Sonntag, 31. März 2013

Rassismus täglich



Der moderne deutsche Christenmensch steckt in einem Dilemma.
So sehr er sich auch gegen die Moderne wehrt; immer wieder wird er von ihr eingeholt.
Jahrtausende hat man fröhlich Pogrome, Auto Dafés, Hexenverbrennungen, Folterexzesse unternommen.
 Nun gehen ihm die Minderheiten aus, die man noch bashen kann.

Frauen werden inzwischen Bischöfinnen und Kanzlerinnen, Schwarze werden Profigolfer und US-Präsidenten, Schwule sind Außenminister und Fernsehstars, Juden wurden Talkshowmoderatoren und Popstars, Schwerbehinderte brillieren als Opernsänger und Physikgenies, Muslime verdingen sich als Universitätsprofessoren und Nobelpreisträger. Sogar Sachsen und Österreicher werden zunehmend als echte Menschen akzeptiert, die man nicht diskriminieren sollte.
Da muß doch verdammt noch mal irgendeine Minderheit übrig sein, auf die man eindreschen kann!
Als eine der letzten Bevölkerungsgruppen mit dem „Tritt mich“-Schild auf dem Rücken, halten jetzt die Sinti und Roma her.
Daß Deutschland rund eine halbe Million von ihnen ins Gas geschickt hat, wird gerne verdrängt. Während man sich in Deutschland sehr früh um eine Art Aussöhnung mit Israel bemühte („wiedergutmachen“ kann man da freilich nichts), hat man andere Opfergruppen sechzig, siebzig Jahre am ausgetreckten Arm verhungern lassen.
 Ganz zuletzt kamen auch die ungeliebten „Zigeuner“ an die Reihe.
Am 24. Oktober 2012 wurde in Berlin das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas im Beisein von Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel eingeweiht.  Dreißig Jahre nach der Anerkennung des Völkermordes durch den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt wurde damit das Schicksal der 500.000 während des Holocaust ermordeten Sinti und Roma gewürdigt.
(Zentralrat.Sintiundroma)
Homophobie und Antisemitismus existieren selbstverständlich nach wie vor in Deutschland. Genau wie der Antiziganismus.
Aber für antischwule und antijüdische Vorbehalte schämt man sich wenigstens ein bißchen. Sicher, Umfragen besagen, daß ein erklecklicher Prozentsatz von rund einem Drittel der Deutschen keine schwulen oder jüdischen Nachbarn haben will, aber sobald so ein Ergebnis veröffentlicht wird, geben sich alle „betroffen“ und machen ein trauriges Gesicht.
Bei Sinti und Roma ist der Deutsche freier von Betroffenheitsritualen und kann gelöst seinen Vorurteilen frönen.
Gibt man bei der Google-Bildersuche „Sinti und Roma“ ein, bekommt man als erstes die Klischeebilder, mit denen der rassistische Stimmungsschürer Innenminister Friedrich zu gerne spielt.
Der CSU-Mann läßt keine Gelegenheit aus im biologistisch-rassistischen Jargon gegen „diese Leute“ zu hetzen. Sie würden Deutschland überrennen und ausbeuten.
Für ein paar erhoffte Stimmen vom rechten Rand mehr, gibt der deutsche Verfassungsminister den Ausländerfeind par excellence und tritt in der EU für Zuzugsbeschränkungen ein. Korrekte Zahlen sind ihm dabei nur im Weg. Was kümmert da schon das lästige EU-Recht?
Bis heute ist Antiziganismus - so nennt man den rassistischen Reflex, das Volk der Sinti und Roma zu diffamieren - gesellschaftsfähig.
Erst 1982 sprach der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt den Sinti und Roma den Opferstatus zu, fast vierzig Jahre nach Kriegsende.  [….] Das Allensbacher Institut [ermittelte]: 68 Prozent aller Deutschen lehnen es ab, neben einer Zigeunerfamilie zu wohnen. Weil sie fürchten, bestohlen zu werden; weil sie glauben, dass von Zigeunern eine irgendwie ungute Schwingung ausgeht. Vielleicht auch, weil den Deutschen trotz Zigeunerbraten, Zigeunersoße und Zigeunerbaronen kein Volk so fremd vorkommt wie das der Sinti und Roma. 'Wir sind die Minderheit, die die größte Xenophobie auf sich zieht', sagt [der Vorsitzende des Landesverbands der Sinti und Roma in Baden-Württemberg]  Daniel Strauß, 'der gesellschaftliche Antiziganismus ist nach wie vor salonfähig.'
(SZ 24.05.12)
Gleichzeitig sieht der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in den Diskussionen und Dokumenten zur Politik auf der europäischen und den nationalen Ebenen eine Tendenz, die bestehende Marginalisierung von in einzelnen Mitgliedsstaaten großen Teilen der Roma-Bevölkerung als für die gesamte Minderheit geltendes Charakteristikum festzuschreiben. Damit wird die Wahrnehmung der Minderheit auf bestehende Stereotype reduziert. So können die Berichte der Europäischen Kommission mit ihrer Fokussierung auf die sozialen und wirtschaftlichen Probleme das Bild der Roma-Minderheiten als einer vorgeblich „europäischen sozialen Randgruppe“ reproduzieren.  Ebenso stigmatisierend sind die offen oder unterschwellig transportierten Stereotype, die auf eine angebliche‚ besondere Lebensweise und Kultur‘ von Sinti und Roma abheben, die wiederum Ursache für deren unzureichende Integration seien.
Hier wirkt der gleiche Mechanismus, durch den der gesamten Minderheit aufgrund einer konstruierten, fremden Kultur‘ die Ursache für bestehende Benachteiligung zugeschrieben wird. Diese Tendenz, die nationalen Minderheiten der Sinti und Roma in Europa sowohl als marginalisierte als auch als fremde Kultur zu beschreiben, wirkt in sich gegenseitig verstärkender Weise ausgrenzend und ist damit der Zielsetzung der Europäischen Union, die gleichberechtigte Teilhabe von Sinti und Roma zu gewährleisten und zu verbessern, entgegengesetzt. Jedes Programm muss diesem Zusammenhang Rechnung tragen und darf nicht zu einer neuen Form von Ausgrenzung und Segregation führen
Für Merkels am christlichen Menschenbild orientierte Politik ist das irrelevant. 
Ihr „C“-Partei-Innenminister hetzt fröhlich weiter und betont, daß überdurchschnittlich viele Bettelarme aus Rumänien nach Deutschland strömten.

In Wahrheit gibt es nur eine Rumänische Bevölkerungsgruppe, die in überdurchschnittlichem Maße nach Deutschland strömt. 
Wie mir auch schon in vielen Krankenhäusern auffiel.
Einer meiner Nachbarn ist übrigens pensionierter Atomphysiker, der lange an der Uni Nuklearchemie unterrichtete. Er stammt aus Bukarest.

Aber von diesen Rumänen redet die Bundesregierung nicht gern. 
Rumänen, Bulgaren, Roma – all das gerät inzwischen durcheinander. 
Deutsche Roma verstecken sich inzwischen und versuchen niemanden ihre wahre Identität erkennen zu lassen.

Was ist Deutschland manchmal nur für ein unsympathisches Land.