Sonntag, 7. Oktober 2012

Das Rätsel.





Doch, das könnte ich mir schon vorstellen, ein paar Semester Theologie zu studieren. 
 Bißchen eigenartige Kommilitonen hätte man da vermutlich. Aber wo ist das nicht so?
Die Materie ist schon spannend.
 Auch als Autodidakt entdecke ich täglich Neues im Kosmos der Vatikan-Hörigen. Welch spaßige Aspekte würde man erst ausgraben, wenn man professionell Theologie erlernte?

Das Grundfaszinosum ist für mich nach wie vor, daß so viele Menschen die albernsten Märchengeschichten ernst nehmen und ganz ergriffen lauschen; wenn es denn nur von einem Mann im bunten Kleid mit brennenden Handtäschchen vorgetragen wird.
Wieso erliegen die Menschen nicht alle einem Lachflasch und rollen sich zwischen den Kirchenbänken?
Aber das sind ja auch Laien. Vielleicht hören die einfach gar nicht zu, weil sie von Kindesbeinen an trainiert haben auf Durchzug zu schalten, sobald einer der Röckchenträger die Kanzel erklimmt.

Wesentlich merkwürdiger ist es, wenn eine intelligente Person, die das Theologiestudium abgeschlossen hat auch noch selbst Priester wird.

Ein klassischer Religiot hat eine Inselverarmung, so daß er die Absurdität seiner Ideologie nicht erkennen kann.
Der Kreator einer Welt ist angepisst, weil die beiden Urmenschen, welche inzestuös ein Volk gründen sollen einen Apfel essen. Darum schickt er einen Geist, der er gleichzeitig auch selbst ist hinunter zu den Apfelfetischisten und läßt ihn/sich eine Jungfrau poppen, die dabei aber nicht defloriert wird und ein drittes Ich des Gottes gebiert, welches später am Kreuz zu Tode gefoltert wird, um das erste Ich des Gottes zu befriedigen. Dafür daß der Kreator sich/seinen Sohn vor 2000 Jahren abgemurxt hat, müssen wir ihm/ihnen heute noch dankbar sein, denn es war ein Akt der Menschenliebe. Das größte Opfer war es auch, obwohl der Tod nicht eben lange vorhielt und der Gematerte ohnehin nach drei Tagen wieder fröhlich umher spazierte. (Da habe ich mit einer ordentlichen Grippe aber länger zu leiden..)
Und wer diese liebevolle Lehre nicht akzeptieren will, kommt in die Hölle und wurde über Jahrhunderte gefoltert, oder mit Krieg überzogen.


Nun ja, dieses ideologische Konstrukt überzeugt nicht jeden.

Es gibt Kritik.

Einer der renommiertesten Kritiker, der mit Preisen und Ehrungen überhäufte Poly-Doktor Hans Küng übt immer schärfere Kritik an seinem alten Widersacher Ratzinger. 

Der 50. Jahrestag des Zweiten Vatikanischen Konzils ist ein willkommener Anlass für den Schweizer Professor.


KÜNG: Es gab zwei Strategien der Kurie, die das Zurückdrehen unterstützten: erstens eine autoritäre, fast totalitäre Personalpolitik. Wer in umstrittenen Fragen wie Empfängnisverhütung, Zölibat oder Ordination von Frauen eine abweichende Meinung vertritt, wird nicht zum Bischof ernannt. Das wird noch abgesichert durch eine Gehorsamkeitsideologie und Treueschwüre, die offenes Denken schwierig machen. Gestärkt wurden die Reaktionären zweitens durch einen Strom päpstlicher Dokumente. Diese zitierten zwar die Konzilstexte, interpretierten sie aber mit römischen Absichten. Das berüchtigtste ist "Dominus Jesus", das den evangelischen Kirchen den Kirchencharakter abspricht.
[…] Was der Begriff der "Entweltlichung" soll, das weiß ich nicht. Wenn der heutige Papst gegen die Verweltlichung reden will, müsste er zuerst zur Kurie predigen. Es gibt wohl keine verweltlichtere Kirche als die Römische mit all ihren Palastintrigen und ihrem Prunk. Wie ein Papst, der erneut mit Brokatgewändern, Goldkreuz und einem Tiara-geschmückten Prunkthron auftritt, von Entweltlichung reden kann, ist mir schleierhaft. Da ist doch eine riesige Distanz zu Jesus von Nazareth, den er repräsentieren will. Die Kirche braucht zwar eine kritische Distanz zur Welt, aber wir sind mitten in der Welt. Es ist doch paradox, dass diejenigen, die jahrzehntelang für viele Sexualdelikte verantwortlich waren - und diese auch vertuscht haben - jetzt so tun, als seien sie die Reinen, als hätten sie mit dieser Welt nichts zu tun. Diese Unverfrorenheit und die Unbußfähigkeit treibt viele aus der Kirche heraus. Der Papst und die Seinen im Vatikan leben in einer Scheinwelt.
[….] Der Papst liebt den Barock, der mit Illusionen spielt, mit einem Schein-Himmel und Schein-Architekturen. In der Wahl seiner Kleidung hat Benedikt diese Zeit aufgenommen. Aber nicht nur dort. Seit Beginn der 80er Jahre lebt er in der Kurie, einer Scheinwelt der triumphierenden Kirche. Er trifft den ganzen Tag nur Leute, die niederknien. Verschärft hat er das noch, weil er nur Ja-Sager in den engsten Beraterkreis berufen hat. So dass er allein der Sehende unter den Blinden ist. Was sich heute auf dem Petersplatz abspielt, gleicht einer Illusion. Dort wird Macht zelebriert, gefeiert von Jubel-Katholiken und Touristen, während die Kirche auf der Gemeindeebene verlottert und ausblutet. […] Mit Reliquienkult und dubiosen Heiligen, wie dem umstrittenen Gründer des reaktionären Opus Dei, Josemaría Escrivá, will man Leute zum Glauben bewegen, während man auf die Verheutigung der Botschaft und Strukturreformen verzichtet.
[….] Am meisten ärgert mich, dass der Papst und die Bischöfe so viele Chancen verpasst haben. Benedikt ist in ein Fettnäpfchen nach dem anderen getreten. Was hätte er mit den Muslimen machen können, wenn er nicht diese ungeschickten Worte in Regensburg gesprochen hätte? Erst vor kurzem im Libanon hat er gegenüber den Muslimen einen anderen Ton angeschlagen. Was hätte er mit den Evangelischen bewirken können, wenn er sie nicht abgekanzelt hätte?
(SWP 06.10.12)
Aber Küng ist bis auf den heutigen Tag katholischer Priester und unterwirft sich als solcher in seinem Selbstverständnis eben dem Ratzinger, den er andererseits geradezu verachtet.

Küng lebt eine Subform des HUK-Paradoxons.

So wenig wie ein Schwuler in eine Homophoben-Organisation passt, gehört der Denker Küng in eine Denkverbot-Organisation.

Treten Sie bitte jetzt aus.