Als ich
in den 80er Jahren zur Schule ging, war
Ökologie ein echtes Thema. Am Tag meiner ersten Abi-Klausur gab es zum ersten
mal SMOG-Alarm in Hamburg.
Gerade
war Tschernobyl passiert, das Gemüse wurde knapp.
Wir
diskutierten auf dem Schulhof über die Strategic
Arms Limitation Talks (SALT I und SALT II), warfen uns Zahlen über die Submarine-launched ballistic missiles
(SLBM) gegenseitig an den Kopf, weil die JU-Fraktion der Schüler „die Russen“
unmittelbar vor einem Einmarsch wähnte.
Der
ABM-Vertrag von 1972 (Anti-Ballistic Missile Treaty) war jedem bekannt.
Was
bedeutete die Machtübernahme Gorbatschows für die Verschrottung von
Atomraketen, über die seit 1985 bei den Strategic Arms Reduction Treatys
(START) verhandelt wurde?
Jeder
hatte „The Day After“ und „War Games" gesehen. Ich erinnere mich an heulende
Mitschülerinnen im Kino und sehr ernste anschließende Diskussionen darüber wer
von uns sich im Atomkriegsfall wie verhalten würde.
Es gab
die Flüchter, diejenigen, die sich im Keller verkriechen wollten und die
kleinere Fraktion der Hafen-Kids, zu denen ich gehörte. Wir wollten bei
Atomalarm nicht aus der Stadt raus fliehen, sondern lieber direkt in Richtung
Hafen, dem mutmaßlichen Einschlagsort laufen, um wenigstens schnell zu sterben,
statt am Fall Out zu verrecken.
Der
Wahnsinn einer Welt, die sich mit SDI auch vom Weltraum aus noch mal vernichten
wollte, obwohl das schon 1000fach mit den auf der Planetenoberfläche gehorteten
Raketen möglich war, sprang uns damalige Teenager so an, daß wir in der
Mehrzahl zu den großen Nachrüstungs-Demos gingen. Noch mehr
Pershing-II-Atomraken? Das war so absurd, daß wie selbstverständlich bei den
Friedensdemonstrationen 400.000 oder 500.000 Menschen zusammenkamen. Und wie sollte
man da nicht die Grünen wählen, wenn man jung war und deswegen noch keine feste
Parteienbindung generiert hatte?
Wir
wollten durchaus weiterleben. Dabei empfanden wir die atomare Apokalypse
ähnlich störend, wie die rapide Umweltverseuchung.
Dünnsäureverklappung
in die Nordsee, Waldsterben, Luftverpestung, saurer Regen – das konnte niemand
ernsthaft wollen.
In den
nächsten 30 Jahren wurde mit entscheidender Hilfe der Grünen ein ganz anderes
gesellschaftliches Bewußtsein geschaffen.
Inzwischen
stören sich auch Konservative daran Plastikmüll ins Meer zu werfen.
Undenkbar,
daß heute noch ein Auto ohne Katalysator fährt.
Die Probleme
sind allerdings nicht weniger, sondern mehr geworden.
Globalisierung,
Fanatisierung, Religiotisierung, Klimawandel und Bevölkerungsexplosion bedrohen
die Mutter Erde mehr denn je.
Hatte
man es in den 1980ern in Amerika mit Ronald Reagan bloß mit einem ideologischen
Kommunistenhasser zu tun, der nichts gegen HIV unternehmen wollte, weil er
Schwule pervers fand, so ist die gegenwärtige Führungsriege noch wesentlich
untauglicher.
Die
Industrielobby ist mächtiger denn je, die globalen Kräfteverhältnisse sind
unübersichtlich und im Weißen Haus sitzt ein Depp, der die
Begriffe „SALT“ oder „START“ noch nie gehört hat und auch intellektuell nicht
in der Lage wäre sie zu verstehen.
Es gibt
aber keine 500.000 Mann zählenden Großdemos mehr, weil „die Jugend“ aus
indolenten Smombis besteht, die es sich in ihren Facebook-Filterblasen kommod
eingerichtet haben.
Es gibt
allerdings auch keine Partei mehr, die den Wahnsinn der Welt erfasst und
dagegen aufsteht.
Es gibt
keine Partei mehr für die Jugend. Auch bei Bündnis90/Die Grünen haben sich die grauhaarigen
Anzugträger durchgesetzt, wie Frau Eisenhardt,
die Geschäftsführerin der Grünen Jugend in Hessen resigniert
feststellt.
[….]
"Ich bin ziemlich sauer
gewesen"
Nina Eisenhardt ist
wütend, weil bei den Grünen niemand unter 30 Aussichten auf ein Bundestagsmandat
hat. […..]
Die
Grünen regieren. Das ist gut und wichtig, um es besser zu machen.
Aber
regieren, um des Regierens willen?
[….] Früher haben die Grünen mit unkonventionellen Ideen die bürgerlichen Parteien vor sich hergetrieben. Nun müssen sie sehen, dass sie den Anschluss nicht verpassen. […..] Besichtigen kann man das im hessisch-thüringischen Grenzgebiet, wo der Kalikonzern K+S riesige Mengen salzhaltigen Abwassers in den Untergrund pumpt. Seit Jahren streiten dort zwei grüne Umweltministerinnen öffentlich darüber, ob die Folgen für die Umwelt und das Grundwasser noch länger hingenommen werden dürfen.
[….] Früher haben die Grünen mit unkonventionellen Ideen die bürgerlichen Parteien vor sich hergetrieben. Nun müssen sie sehen, dass sie den Anschluss nicht verpassen. […..] Besichtigen kann man das im hessisch-thüringischen Grenzgebiet, wo der Kalikonzern K+S riesige Mengen salzhaltigen Abwassers in den Untergrund pumpt. Seit Jahren streiten dort zwei grüne Umweltministerinnen öffentlich darüber, ob die Folgen für die Umwelt und das Grundwasser noch länger hingenommen werden dürfen.
Im schwarz-grün
regierten Hessen haben die Behörden unter der Verantwortung der Grünen-Ministerin
Priska Hinz die Versenkgenehmigung für K+S kürzlich noch um ein paar Jahre
verlängert. Im Nachbarland Thüringen, wo ein Teil der salzhaltigen Brühe
aus dem Untergrund wieder nach oben quillt, protestiert dagegen Umweltministerin
Anja Siegesmund.
[….] Am Frankfurter Flughafen, gegen
dessen Ausbau die Grünen früher engagiert stritten, billigte der grüne
Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir vor einigen Monaten
eine umstrittene neue Gebührenordnung, die zusätzlichen Flugverkehr
nach Frankfurt lotsen soll. Ausgerechnet der Billigflieger Ryanair
wird zum Schrecken von Anwohnern mit hohen Preisnachlässen angelockt,
um die relativ neue vierte Landebahn sowie einen geplanten weiteren
Terminal besser auszunutzen. [….]
(DER
SPIEGEL, 20.05.2017, s.37)
Die
Parteispitze um Göring-Kirchentag ist das Gegenteil der kämpferischen Grünen à
la Thomas Ebermann und Jutta Dittfurth, die ich in meiner Jugend erlebte.
[…..]
Noch gravierender sind die
Schwierigkeiten von Göring-Eckardt. Sie sagt nie das Falsche; sie ist eine
mittlerweile unglaublich geschickte Parteipolitikerin, die vor allem die jungen
Mitglieder der Fraktion klug und geschickt einsetzt. Als Machtmanagerin würde
sie viele Punkte einheimsen. Nur bei der Frage, wie man der Partei Feuer und
Leidenschaft einflößt, kommt sie nicht weiter. Wofür brennt sie? Niemand kann
das wirklich sagen. Sie bräuchte noch mehr als Özdemir ein Herzensthema oder
die Unterstützung derer in der Partei, die selbst brennen und sie anstecken. [….]
Es ist
ein Elend, wo diese Partei angelangt ist.
Dann
doch lieber SPD.
[….]
Reflexhaft wehrten sich die NRWler gegen
die Angriffe, die Realos gegen den Linksflügel und umgekehrt. Anstatt ernsthaft
an den eigenen Problem zu arbeiten, verheddert sich die Partei wieder einmal in
einer ermüdenden Endlosschleife: Krise -> Kritik -> Kritisierte, die sich
die Kritik der Kritiker verbitten -> Krise.
Niemand will einen
stummen Kuschelverein, Politik braucht Auseinandersetzung. Und eine souveräne
Partei hält Differenzen aus, kann im Idealfall daran wachsen. Doch anstatt zu
wachsen, geht es für die Grünen in der Zustimmung abwärts. Das einstige
Selbstbewusstsein nach Fukushima modert im Legenden-Leitzordner. [….]