Das war
vielleicht ein Mist, als einem alten Freund von mir an einem Samstag vor genau
einem Jahr plötzlich buchstäblich die Luft wegblieb. Er hatte sich schon beim
Aufstehen schlecht gefühlt, war aber noch zum Briefkasten draußen vor dem Haus
gegangen. Dann aber fiel ihm das Atmen so schwer, daß es unmöglich wurde die
Treppen zu seiner Wohnung zweiten Stock in Hamburg-Poppenbüttel hoch zu gehen.
Glücklicherweise
passierte das wenigstens tagsüber. Eine Nachbarin rief sofort 112; sogar ein
Hubschrauber wurde angefordert.
Mein
Freund landete gegen Mittag im nahen Asklepios-Klinikum Nord.
In der
Notaufnahme stellte man eine Panikattacke fest, die nun wirklich nicht
lebensbedrohlich wäre und setzte ihn ins Wartezimmer, wo er mehrmals der
Ohnmacht nahe vom Stuhl rutschte.
Es war
nach 17.00 Uhr, als eine Krankenschwester feststellte, daß ein Lungenflügel gar
nicht mehr arbeitete. Sie wurde ganz hektisch, organisierte eine Trage. „Sie
müssen sich sofort hinlegen! In Ihrem Zustand darf man nicht aufrecht sitzen!“
herrschte sie ihn an – nachdem er fast fünf Stunden genau darum gebeten hatte;
er müsse sich hinlegen, könne nicht mehr sitzen.
Die „Panikattacke“
stellte sich dann als schwere Lungenembolie heraus; die vermutlich durch einen
Thrombus im linken Oberschenkel entstanden war.
Freie
Zimmer gab es nicht. Einen Oberarzt bekam er auch in den nächsten fünf Tagen
nicht zusehen. Er lag zunächst vier Tage auf dem Gang neben dem Eingang, so daß
auch nachts nicht an Schlafen zu denken war, weil dauernd Leute rein und raus
rasten. Zum Waschen und als Klo gab es nur das Besucher-WC am Ende des Ganges.
Am
Mittwoch die große Überraschung – er kam in ein Einzelzimmer auf der Orthopädie
und hoffte nun endlich einen Facharzt zu sprechen, nachdem in den Tagen zuvor
nur willkürlich mal das eine oder andere Organ geröngt wurde.
Die
Hoffnung währte nur kurz, nach gerade mal zwei Stunden, wurde ihm befohlen
sofort wieder das Zimmer zu räumen, es sei ein Privatpatient eingetroffen, der
den Raum bekäme. Da er sich immer noch nicht allein auf den Beinen halten
konnte, wurde sein Bett kurzerhand auf den Gang genau neben die Zimmereingangstür
geschoben, so daß er den Rest der Zeit immer beobachten konnte, wie der
Privatpatient in „seinem“ Kurzzeitzimmer hockte.
Die
einzige Therapie waren Clexane-Spritzen.
Am
Freitag bekam er plötzlich drei Marcumar-Tabletten 3 mg in die Hand gedrückt
und wurde mit dem Ratschlag am Montag zu seinem Hausarzt zu gehen entlassen.
Fünf
Tage auf dem Gang zu liegen und dabei von offensichtlich extrem überarbeiteten,
extrem eiligen und dementsprechend unfreundlichen Pflegern coram publico „behandelt“
zu werden, hatten ihn so zermürbt, daß er nur froh war da weg zu kommen.
„Das sind
noch drei Tage bis Montag!“ entfuhr es mir entsetzt, als er mich von Zuhause
anrief – in seine Wohnung, das immerhin, hatte ihn ein Krankentransport
getragen.
„Ja, ich
nehme an, ich esse bis dahin jeden Tag eine Marcumar (Phenprocoumon) – die haben
mir ja genau drei Tabletten mitgegeben.“
Ich
konnte es kaum glauben. Mit Marcumar habe ich viel Erfahrung und besitze sogar
ein Coagu-Check-Gerät, um den INR-Wert (der die Blutverdünnung angibt) selbst
zu bestimmen.
Marumar
wirkt nicht sofort, es dauert mehrere Tage bis der INR im richtigen Bereich
liegt. Dabei beginnt man mit einer einmaligen Dosis von drei Phenprocoumon-Pillen
(9mg), am zweiten Tag 6 mg und muß dann bei ständiger INR-Kontrolle langsam
runterdosieren, bis sich der INR bei etwa 2,5 einpendelt. Das dauert mindestens
drei Tage, oft noch wesentlich länger.
Mein
Internist gebraucht statt Marcumar immer den bekannteren Namen „Rattengift“.
Richtig so, denn wenn man sich bewußt ist täglich pures Rattengift zu essen,
denkt man hoffentlich daran bei der Dosierung sehr pingelig zu sein.
Während
dieser Zeit muß man unbedingt weiter Heparinspritzen nehmen, wenn man auf eine
Antikoagulationstherapie angewiesen ist.
Die
umständliche Dosierung und Überwachung von Marcumar und Coumadin (Warfarin) ist
auch der Grund dafür, daß es inzwischen viel modernere und nicht so schwer zu
dosierende Bluverdünnungsmittel gibt (Apixaban/Eliquis®, Dabigatran/Pradaxa®
oder Rivaroxaban/Xarelto®). Im Asplepios-Klinikum Nord war das offenbar
unbekannt.
Glücklicherweise
kenne ich einen Pulmologen privat, der sich der Angelegenheit annehmen konnte
und meinen Freund gleich auch Xarelto setzte und am Montag in seiner Praxis
unter seine Fittiche nahm.
Eine
Geschichte wie diese spielt sich in den Asklepios-Kliniken offenbar immer
wieder ab. Ich selbst habe das bei Angehörigen so ähnlich im Asklepios-Barmbek
und im Asklepios St. Georg erlebt.
Die
Vorgabe der Asklepios-Gruppe war beispielsweise beim großen Krankenhausneubau
von Hamburg-Barmbek, daß die Klinikbetten immer zu 100% belegt sein müssten zur
Gewinnmaximierung. Daher wurde eine Bettenzahl von etwa 90% des Bedarfs
geplant. Wenn auf der kardiologischen Station mit 18 Doppelzimmern 37 bis 38 Patienten
liegen - alle Zimmer doppelt belegt plus
ein oder zwei auf dem Gang, versorgt von zwei kardiologischen Krankenschwestern
insgesamt, ist Asklepios-Besitzer Bernd Broermann zufrieden, denn dann rollt
der Rubel. Es wird schließlich nach Fallpauschalen bezahlt und nicht nach
Erfolg oder Zufriedenheit der Patienten.
Bernd
Broermanns Vermögen wuchs in den letzten 12 Monaten von 2,95 Milliarden auf
3,10 Milliarden Euro (BILANZ Magazin September 2016).
150
Millionen Euro Zuwachs in einem Jahr beutet, daß der Mann alle zwei bis drei
Tage eine Million Euro mehr hat, die er aus seinen Patienten herauspresst.
Broermann
hat inzwischen buchstäblich so viel Geld, daß er kaum noch weiß wohin damit.
Vom
Himmel gefallen ist der reiche Bernd Broermann nicht.
Die
Genies von der Hamburger CDU haben ihn kreiert.
Sie
verachteten den eigenen Staat so sehr, daß sie meinten, die öffentliche Hand
könne keine Krankenhäuser betreiben (als ob nicht auch die Stadt fähige Manager
einstellen könnte). Sie wollten, daß die Milliardengewinnen aus den
Patienten-Portemonnaies aus dem Gesundheitssystem abfließen, um eine einzelne
Person reich zu machen, statt allen Kranken zu Gute zu kommen.
Als
langjähriger Beobachter der politischen Szene muß ich sagen, daß ich ein
derartiges komplettes und nachhaltiges Versagen auf allen Ebenen, wie das des
CDU-Senats unter Ole von Beust 2001-2010 noch nie erlebt habe.
Die Zeche für
diese katastrophal falsche Wahlentscheidung der Hamburger Wähler während der
ersten Dekade des 21. Jahrhunderts werden wir alle noch lange abzahlen.
Wenige Monate
nach dem Schicksalstag in der Colorline-Arena traf Peiner eine für die Stadt
noch katastrophalere Entscheidung. Er verschleuderte die landeseigenen
Krankenhäuser an Bernd Broermann.
Der Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) ist
begleitet von Protesten, Kritik, Vorwürfen und einem missachteten
Volksentscheid.
- Als die Verkaufsabsichten des Senats bekannt wurden,
startete die Initiative "Gesundheit ist keine Ware" ein
Volksbegehren, das am 29. Februar 2004 zum Volksentscheid führte. 76,8 Prozent
der Hamburger lehnten den Verkauf ab. Der Senat ignorierte den Volksentscheid.
Im Dezember beschloss die Bürgerschaft den Verkauf des LBK, nachdem das
Verfassungsgericht grünes Licht gegeben hatte. Dennoch blieb Finanzsenator
Wolfgang Peiner (CDU) im Kreuzfeuer der Kritik. Die Vorwürfe:
- Asklepios wurde bevorzugt, andere Mitbewerber wie
Helios und das Unternehmen Rhön-Klinikum wurden ausgebootet, ihre Angebote
schlechtgerechnet. Der LBK wurde Asklepios zu einem "Schleuderpreis"
hinterhergeworfen (Jens Kerstan, GAL). Aus der Finanzbehörde hieß es zu den
Vorwürfen nur: "Das Angebot von Asklepios war und ist das beste."
Laut Senat wurde der LBK für 318 Millionen Euro verkauft. Die Angebote der
Mitbewerber wurden vom Senat nicht veröffentlicht.
Mehr als Tausend LBK Bedienstete warten auch 5 Jahre
nach dem LBK "Verkauf" noch auf zugesicherte Stellen im Dienste der
Stadt! Kosten für den Hamburger Haushalt und den Steuerzahler 60 Mio. bis Dato!
Auf Stationen von LBK-Krankenhäusern wurde ein
Flugblatt verteilt, das offensichtlich der politischen Unterstützung des
Hamburger Finanzsenators Wolfgang Peiner (CDU) dient. Verantwortlich für die
Verteilung: Asklepios Kliniken Verwaltungsgesellschaft mbH, Zentrale Dienste
Unternehmenskommunikation & Marketing.
Daß sich Peiner
für Bernd Grosse Broermann entschied ist so verwunderlich nicht – man kannte
sich schon.
Im September 2001 übernahm eine Koalition aus CDU,
Schill-Partei und FDP nach 44 Jahren SPD-Herrschaft die Regierungsgeschäfte in
Hamburg.
Im Dezember 2003 beschloss der neue Senat nach einer
internationalen Ausschreibung, dem privaten hessischen Klinikbetreiber
Asklepios Anteile am LBK zu verkaufen. Drahtzieher war der damalige
Finanzsenator Wolfgang Peiner. Da Asklepios-Inhaber Bernard gr. Broermann zum
Verwaltungsrat einer Versicherung gehörte, als Peiner dort im Vorstand saß,
warf die SPD dem Senat Vetternwirtschaft vor.
Am 29. Februar 2004 beteiligten sich 788.563 Hamburger
Bürger an einem Volksentscheid, den Gewerkschaften und soziale Gruppen unter
den Slogan "Gesundheit ist keine Ware" organisiert hatten. 593.497
stimmten gegen den Verkauf, das waren 76,8 Prozent der Stimmen. Da die
mittlerweile allein regierende CDU um Bürgermeister Ole von Beust den Volksentscheid
als nicht bindend einstufte, zogen dessen Initiatoren vor das Hamburger
Verfassungsgericht.
Am 15. Dezember 2004 bestätigte das Gericht die
Sichtweise der CDU. Einen Tag später beschloss die Bürgerschaft, den LBK zu
74,9 Prozent an die Asklepios-Kliniken GmbH zu verkaufen. Als Kaufpreis wurden
knapp 320 Millionen Euro vereinbart, wovon 75 Millionen ertragsabhängig waren
und nicht bezahlt werden mussten, da der erwartete Ertrag ausblieb.
2004 hatte Hamburg den LBK privatisiert, obwohl eine
Mehrheit der Hamburger Wahlberechtigten sich in einem Volksentscheid dagegen
ausgesprochen hatten. Die Opposition aus GAL und SPD hat schon bei Abschluss
des Kaufvertrages 2004 kritisiert, dass die Stadt bei dem Geschäft draufzahle.
Nach Lektüre der Verkaufsunterlagen hatten sie den Vorwurf erhoben, Peiner habe
bei dem Deal kräftig manipuliert. Er habe sich, entgegen seiner eigenen
Darstellung, aktiv in die Verhandlungen eingemischt und strittige Details mit
Asklepios-Chef Bernard Broermann persönlich verhandelt - einem alten
Geschäftspartner aus Peiners Zeit bei der Gothaer-Versicherung. So sei das
Angebot der Asklepios-Klinikgruppe mehrfach geschönt worden.
Mit diesem
Superdeal schwoll Bernd Broermanns Privatvermögen binnen weniger Jahre von nichts auf mittlerweile fast drei Milliarden Euro.
Die von seinen
Mitarbeitern erwirtschafteten und den Patienten bezahlten Milliarden fließen
nämlich nach der Wahnsinnstat des CDU-Bürgermeisters und des CDU-Finanzsenators
nicht mehr in die Krankenhäuser, sondern in die Taschen des Peiner-Freundes
Broermann.
Auch das noble Kempinski Hotel Falkenstein und das
Villa Rothschild Kempinski – beide in Broemanns Wohnort Königstein im Taunus –
gehörten dem Asklepios-Besitzer, während das 5-Sterne-Hotel „St. Wolfgang“ im
bayerischen Bad Griesbach sogar direkt in den Asklepios-Konzern eingegliedert
ist. Da wissen die Mitarbeiter von Asklepios wenigstens, wofür sie die
unzähligen Überstunden leisten und wofür sie sich physisch wie psychisch
kaputtmachen lassen. Anstatt die Gewinne dazu zu nutzen, die Qualität der
Krankenhäuser zu steigern, indem er dafür sorgt, dass zumindest im Ansatz
genügend Personal vorhanden ist, kauft Bernard gr. Broermann sich lieber ein
Luxushotel nach dem anderen. Das ist nicht nur eine schallende Ohrfeige für die
Mitarbeiter, denen alles abverlangt wird, um die Kosten zu drücken, sondern
auch für die Patienten der Asklepios-Krankenhäuser. […] Die gesellschaftliche Bilanz von Broermanns
unternehmerischen Tätigkeiten fällt indessen verheerend aus: Die Mitarbeiter
der übernommenen Kliniken sind die Verlierer, die nicht nur schlechter bezahlt
werden, sondern auch unter dem Stress und der Überbelastung physisch wie
psychisch leiden. Die Patienten sind ebenfalls die Verlierer, da sie von
Pflegekräften und Ärzten, die chronisch überarbeitet sind, nicht bestmöglich
versorgt werden können. Die Kommunen sind ebenfalls die Verlierer, da sie sich
ihr Tafelsilber unter Wert haben abnehmen lassen. Die einzigen Gewinner dieses
Spiels sind Bernd große Broermann, der mittlerweile Milliardär ist und sich
zwei Luxushotels im noblen Taunus angeschafft hat, und seine Geldgeber.
Ungeniert
hacken die Hamburger CDU-Politiker von heute auf dem SPD-Senat rum.
Für die Folgen
ihrer desaströsen Politik scheinen sie sich nicht zu schämen.
Die Liberalisierer,
Privatisierer aus CDU und FDP hatten die Verachtung des Staates gemein mit den Trumps
und AfDlern von heute gemein.
„Die
Politik“ kann es nicht. Alle Macht der Wirtschaft, alle Macht den Managern,
alle Gewinne den Reichsten.
Die
Neoliberalen in Frau Merkels Partei haben damit den Politikverdrossenen von
heute den Boden bereitet.
Der
Ausverkauf von Gemeinschaftseigentum führt zu Frust bei denen, die auf
Leistungen aus diesen Wirtschaftsbereichen angewiesen sind.
Daher
dürfen Energieversorger, Wasserwerke, ÖPNV oder Krankenhäuser auch nie privatisiert
werden.
Merkels
CDU hat das immer noch nicht begriffen und frönt weiterhin Lobby-hörig der
Umverteilung von unten nach oben.
Genau
das wäre der Fall gewesen, wenn es nach dem Wunsch Schäubles und Dobrindts
gegangen wäre und die „volkseigenen“ Autobahnen privatisiert worden wären.
Aber
völlig überflüssig ist die SPD in der GroKo eben doch nicht – diesen Wahnsinn
konnten Gabriels Leute verhindern.
Bei den
Hamburger Krankenhäusern ist es leider zu spät, weil der Urnenpöbel über zehn
Jahre die CDU in die Regierung geschickt hatte.
Nun ist das Desaster da. Die Patienten leiden dafür, daß Herr
Broermann jeden Tag eine halbe Million Euro reicher wird.
[….]
Klinik stellt 94-Jährige vier Tage auf
dem Flur ab
[….]
Mit 94 Jahren an einer Lungenentzündung
zu erkranken, ist eine ernste Angelegenheit. Doch für die ältere Dame aus
Farmsen kam es noch schlimmer: Sie wurde im Krankenhaus nicht ordentlich
aufgenommen – die Asklepios Klinik Barmbek stellte sie vier Tage lang
buchstäblich in die Ecke!
[….]
Der Familie wurde mitgeteilt, dass die
Verlegung in ein Zimmer am nächsten Tag erfolgen sollte. Das war ein Sonnabend
– und nichts geschah. Stattdessen bekam Frieda S. noch eine weitere Patientin
in ihre Flur-Nische gestellt. [….] Da
die Nische nur vier Meter neben dem Empfang liegt, herrschte stets rege
Betriebsamkeit im Flur. [….] Nicht
einmal eine Toilette habe den Frauen zur Verfügung gestanden – sie mussten aufs
Besucher-WC.
Die versprochene
Verlegung gab es auch am Sonntag nicht. Ebenso wenig am Montag. [….]