Samstag, 23. Mai 2015

Scheissdeutschland – Teil II



…Rant ist noch nicht ganz vorbei:

Ergänzend zu der gestrigen Erwähnung der deutschen Gier und Missgunst, dem Drang nicht nur mehr, sondern vor allem mehr als die anderen haben zu wollen, muß ich noch mal auf das leidige Thema Geld zu sprechen kommen.

In Deutschland müssen Menschen, die für ihr Geld arbeiten gehen sehr viel mehr Steuern und Abgaben bezahlen, als diejenigen, denen das Geld einfach durch Nichtstun in den Schoß fällt, weil sie wie Susanne Klatten einfach durch den Besitz eines BMW-Aktienpakets 700 Millionen Euro Dividende im Jahr ausgeschüttet bekommen. Wer erbt oder Kapitaleinkünfte hat, steht gut da, wer für sein Geld 40 oder 50 oder 60 Stunden die Woche körperlich arbeitet, zahlt die Zeche.

Gerecht ist anders.

Steinbrück: Wenn wir zunächst auf der steuerlichen Ebene bleiben, dann müssen sich unter anderem zwei Dinge ändern. Erstens: Kapitaleinkünfte müssen wieder mit den gleichen Steuersätzen belegt werden wie Arbeitseinkommen. Weg mit der Abgeltungsteuer! Und zweitens müssen Erbschaften einen höheren Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben leisten. Zwischen 2010 und 2019 dürften in Deutschland 2,5 Billionen Euro vererbt werden. Das sind rund 250 Milliarden pro Jahr. Wenn sie das ins Verhältnis zu jenen gut fünf Milliarden Euro setzen, die wir jährlich über die Erbschaftsteuer einnehmen, dann sind das zwei Prozent. Das ist ein Witz! Dabei beziehe ich mich nicht auf die Vererbung betrieblicher Vermögen.

Friedrichs: Was die jährlich rund 250 Milliarden angeht, von denen Herr Steinbrück sprach: Es gibt Schätzungen, wonach ein Drittel dieser Summe jährlich auf 800 bis 1000 Erbfälle entfällt.

Steinbrück: 99 Prozent der Erbschaften liegen unterhalb der gesetzlichen Freibeträge, was ein Schlaglicht auf die krasse Verteilung wirft.
(Peer Steinbrück in der SZ 23.05.15)

Zwei Prozent Erbschaftssteuer in Deutschland, während in den USA, die nicht als kommunistisch zu bezeichnen sind, Erbschaftssteuersätze von bis zu 40% gelten.

Zwischen $250.000 und $500.000 vererbtes Vermögen 34 %
Zwischen $500.000 und $750.000 vererbtes Vermögen 37 %
Zwischen $750.000 und $1.000.000 vererbtes Vermögen 39 %
Über $1.000.000 vererbtes Vermögen 40 %.

Noch erstaunlicher sind die gerade mal zwei Prozent Erbschaftssteuer in Deutschland, wenn man auf die nominalen Steuersätze guckt:

    Steuerklasse 1: Ehegatten/Lebenspartner, Kinder und Stiefkinder sowie Enkel, Stiefenkel, Urenkel, (Groß-)Eltern: 7-30 Prozent,
    Steuerklasse 2: Geschwister, geschiedener Ehegatte, Nichten und Neffen: 15-43 Prozent,
    Steuerklasse 3: Alle übrigen Personen: 30-50 Prozent.

Wie kommt es also zu den lediglich 2% realem Steuersatz?
Ganz einfach; die richtig reichen Leute zahlen gar nichts.

Karl Albrecht starb letztes Jahr mit 94 Jahren als mutmaßlich reichster Mann Deutschlands. Sein Vermögen dürfte bei rund 20 Milliarden Euro gelegen haben.
Selbst wenn es nur Steinbrücks zwei Prozent Erbschaftssteuer WÄREN, hätten seine Kinder Karl jun. und Beate Heister immerhin 400 Millionen Euro an Schäuble überweisen müssen. Mit 19,6 Milliarden Euro Restvermögen hätten sie vermutlich immer noch nicht darben müssen.
In Wahrheit zahlten sie gar nichts, weil ein simples und LEGALES Doppelstiftungsmodell Multimillionäre bevorzugt.

Beispielrechnung dazu:
Firma XY hat einen Wert von einer Milliarde Euro = 1.000 Millionen Euro.
99,9 % der Firma gehören Stiftung A, in die alle Gewinne fließen, die aber 0% der Stimmrechte an der Firma XY besitzt.
0,01 % der Firma gehören Stiftung oder Holding B, die aber 100% der Stimmrechte besitzt.
Stiftung A ist gemeinnützig und muß gar keine Steuern zahlen.
Stiftung B gehört den Firmenerben, die aber auch über ihre Stimmrechte verfügen wofür die Firmengewinne in Stiftung B verwendet werden.
Im Todesfall müssen die Erben nur auf den Wert der Stiftung B Erbschaftssteuern zahlen. Also für maximal 30% von zehn Millionen, die aber den Firmenerben auch noch erlassen oder gestundet werden, wenn sie die Firma zehn Jahre nicht verkaufen.
Macht unterm Strich Null % Erbschaftssteuer für ein Erbe von einer Milliarde.

Ich verstehe fast nichts von Steuern und kenne lediglich das Grundprinzip von Doppelstiftungsmodellen.
Man darf aber wohl getrost davon ausgehen, daß gewitzte Steuerfachleute in der Lage sind ein Geflecht von weltweiten Stiftungen auszutüfteln, so daß gar keine Steuern bei einem 20 Milliardenvermögen anfallen.

Omas Häuschen, von dem immer alle Politiker reden, das doch bitte steuerfrei bleiben solle, muß also womöglich doch verkauft werden im Erbfall, weil sich ihre Enkel natürlich nicht vorher die Armee von Steuerfachleuten leisten können, die den Albrechts, Porsches, Schwarz‘ oder Quandts dienen.
Hätte Oma statt einem tausend, oder besser 10.000 Häuschen, würden ihre Erben ungeschoren davonkommen.

Man könnte diese offensichtlich ungerechten Verhältnisse natürlich ändern. Es gibt Parteien, die das ausdrücklich verlangen, während CDU, CSU und FDP das Besteuern privater Vermögen strikt ablehnen.

Aber die werden offensichtlich nicht gewählt.

Steinbrück: ….., ich bin mit einer Wiederbelebung der Vermögensteuer in den Wahlkampf hineingegangen und mit 25,7 Prozent wieder herausgekommen! Es gelingt einer sehr mächtigen Interessengemeinschaft, der breiten Bevölkerungsmehrheit zu vermitteln, dass sie von solch einer Steuer betroffen sein könnte, obwohl sie gar nicht betroffen wäre.
(Peer Steinbrück in der SZ 23.05.15)

So kommt es zu einem erstaunlichen Phänomen in Deutschland:
Reiche werden reicher. Sehr Reiche werden sehr viel reicher, die Mittelschicht steuert auf Altersarmut zu, weil sie bei 40% Rentenniveau dringend private Vorsorge betreiben müsste, die aber de facto bei den jetzigen Zinssätzen gar nicht möglich ist.
Und der phlegmatischen Mehrheit der Habenichtse ist es offensichtlich egal. Das zeigte wieder einmal das Wahlergebnis in Bremen: Je ärmer und ungebildeter die Menschen, desto geringer die Wahlbeteiligung. Das heißt umgekehrt: Je reicher man ist, desto einflussreicher ist auch die Stimme an der Wahlurne. Die Interessen der Besitzenden werden von deutschen Parteien also schon durch die Wahlergebnisse deutlich überproportional berücksichtigt. Hinzu kommt dann noch die direkte Einflussnahme der Vermögenden durch Parteispenden und ein Heer von Lobbyisten, das im Bundestag ein- und ausgeht.
Dennoch führen die Besitzenden keine Freudentänze auf, sondern werden immer misstrauischer. Je mehr man hat, desto mehr könnte man theoretisch auch verlieren. Das gefällt dem deutschen Michel gar nicht. Deswegen ist er sehr verschwiegen.
Dazu äußert sich die Journalistin Julia Friedrichs, 35, Autorin des Buches "Wir Erben: Was Geld mit Menschen macht" im SZ-Gespräch mit Peer Steinbrück

SZ: Frau Friedrichs, was stört Sie denn daran, dass die Menschen erben?

Julia Friedrichs: Gar nichts. Ich habe nur irgendwann festgestellt, dass ich bei der Frage, warum es manchen Menschen besser geht als anderen, jahrelang auf dem Holzweg war. Ich dachte immer, der persönliche Wohlstand hängt davon ab, wie viel man verdient. Aber das stimmt oft nicht mehr: Er hängt davon ab, ob man erbt oder nicht.

SZ: Woran haben Sie das gemerkt?

Friedrichs: An meinem privaten Umfeld. Wir haben alle in ähnlichen Berufen gearbeitet, aber plötzlich fingen einige Freunde an, Eigentumswohnungen für 400 000 oder gar 800 000 Euro zu kaufen. Obwohl ich gut verdiente, waren solche Summen für mich illusorisch. Da habe ich mich gefragt: Wie geht das?

SZ: Was haben Ihre Freunde geantwortet?

Friedrichs: Wenig. Viele haben nur was von "erben" gemurmelt. Daraufhin habe ich versucht, mir Zahlen zu besorgen, und festgestellt: Es gibt kaum welche, Erben ist ein echtes Tabuthema. Die Zahlen, die ich aber gefunden habe, zeigen eindeutig: Es wird immer schwieriger, sich Vermögen zu erarbeiten. Wer wohlhabend werden will, sollte erben. Verschlimmert wird das Ganze dadurch, dass Arbeitseinkommen hoch, Erbschaften aber in der Praxis fast gar nicht besteuert werden.
(Peer Steinbrück in der SZ 23.05.15)

Immobilienerwerb, also der einzige relativ sichere Weg finanziell vorzusorgen und noch reicher zu werden in der gegenwärtigen Situation, klappt also eigentlich nur dann, wenn man ohnehin schon reich ist, oder einem große Summen ohne eigenes Zutun einfach in den Schoß fallen.

Eine neue OECD-Studie zeigt: In Deutschland klaffen die Besitzverhältnisse auseinander. […]
Die Kluft zwischen Arm und Reich sorgt seit einiger Zeit wieder für Diskussionen. Dass sie auch in Deutschland besteht, zeigen neue Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Demnach sind Vermögen in Deutschland stärker konzentriert als in vielen anderen Industriestaaten.
Die reichsten zehn Prozent der Deutschen besitzen der Studie zufolge fast 60 Prozent des gesamten Nettohaushaltsvermögens. "Dieser Wert liegt deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 50", teilte die Organisation mit. Die ärmsten 60 Prozent kommen hingegen lediglich auf sechs Prozent des gesamten Vermögens. Zudem sei die Zahl der überschuldeten Haushalte groß.[…]

[…] »Wir haben einen Wendepunkt erreicht. Noch nie in der Geschichte der OECD war die Ungleichheit in unseren Ländern so hoch wie heute«, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría, der den Bericht in Paris gemeinsam mit der EU-Kommissarin für Arbeit und Soziales, Marianne Thyssen, vorstellte. Die Folge: Zwischen 1990 und 2010 büßten die Industriestaaten rund 4,7 Prozent an Wirtschaftswachstum ein. Ungleiche Gesellschaften nützen nämlich ihre Potentiale weniger als gleichere. So fällt es etwa Menschen aus bildungsfernen Haushalten bei wachsender Ungleichheit zunehmend schwerer, eine gute Ausbildung zu bekommen.
[…] Besonders nach der Finanzkrise und in den Ländern, die tiefe Rezessionen und strenge Sparauflagen durchmachen mussten, hat sich die Einkommensungleichheit verschärft. […] Die OECD-Forscher verweisen […]  auf die wachsende Anzahl atypischer Beschäftigungsverhältnisse als Ursache für die größer gewordene soziale Schere in Deutschland und den anderen Industrieländern. Ein befristet beschäftigter Vollzeit-Arbeitnehmer erhält hierzulande zum Beispiel durchschnittlich nur 56 Prozent des jährlichen Arbeitseinkommens eines regulär Beschäftigten. […]
(Simon Poelchau 22.05.2015)