Montag, 4. Juni 2018

Nabelschau – Teil IV


In den letzten Tagen beklagte ich gleich zweimal in maximaler Lautstärke das katastrophale Regierungsversagen der Angela Merkel.
Fahrlässig setzt sie Wohl und Wehe der Welt auf’s Spiel.
Sie geht lieber deutsche Fußballspieler besuchen, statt zusammen mit Macron, Maas, Mogherini und Juncker 24/7 an der Einigkeit Europas und einer „massive response“ auf Trump zu arbeiten.
Ich bin nicht so verrückt zu glauben, meine Blogartikel hätten irgendeinen Einfluss auf „die Politik“, aber in diesem Fall bin ich mir ausnahmsweise einig mit der gesamten Mainstreampresse, die ja ebenfalls seit Wochen wütend von Merkel einfordert ihre Passivität aufzugeben und endlich zu regieren.

Gestern nun äußerte sich die müde Uckermärckerin in ihrem 13. Kanzlerjahr und 21. Jahr in der Bundesregierung zum Thema Europa.
Sie hat nichts, aber auch gar nichts verstanden.

[……]  Die Kanzlerin sieht zu, wie Europa zerfällt. Der Oppositionschef verharmlost die Nazi-Zeit. Viele Deutsche haben immer noch ein Problem mit Verantwortung - für Zukunft und Vergangenheit. Aber auf Italien schimpfen!
Zu wenig, zu spät. Angela Merkel hat am Wochenende erklärt, wie sie sich die Zukunft der Europäischen Union vorstellt. Das war nicht mal ein Visiönchen. Damit wird sie Europa nicht retten. In den Büchern wird einmal stehen: Angela Merkel hat zugesehen, wie Europa zerfiel, und sie ist nicht eingeschritten. Dabei wäre sie buchstäblich die Einzige, die es könnte. Warum ist die mächtigste Frau der Welt nur so verzagt?
Auf eine traurige Weise passt es, dass zur gleichen Zeit der Oppositionsführer im Deutschen Bundestag das sogenannte Dritte Reich als "Vogelschiss" bezeichnet hat. Ein Satz, der noch vor Kurzem unvorstellbar gewesen wäre. Was kommt morgen?
Das verbindende Element ist: Verantwortung. Angela Merkel übernimmt keine Verantwortung für die Zukunft, Alexander Gauland will keine Verantwortung für die Vergangenheit übernehmen. [……]
In Europa hat Angela Merkel sich verhalten wie ein deutscher Autofahrer: Sie beharrt auf ihrem Recht. Und steuert dadurch Land und Kontinent sehenden Auges in den größten anzunehmenden Unfall - das Ende der Europäische Union. Es ist die deutsche Rechthaberei, die uns allen zum Verhängnis wird: Und wenn wir drauf gehen, wir waren im Recht. Schreib' es auf Deinen Grabstein, Angela: "Ich hatte Vorfahrt." Dabei wäre das nicht mal die Wahrheit. Denn die Deutschen haben sich die Regeln, auf deren Einhaltung sie pochen, zum eigenen Nutzen zurechtgebogen. [……]  Deutschland im Jahr 2018 - was für ein Trauerspiel. [….]

Merkel betonte im Bundestagswahlherbst 2017 immer wieder wie außerordentlich gründlich sie darüber nachgedacht hätte erneut zu kandidieren.
Die konkreten Beweggründe ihrer Entscheidung sind natürlich nicht bekannt.
Sie wird das nur in ihrem engsten Kreis besprochen haben. Sauer, Christiansen und Baumann halten aber bekanntlich dicht.
Es wurde spekuliert, sie wollte einen rechten Durchmarsch eines Spahnisten aus ihrer Partei verhindern, sie habe sich verpflichtet gefühlt im Brexit/Trump-Chaos als Stabilitätsanker das Schlimmste verhindern zu müssen, sie habe keinem ihrer potentiellen Nachfolger aus der CDU vertraut, oder ihr fehlte es einfach an einer schönen Anschlussverwertung wie UN-Generalsekretär oder EU-Präsidentin.
Ich weiß auch nicht, was den Ausschlag gab, vermute aber, daß meine Mutter Recht hatte, die vor Jahren mal sagte, da stecke sehr wenig Strategie hinter, „Merkel mag einfach gern Kanzlerin sein“.

Ich glaube, das immer heftigere rechte Blinken in Deutschland, also das ungenierte Flirten Jens Spahns mit dem EU-hassenden, faschistoiden Trump-Epigonen Grenell und die abscheulichen NS-Ausraster des Fraktionschefs der größten deutschen Oppositionspartei zeigen immer noch weswegen eine Groko unumgänglich war.

[…..] Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht forderte die Bundesregierung auf, Grenell auszuweisen. Wer wie Grenell meine, "nach Gutsherrenart bestimmen zu können, wer in Europa regiert, der kann nicht länger als Diplomat in Deutschland bleiben", sagte Wagenknecht der "Welt"
 Grenells Interview deute darauf hin, "dass die amerikanische Politik doch lieber eine Kooperation mit dem autoritären Putin als mit den Demokraten in Europa führen möchte", sagte der EU-Parlamentarier Elmar Brok (CDU) der "Welt". […..]
(STERN, 04.06.18)

Ohne die SPD könnte die CDU noch mehr Spahnartige als Minister einsetzen, würde die rechts-rechtsextreme existierende parlamentarische Mehrheit aus CDUCSUAFDFDP auch genutzt.
Die Überschneidungen von AfD und Union, von AfD und dem vor Dunkelhäutigen in der Bäckerei-Schlange warnenden Lindner sind evident.

[….] Mit seiner Ankündigung, "andere Konservative" in Europa stärken zu wollen, zeigt der neue US-Botschafter, dass er sich weniger als Botschafter denn als Agitator des ideologischen Trump-Systems versteht.
[……] Warum eigentlich sollte der Botschafter der USA in Deutschland anders klingen als der Präsident der USA, dessen Vertreter er doch ist? Das amerikanische Botschafter-System ist auf Verdienst gegründet. Entsandt wird, wer sich für den Präsidenten verdient gemacht hat. Richard Grenell hat das als Fox-Kommentator getan, deswegen lebt er nun in Berlin. [……] Die klassische Botschafterrolle hat Grenell damit abgelegt. [……]  Er setzt einen schneidenden und spaltenden Ton, der die durchaus scharfen Mahnungen mancher Vorgänger wie Richard Burt oder Dick Holbrooke versöhnlerisch wirken lässt. Ein paar Freunde wie Jens Spahn hat er sich so gemacht. Viel mehr werden es nicht werden. [….]

Mit sechs SPD-Mitgliedern im Bundeskabinett wird das Schlimmste verhindert. Die völkisch denkenden Typen Scheuer, Spahn und Seehofer, SSS, können sich daher noch nicht durchsetzen, wie sie wollen.
Aber sie wollen.

Falls Merkel das verhindern wollte mit ihrer vierten Kanzlerschaft, mag das ehrenvoll sein.
Aber sie versagt dabei.
Sie versagt sogar extrem.
Es ist nun Zeit für sie zurück zu treten und jemand anders aus dieser Groko das Kanzleramt zu überlassen.

[…..]  "Ja", antwortete der Hassner-Schüler Dominique Moisi auf die Frage, ob Merkel mit ihren Antworten auf Macron eine historische Chance zur Stärkung des deutsch-französischen Bündnisses verspielt habe. [……]
Was genau hatte Merkel gesagt? [……]
Es klang alles so wie immer, skeptisch und pragmatisch. Nur handelte es sich dieses Mal um die definitive, in Paris seit Langem erwartete Antwort Merkels auf Macrons vielleicht wichtigste politische Initiative seit seiner Amtsübernahme.
Umso größer war die allgemeine Enttäuschung in Paris. "Merkel zerstört Macrons Eurozonen-Träume", schrieb der französische Wirtschaftsexperte Pierre Briancon auf der europäischen Webseite "Politico". Für die in außenpolitischen Fragen wichtigste Zeitung Frankreichs, die Pariser "Le Monde", war Merkels Antwort "vorsichtig". Doch "Le Monde", sonst immer eine Stimme für Merkel in Frankreich, setzte hinzu: "Aber diese Vorsicht ist dem, was auf dem Spiel steht, nicht angemessen."
Einer der erfahrensten außenpolitischen Journalisten von "Le Monde", Marc Sémo, wird im Gespräch deutlich: "Das ist zu wenig. Alles, was Merkel Macron zugesteht, dient ausschließlich dazu, dass Macron sein Gesicht nicht vollkommen verliert."
So sieht es auch Hassner-Schüler Moisi: Die italienische Krise und die "deutsche Halb-Antwort" hätten aus Macrons Stärke eine Schwäche gemacht. Ursprünglich sei sein Eintreten für Europa als neue Stärke Frankreichs empfunden worden. Ohne Verbündete aber wirke der Europäer Macron nun völlig isoliert.   […..]

Schade über Merkel und Schande über Deutschland, das sich so eine immer wieder wählt.