Als ob es nicht seit Jahren offensichtlich wäre, fragt
sich Deutschland gerade, wie es denn bloß angehen könne, daß die AfD ganz ohne Realität-taugliches
Programm, ohne jeden Lösungsvorschlag, mit purer Verbreitung von Angst und
Hetze zur zweitstärksten Partei Deutschlands werden konnte.
Selbstverständlich öffnen die Sudelpolitiker der Union; Spahn, Merz, Söder, Dobrindt, Amthor; die Fluttore zu den Faschisten, indem sie die AfD-Hetze auf eine immer breitere Basis stellen.
[….] Friedrich Merz hat einmal gesagt, als Vorsitzender der CDU könne er die AfD halbieren. Bislang hat es nicht geklappt. Und es ist fraglich, dass er es noch schaffen kann. "Es gibt einen großen Teil der AfD-Wählerschaft, den die Union nicht erreichen kann", sagt Anna-Sophie Heinze, Politikwissenschaftlerin an der Universität Trier. Auch nicht, wenn es die Union mit verschärfter Rhetorik versucht. Im Gegenteil. In einer Rundmail sprach Merz am vergangenen Wochenende vom "Justemilieu der Regierungsparteien", bei dem "die ganz normalen Bürgerinnen und Bürger" kein Gehör mehr fänden. Der Politikwissenschaftler und Populismus-Experte Marcel Lewandowsky sieht in solchen Äußerungen eine Kulturkampfrhetorik, wie man sie etwa von den Republikanern aus Florida kenne: "Studien zeigen aber, dass man damit eher zur Etablierung und zur Wählbarkeit der Rechtsradikalen beiträgt." [….]
(Max Ferstl und Tim Frehler, SZ, 10.06.2023)
Auf bundespolitischer Ebene, wie dem gerade vom sächsischen CDU-Hardliner Thomas de Maizière (der als Innenminister dafür plädierte, mehr Kinder im Mittelmeer ersaufen zu lassen, da bei ihrer Rettung das „Abschreckungspotential verloren“ ginge) als Präsident geleiteten Evangelischen Kirchentag, spricht sich Merz gegen eine CDU-AfD-Koalition aus. Aber seine Parteifreunde, insbesondere die Ossis, verstehen das zutreffenderweise als Sonntagsreden, die keine Bedeutung für den politischen Alltag haben. Und so stimmen immer wieder CDU und AfD in Landtagen gemeinsam ab, bringen gemeinsame Kandidaten durch, stellen Typen, wie den antisemitischen Verschwörungstheoretiker Maaßen als CDU-Kandidaten auf.
[…] Hingegen will der Präsident des Thüringer Gemeinde- und Städtebunds, Michael Brychcy (CDU), Gespräche mit der AfD nicht ausschließen. "Nicht alle in dieser Partei sind Faschisten", sagte er am Freitag dem MDR Thüringen. Mit denen, die extremistisch sind, könne man aber nicht reden, sagte er zur Deutschen Presse-Agentur. In der Thüringer CDU hatte es immer wieder Stimmen gegeben, die sich für eine zumindest partielle Zusammenarbeit mit der AfD ausgesprochen hatten - auch nach der Landtagswahl 2019, deren Ergebnisse eine äußerst schwierige Regierungsbildung in Erfurt zur Folge hatte. [….]
Selbstverständlich haben große Medienhäuser mit ihren Themensetzungen einen erheblichen Anteil am Erstarken der AfD.
Die Kardinalfehler von 2015/2016 beim Umgang mit Trump – nämlich ihm, in der Hoffnung auf Einschaltquoten, unbegrenzt Sendezeit einzuräumen, in der er seine Hetze und seine Lügen ausbreiten konnte, werden 2023 von CNN wiederholt. Werden auch von den deutschen Talkshows wiederholt, die AfD-Vertreter in einem falschen Verständnis von Ausgewogenheit hetzten lassen.
Wenn ein Politiker behauptet, die Erde sei flach und ein anderer, die Erde als Kugel ansieht, ist es nicht Aufgabe eine Talkshowredaktion, beiden gleich viel Sendezeit zuzuteilen, damit der Zuschauer beide Seiten ausgewogen dargestellt bekommt.
[….] Wen ich gerne mal in einer Deutschen Talkshow sehen würde:
Ein Däne der zeigt wie Ölheizung-Aus seit 2013 geht
Ein Norweger der zeigt wie 80% E-Autos gehen
Ein Niederländer der zeigt wie Tempo 100 geht
Wen ich stattdessen sehe:
Philip Amthor, Christian Dürr. Robin Alexander, Jens Spahn […..] Und natürlich eine weitere Person aus den Niederlanden, die zeigt, wie eine Verkehrspolitik für Menschen und nicht für Autos geht:) [….] Oder einen Luxemburger, der zeigt wie gratis ÖPNV geht. Oder einer aus Estland, der zeigt wie Digitalisierung geht. Es gibt so viele positive Beispiele aus dem Ausland. Darauf sollten wir uns viel mehr konzentrieren, anstatt in Talkshows immer nur zerreden, was nicht geht. [….]
(Politikwissenschaftler Ingwar Perowanowitsch, 07.06.2023)
Wie man mit der Übernahme von AfD-Themen die eigene Partei marginalisiert und dafür die Braunen doppelt so stark macht, zeigt im plumpen Merz-Stil auch Sahra Wagenknecht, die seit Jahren durch die Talkshows zieht, um für Putin Propaganda zu betreiben, gegen die Corona-Impfungen, LGBTIQ-Gleichberechtigung, erneuerbare Energien und Ausländer zu wettern. Die Wahlergebnisse der letzten beiden Jahre sind mehr als eine Katastrophe: Die 5%-Hürde scheint bis auf die Stadtstaaten-Sonderfälle, außer Reichweite.
(….) Für so ein Gedankengut des Schwurbel-Schwachsinns gibt es außerhalb der AfD und eines kleinen Kreises um Sahra Sarrazin selbstverständlich keine Zustimmung.
Nachdem die Linke nach der Bundestagswahl (4,9%), weitere viermal bei Landtagswahlen für ihre elende Schwurbelei und Unfähigkeit, sich von der Querfront zu trennen, schwer abgestraft wurde – 27.03. im Saarland 2,6%, 08.05. Schleswig-Holstein 1,7%, 15.05. NRW 2,1%, 09.10. Niedersachsen 2,7% - und bundesweit klar unter 5% entlangkrebst, demonstriert sie weiterhin ihre völlige Politikunfähigkeit. Geradezu erbärmlich, wie sich die einst so stolze Partei von ihrer völkischen AfD-Freundin Sahra Sarrazin und dem doppelten Partei-Zerstörer Lafontaine zerhacken lässt.
Aber auch die Reaktion innerhalb der Linken ist deutlich. Prominente Mitglieder treten demonstrativ aus, mehrere Landesverbände befinden sich in Auflösung. Eine Irre wie Sahra Sarrazin wäre als Parteimitglied auszuhalten, wenn sie denn parteiintern isoliert würde.
Aber sowohl Partei-, als auch Bundestagsfraktionsführung geben dem Nazi-Fangirl Rückendeckung. Mohamed Ali, Bartsch, Wissler und Schirdewan wissen es und lassen die Wagenknechte gewähren. Die Linke ist unrettbar verloren. Wer nicht hören will, muss fühlen. Der rechtsextreme Verschwörungstheoretiker David Berger ging bereits dazu über, Sahra Wagenknechts Youtube-Reden ungekürzt direkt in seiner völkischen Covidiotenseite PP einzubetten. (…)
(Völkisch-Fascholinks, 16.10.2022)
Mindestens fünf Jahre zu spät, vermutlich zu spät, um das Ruder noch herumzureißen, will sich die auf Größe der „sonstigen Parteien“ geschrumpfte Linke, während die Wagenknecht-bejubelnde AfD an der 20%-Marke kratzt, nun von Sahra Sarrazin trennen.
[….] Im Parteivorstand der Linken ist klar: Dies ist ein guter Tag. Endlich ist entschieden: "Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht", sagt der Parteivorsitzende Martin Schirdewan in der gleißenden Sonne vor dem Karl-Liebknecht-Haus in Berlin.
Und damit könnte ein jahrelanges kräftezehrendes Hin und Her zu Ende gehen. Sarah Wagenknecht und die Linkspartei, die unendliche Geschichte - scheinbar letztes Kapitel. Nicht nur die Parteivorsitzende Janine Wissler hat genug von den Eskapaden der Wagenknecht.
"Ich will betonen, dass wir in den letzten Wochen und Monaten immer wieder Gespräche mit ihr geführt haben, gerade seit es um die Gründung einer Konkurrenzpartei geht", sagt Wissler. "Zuletzt vor zwei Wochen, wo wir als Parteivorstand sehr deutlich gemacht haben, dass sie öffentlich und zeitnah Abstand nimmt von dem Plan der Gründung einer konkurrierenden Partei."
Zeitnah hieß: Bis zum Wochenende sollte Wagenknecht sich für oder gegen die Linke entscheiden. Und sie hat reagiert - auf ihre Art. Beim Fernsehsender "Welt" redet sie am Freitag lange um den heißen Brei herum, die Moderatorin fragt immer wieder nach, aber am Ende bleibt es bei einem dünnen Satz: "Ich habe ja schon gesagt: Bis Ende des Jahres muss das entschieden sein, zumindest, was meine Rolle angeht."
"Bis Ende des Jahres" - zu diesem Zeitrahmen wird Janine Wissler einen Tag später sehr deutlich: "Wir sind der Meinung, dass das ein Damoklesschwert ist, das über der Partei hängt, was wir nicht hinnehmen werden, dass bis Ende des Jahres unsere Mitglieder und Wähler dermaßen verunsichert werden." Die Entscheidung des Parteivorstandes ist einstimmig gefallen - und die Erleichterung darüber ist allen anzusehen. Zum ersten Mal wird die Partei so deutlich, nicht nur im Beschlusspapier, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Auch Janine Wissler formuliert nicht mehr drum herum: "Aus unserer Sicht ist klar: Sahra hat sich entschieden. Sie hat entschieden, sie wird nicht mehr antreten für die Partei, sie hat entschieden, ein Konkurrenzprojekt zumindest zu prüfen und das auch kundzutun. Und deswegen ist für uns klar: Wir planen die Zukunft der Partei ohne sie." [….]
Ich hoffe aus drei Gründen auf eine baldige Gründung der „Wagenknecht-Partei:“
Erstens wird die Linke dadurch (womöglich) wieder wählbar und wir brauchen sie dringend, um mit dem RGR-Modell eine rechnerische Alternative zur nicht regierungsfähigen FDP zu haben.
Zweitens streiten Wagenknecht und Weidel um dieselben Wähler. Die beiden Rechtsaußen-Parteien könnten sich gegenseitig kannibalisieren und schaden.
Drittens zeigte das „Projekt Aufstehen“ eindrucksvoll, wie unfähig Wagenknecht als Organisatorin ist; insbesondere da sie auf persönlicher Ebene so abstoßend und arrogant zu sein scheint, daß niemand mit ihr zusammenarbeiten kann. Daher könnte sie einen großen Scherbenhaufen bei den Schwurblern anrichten und womöglich einige (wenige) zu den demokratischen Parteien zurücktreiben.