52
IS-Terror/ Terror: 22
Merkel: 12
Trump: 16
Populismus: 8
Erdogan: 8
Brexit: 5
Syrien: 4
Altersarmut: 4
Martin Schulz: 3
Rente: 3
Kriminalität: 3
Islam: 3
Angst: 3
Alle anderen Themen kamen nur ein oder zwei Mal vor.
[….] Um Flüchtlinge ging es in jeder 4. Sendung. Betrachtet man den gesamten Themenkomplex Flüchtlinge, Islam, Terror/IS, Populismus/Extremismus, dann wurde fast jede zweite Talkshow (94 von 214) mit einem dieser Themen bestritten.
   Armut und Ungleichheit wurden insgesamt in 6 Sendungen behandelt.
    Den Themen NSU, Rassismus und rechte Gewalt wurden jeweils nur eine Sendung gewidmet.
    Trotz der Klimakonferenz von Paris kam das Thema Klimaschutz nicht einmal vor. [….]

Inzwischen ist es den Scheinjournalisten offenbar etwas peinlich als „Werbeträger der AfD“  zu gelten.

[….] „Öffentlich-rechtliche Talkshows sind Werbeträger für die AfD“
Talkshows seien ungeeignet dafür, komplexe politische Prozesse abzubilden, sagte der Medienwissenschaftler Lutz Hachmeister im Dlf. Ihr fast tägliches „Ritual der Politiksimulation“ sei ermüdend und ähnele Scripted Reality. Durch ihre Inszenierung und Taktung spielten Talkshows außerdem der AfD in die Hände. [….]

Daher laden sie nun weniger oft Höcke, Gauland, Weidel oder von Storch selbst ein.
Aber das ist auch nicht notwendig, wenn die Themen erst mal gesetzt sind. Es gibt genügend Rechtsaußen-Journalisten/Publizisten wie Broder, Köppel oder Poschardt, Reichelt, die genauso zuverlässig die Trommel für AfD-Positionen schlagen. 

Diese erfolgreiche Methode Medienaufmerksamkeit zu erzielen, obwohl es an Sympathie, Kompetenz und Relevanz mangelt, übernehmen auch andere rechte Pundits nur zu gerne.

Die rechte CDU-Splittergruppe „Werte-Union“ um die AfD-Lieblinge Otte und Maaßen beherrscht das Spiel ebenfalls.
Konsequent provozieren sie, damit stets genügend Journalisten über das Stöckchen springen.
Maaßen ist jetzt Talkshow-Dauergast, ist eine feste Größe des rechten Spektrums.


[….]   Hans-Georg Maaßen, ehemaliger Verfassungsschutzpräsident, ist allen mit seiner Behauptung in Erinnerung geblieben, es habe keine Hetzjagden in Chemnitz gegeben. Daraufhin wurde er von der Kanzlerin in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Jetzt ist er wieder da. Und permanent in den Medien.
Allein in der vergangenen Woche gab es fast täglich eine Schlagzeile: "Maaßen warnt vor Rückkehr zu DDR-Verhältnissen", schreibt die Mitteldeutsche Zeitung, "Maaßen will Dialog mit AfD in Thüringen", heißt es in der Welt. Und die Augsburger Allgemeine hat beobachtet: "Maaßen wird in Augsburg bejubelt und spaltet die CSU".
Maaßen ist die Galionsfigur der WerteUnion. Eine Splittergruppe der Union, die nach eigenen Angaben 3.600 Mitglieder zählt. Zum Vergleich: Die CDU hat rund 415.000 Mitglieder. Ein kleiner Verein also, der aber Großes will: "Eine Wende für Deutschland". So steht es auf seiner Internetseite. Dafür soll als erstes die Union anders werden: Merkel soll weg, mit ihr die aktuelle Flüchtlingspolitik und das Verbot, mit der AfD zu reden. Bei der WerteUnion handelt es sich also um Rebellen innerhalb der Union - und das macht sie für viele Journalisten hochspannend.
Sehr zum Verdruss von Ruprecht Polenz, Angela Merkels Ex-Generalsekretär, der nun gegenüber ZAPP aus dem Ruhestand in Münster seinem Ärger über die Medien Luft macht. Das sei doch nur der Streit mit den eigenen Leuten, der hier interessiere. "Wenn die Opposition fordert, Merkel muss weg, dann ist das in einer Demokratie normal. Wenn aus der eigenen Partei ein solcher Ruf erschallt, dann ist das natürlich für die Medien etwas Besonderes."
Polenz' Kritik: Die Medien machten die WerteUnion relevanter als sie tatsächlich sei. Bestes Beispiel sei der Chef der WerteUnion, Alexander Mitsch: "Ein Mann", wie Polenz sagt, "der nicht mal in seinem Kreisverband in den Vorstand gewählt worden ist". Aber der könne nun regelmäßig im Deutschlandfunk seine Meinung zum Besten geben. "Der Kreisvorsitzende irgendeines CDU-Kreisverbandes kann das wahrscheinlich nicht ohne Weiteres." […….]

Wenn man die Arbeit der investigativen NDR-Journalisten (ZAPP, PANORAMA,..) verfolgt, ist man auch wieder versöhnt nach dem Ärger auf Plasberg und Will.
Letztere sind allerdings bloß eitle Talkshowtypen.
Das ist die Kategorie Lanz. Die rennen sabbernd und servil hinter den Mächtigen her.

[…..] Das Schö­ne an End­pha­sen ist manch­mal die wach­sen­de Un­ab­hän­gig­keit. Man muss nicht mehr je­den Mist mit­ma­chen, kann sich Frei­hei­ten neh­men. An­ge­la Mer­kel ist jetzt in die­sem Mo­dus.

Am Don­ners­tag­abend zum Bei­spiel, als sie eine Rede zur Nach­hal­tig­keit im Ber­li­ner Zu­kunfts­mu­se­um Fu­tu­ri­um ge­hal­ten hat­te, gab sie dem Mo­dera­tor Mar­kus Lanz vor, nur eine Fra­ge stel­len zu dür­fen. Lanz zer­floss auf der Büh­ne fast vor Be­wun­de­rung für die Bun­des­kanz­le­rin, ver­lor sich da­bei in lan­gen, lie­be­die­ne­ri­schen Aus­füh­run­gen, wo­mit er sich von Mer­kel den knap­pen Hin­weis ein­fing, sie war­te auf die Fra­ge.
Als die Bun­des­kanz­le­rin ge­ant­wor­tet hat­te, schüt­tel­te sie Lanz, der gern wei­ter­be­wun­dern woll­te, rasch ab, ver­ließ die Büh­ne und setz­te sich zu­frie­den auf ih­ren Platz an ei­nen der Ti­sche. Abend­es­sen.
Frü­her hät­te sie viel­leicht an Wäh­ler­stim­men ge­dacht, Lanz hat ein Mil­lio­nen­pu­bli­kum mit sei­ner Fern­seh­show, aber Mer­kel wird sich kei­ner Wahl mehr stel­len. [….]
(DER SPIEGEL, 16.11.2019)

Wer sich Schwachsinn wie Lanz ansieht, hat selbst schuld, wenn er daran verblödet.

Anja Reschke (Panorama) und Constantin Schreiber (Zapp) sind hingegen großartige Journalisten, für die ich sehr gern Rundfunkgebühren zahle, da der freie Journalismus bis auf wenige Ausnahmen (SZ, Spiegel) immer mehr auf investigative Recherche verzichtet.

Es lohnt sich also außer dem ZAPP-Bericht zur Medienstrategie der Werteunion die gesamte Aufarbeitung des Themas anzusehen.