Dienstag, 26. Februar 2013

Angies Kollateralschaden.



 
Es ist nach dem Italienischen Wahlergebnis wieder eine der seltenen Situationen eingetreten, in denen die Presse von ganz links bis ganz rechts so ziemlich einer Meinung ist.
Die spinnen, die Italiener
Die spielen mit dem Feuer. Nirgendwo in der Welt gibt es jemanden, der einen Funken Verständnis dafür aufbringen kann, daß der schlüpfrige, korrupte, kriminelle Dirty-Old-Man Berlusconi wieder Millionen Wähler fand, die doof genug waren ihm die Stimme zu geben.
Und die Pressemeute hat tatsächlich Recht.
Man kann zwar Gründe dafür finden, weswegen Italiener sich so entscheiden, aber man kann es nicht rechtfertigen.
Zuletzt zog die Journaille so sehr am Strang, als es um den Rücktritt des Bundespräsidenten Wulff ging. Auch damals schrieben sie zu Recht unisono die Demission des lügenden, kleinkarierten Raffzahns herbei.
Wulff war schon lange unhaltbar im Amt geworden. Das sahen FAZ und taz gleich. Ausgerechnet Wulff selbst hatte die längste Leitung und verstand nicht, daß er schon lange Zeit erledigt war.

Also alles gut? 
Werden wir uns jetzt wohlig eine Weile gemeinsam gruseln? 
Das Gefühl nicht ganz so bekloppt zu sein, wie die Italiener ist ja schon mal nett.

Aber wir sitzen in Wahrheit auf keinem Ross, schon gar nicht auf einem Hohen, von dem wir auf Italien runtergucken könnten.
Als Amerikaner gehöre ich einer Nation an, die sich acht Jahre George W. Bush ins Weiße Haus holte, ihn nach ein paar völkerrechtswidriger Angriffskriege und dem Einleiten einer weltweiten Finanzkatastrophe gleich noch mal wählte.
Und die Deutschen? 
 Klammerten sich 16 Jahre am korrupten Kohl fest, wählten vier Mal Koch zum Hessischen Ministerpräsidenten. Die Deutschen küren Angela Merkel zur beliebtesten Politikerin und dachten sich 2009 Guido, die Polit-Vuvuzela, wäre ideal als Außenminister und Vizekanzler.
One two three
A little fool I want to be
Two three four
You can give me more
Five six seven
I don't want to wait for heaven
Nine ten eleven
Going back to seven
Seven eight nine
Kann denn das noch sein?
Merkel ist im Ausland nicht ganz so peinlich für die Deutschen wie es Porno-Silvio für die Italiener ist.
Merkel ist reichlich unbeliebt in Europa, weil sie den anderen Ländern die Austeritätsdaumenquetsche anlegt, die sie zu Hause keinesfalls haben wollte. 
In Deutschland warf sie stattdessen mit Geld um sich, nahm reichlich neue Schulden auf, schuf Konjunkturpakete Ungerechterweise profitiert Deutschland auch noch von extrem niedrigen Zinsen, bekommt sogar teilweise noch Geld dazu geschenkt, wenn es sich überhaupt etwas leiht. Obwohl die Deutsche Staatsverschuldung prozentual höher ist als die Spanische.
Gerecht ist anders.

Sie haben die Schulden – wir den Profit.

Die verschwenderischen Südeuropäer gefährden unseren Wohlstand? Von wegen – ihnen haben wir Deutschen den Reichtum zu verdanken.
Ich verstehe, daß südeuropäische Länder schwer angepisst sind, die deutsche Waren importieren müssen. Mit geliehenem Geld, für das sie an deutschen Banken horrende Zinsen zahlen müssen.
Wachstum, das Lieblingswort der K.O.alitionären, wird in Wahrheit durch Schulden generiert. 

So ist es uns so war es schon seit Tausenden Jahren. 
Schulden sind gewissermaßen was Gutes - insbesondere, wenn sie von jemand anders gemacht werden.

Und dann kommen aus Deutschland auch noch überhebliche Sprüche wie
 „in Europa spricht man wieder deutsch!“ (Kauder).

Merkel schadet aber mit ihrer „alle Macht den Banken“-Politik auch Deutschland. 
Ihre Agenda ist auf das Wohl des obersten Prozents der Bevölkerung ausgerichtet.
Die Wähler sind nur zu doof, um das zu begreifen.


Die Beliebtheit von Angela Merkel kennt fast keine Grenzen. Doch sie beruht auf einem Täuschungsmanöver: Die „Kanzlerin für alle“ macht in Wahrheit Politik für wenige.

[…]  In mehr als zwei Jahrzehnten Politikbeobachtung habe ich niemals einen derart eklatanten Widerspruch erlebt zwischen dem Image einer politischen Persönlichkeit und ihrer tatsächlichen Politik. Nie ist es einem Politiker in Deutschland gelungen, derart konsequent auf Kosten der Mehrheit zu handeln und zugleich die Sympathie dieser Mehrheit zu gewinnen.

[….]    Blamage? Wieso Blamage? […]   Blamierte Angela Merkel sich selbst, dann wäre das noch zu ertragen. Aber das tut sie nicht: Sie agiert souverän und zielstrebig wie kaum jemand sonst in der politischen Arena. Auch vor jenen, die an Politikern vor allem das Gespür für Macht bewundern, blamiert sie sich nicht. Und genauso wenig vor denen, in deren Interesse sie vor allem handelt: den Mächtigen in Finanzwirtschaft und Industrie. Angela Merkel blamiert „nur“ das Land, das sie regiert. Denn hinter einer verschwurbelten Rhetorik der Richtungslosigkeit verbirgt sich eine gar nicht richtungslose Politik, die Deutschland und Europa auf Dauer schadet. […] Hinter der vermeintlich unideologischen, pragmatischen Attitüde versteckt sich der wahre Kern des Merkel’schen Programms. Es ist ein „Wirtschaftsliberalismus light“. „Light“ nicht in seinem ideologischen Kern – der ist eher hart –, sondern nur in seiner Geschmeidigkeit, wenn es um die Durchsetzung der wichtigsten Ziele geht, zum Beispiel die Sicherung der deutschen Vorherrschaft in Europa oder den Abbau der solidarischen Sozialsysteme. Dieses Programm kennt keine ideologischen, sondern nur taktische Grenzen: Nach außen verkauft die „Kanzlerin aller Deutschen“ ihr Handeln als „Politik für alle“ und sich selbst als Inkarnation der bürgerlich-liberalen „Mitte“. Doch hinter dieser Fassade folgt sie weitgehend dem Programm der Banken und Konzerne.
Tatsächlich perlen Skandale, wie die im Kanzleramt für den Oberspekulanten Joseph Ackermann abgehaltene Geburtstagssause auf Kosten des Steuerzahlers an Merkel ab. 

Nicht auszudenken was für ein Geschrei wäre, wenn Peer Steinbrück sich derart mit dem Hauptstrippenzieher der Bankenwelt zusammensetzte.

Dabei war die Party mit dem Deutsche-Bank-Chef nur die Spitze des Eisbergs.
Mitarbeiter des Finanzministeriums hatten seit 2009 über 100 Termine mit Experten aus Geldhäusern. […]

Besonders beliebt bei den Bankern: Zusammenkünfte mit Vertretern des Finanzministeriums. 102 Termine führt die Bundesregierung hier auf. Darunter Treffen zwischen dem Deutsche-Bank-Kovorstandschef Anshu Jain und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) samt Staatssekretär a .D. oder Besprechungen zum Thema „Einschätzungen zum Finanzmarkt und dem Privatisierungsumfeld“.

Die Listen sind Teil einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion. Deren steuerpolitische Sprecherin, Barbara Höll, zeigt sich empört: „Von unabhängiger Politik kann unter diesen Umständen keine Rede mehr sein.“ Wenn sich der Staatsminister im Kanzleramt in dreieinhalb Jahren 25-mal mit dem Cheflobbyisten von Goldman Sachs treffe, müsse man sich über die Zurückhaltung der Bundesregierung bei der Bankenregulierung nicht wundern.

Höll spielt dabei auf Treffen zwischen dem Staatsminister Eckart von Klaeden (CDU) und Christoph Brand von der Investmentbank Goldman Sachs an. Zwischen November 2009 und Oktober 2012 sind in der Tabelle 25 Treffen vermerkt, zwei davon mit weiteren Teilnehmern. Der US-Konzern gilt als einer der Verursacher und Profiteure der Finanzkrise.

[…] Eine „lückenlose Aufstellung“ könne „nicht gewährleistet werden.“ Denn eine Verpflichtung, jeden Kontakt zu dokumentieren, gebe es nicht.

Ich behaupte also, daß die Merkel-Regierung Deutschland nachhaltig ähnlich schadet, wie Berlusconi Italien.
Man denke nur an den ganzen Irrsinn, wie das Blockieren der doppelten Staatsbürgerschaft, die verrottenden Schulen, die Analphabetenquote von zehn Prozent.

Es geht aber nicht nur um das Tu Quoque-Argument, nein, die Bundesregierung bereitet Megapopulisten wie Berlusconi auch noch systematisch Feld.
„Das Wahlergebnis in Italien zeigt auf dramatische Weise das Scheitern der merkelschen Krisenpolitik. Denn mit Italien driftet ein weiteres Land in eine ungewisse politische Zukunft, weil die europäischen Spardiktate auch dort den sozialen Zusammenhalt gefährden“, so Jan van Aken, […]  
Die ‚seriösen‘ Politiker werden von Deutschland deswegen gelobt, weil sie ein ‚Weiter so‘ mit den so genannten Reformen bedingungslos unterstützen. Doch genau deswegen ist Monti so abgestürzt: Diese Reformen bedeuten im Rahmen des Fiskalpakts massive Opfer für die große Mehrheit der Italienerinnen und Italiener. Er hat das Leiden der Bevölkerung missachtet, und wurde abgestraft. Dass ein Populist wie Berlusconi in einem derartigen Klima erfolgreich ist, ist tragisch und fatal – Deutschland und die EU tragen jedoch eine erhebliche Mitschuld, denn nur durch ihre Sparorgien ist dieses Klima entstanden.
 (PM, die Linke, 26.02.13)
Hinzu kommt, daß Deutsche Regierungsvertreter genau das tun, was sich beispielsweise Guido Westerwelle umkehrt von den anderen Nation energisch verbittet:
Eingriffe in den nationalen Wahlkampf von außen.
Euro-Chaot Schäuble hat den Italienern direkt erklärt, wen sie wählen sollen, nämlich Monti, den Goldman-Sachs-Banker.
Bisher war es in Europa üblich gewesen, dass nationalstaatliche Wahlen nicht von anderen Staaten beeinflusst wurden. In einem Interview mit dem italienischen Magazin l’Espresso hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit dieser Tradition gebrochen und den Italienern klar und deutlich gesagt, wen sie wählen sollten: Den technokratischen Premier und Goldman Sachs-Banker Mario Monti. „Der scheidende Ministerpräsident hat Italien und ganz Europa Stabilität gebracht“, sagte Schäuble.
Ein schönes Geschenk an Berlusconi. 
Denn Anweisungen aus Berlin folgen die national eher anarchistisch veranlagten Italiener* schon aus Prinzip nicht.
Toll Schäuble – nichts bewirkt, außer daß Deutschland sich noch unbeliebter gemacht hat.



*Die Erfahrung hat schon Hitler gemacht, als er von seinem Freund und Verbündeten Duce verlangte die italienischen Juden auszuliefern. 
Das klappte sehr schlecht, weil die meisten Italiener gar nicht daran dachten einfach so die Juden abtransportieren zu lassen. 
Sie haben sie lieber versteckt, das Unterfangen verzögert und sich schließlich sogar ganz auf die Seite der Alliierten geschlagen. 
Auch damals befand Hitler die Italiener hätten einen anarchistischen Volkscharakter.
Damit hatte er womöglich recht – aber im besten Sinne.