Donnerstag, 25. Januar 2018

Personalien vor Inhalten.



Das waren noch Zeiten, als es im Frühjahr 2017 so aussah, als ob Sigmar Gabriel Opfer seines eigenen Erfolgs werden würde.
Sein Überraschungs-Coup Martin Schulz Kanzlerschaft und SPD-Vorsitz zu überlassen nötigte den Menschen Respekt für so viel Selbstlosigkeit ab.
Ohne sich ständig im Namen der SPD äußern zu müssen, konnte er sich voll und ganz auf das Außenamt konzentrieren und wurde in Rekordgeschwindigkeit vom notorisch mauscheligen Wirtschaftsminister zum Star-Außenminister; bald sogar zum beliebtesten Politiler überhaupt.
Außerdem wirkte sein Schulz-Manöver zunächst so genial, daß die SPD in Umfragen auf 33% sogar vor der CDU/CSU landete.
Wenn es nur noch ein bißchen so weiterginge, wäre die Merkel-Kanzlerschaft beendet und Martin Schulz der nächste Regierungschef.
Erfolg also auf ganzer Linie; ein Erfolg, der Gabriel den Job gekostet hätte.
Mit Schulz als Bundeskanzler wäre der Job als Außenminister mutmaßlich an den Juniorpartner gegangen und somit der SPD und Gabriel abhandengekommen.
Wäre das blöd. In jeder Hinsicht gewonnen und am Ende hätte derjenige, der es anstieß, Gabriel, persönlich dabei alles verloren.

Zur heimlichen Freude des ehemaligen Parteichefs reihte Schulz dann Fehler an Fehler, debakulierte sich hilflos durch den Wahlkampf bis ihm nur noch Mitleid entgegenschlug.
Je mehr die SPD absackte, desto wahrscheinlicher wurde eine neue Juniorpartnerschaft und damit die Aussicht des verjüngten und verschlankten Gabriels seine liebgewonnenes Außenamt zu behalten.
Die CDU müßte nur ein paar Prozentpunkte an die AfD abgeben und die SPD durch Schulz ein bißchen hinzugewinne.
CDU 35%, SPD 29%. Sowas zum Beispiel. In einer neuen Groko hätten die Sozis dann mehr Gewicht, einen Minister mehr und da Schulz stets kategorisch verneinte unter Kanzlerin Merkel ins Kabinett zu gehen, könnte Gabriel weiter Vizekanzler und Außenminister bleiben.

Unglücklicherweise stellte sich der in Bedrängnis geratene SPD-Kandidat aber derartig tumb an, daß er seine Sozis auf 20,5% hinab riss.
Was für ein Pech erneut für Gabriel. Erst ist Schulz zu gut, dann zu schlecht für seine Außenministerambitionen.
Am 24.09.2017 mußte dem ehemaligen Lehrer aus Goslar klar sein, daß er sich bald einen anderen Job suchen sollte, da Lindner ihn beerben würde.
Ihm blieb nur noch auf schwierige Jamaika-Verhandlungen zu hoffen, um seinen jetzigen Job möglichst lange auszukosten. Und das tat er, reiste wie besessen um die ganze Welt, meldete sich überall zu Wort, mischte international mit.
Nebenbei empfahl er in Grundsatzessays auch noch die Postmoderne zu verlassen und als AfD-light auf Heimat und Abschottung zu setzen.
Weiten Teilen der SPD bogen sich vor Grauen die Fußnägel hoch.
Zum Glück war Gabriel ohne Parteiamt und seine Tage als Außenminister würden gezählt sein.
Verstärkt wurde der Unmut über Gabriel zuletzt, als er den türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu privat in Goslar zum Tee empfing und auch noch Panzerlieferungen an den außer Kontrolle geratenen Recep Tayyip Erdoğan mit Panzern bejahen wollte.

Verrückterweise sieht es nun zwar wieder nach Groko aus, nach einer erneuten Regierungsbeteiligung also, nach einem erneuten Zugriffsrecht der Sozis auf das Außenamt, aber nun hat sich Gabriel selbst so geschadet, daß er auf Gnade der neuen Führung hoffen muss.

Die hat ein gewaltiges Problem. Was soll eigentlich aus Schulz werden, wenn es wieder eine Merkel-Groko gibt?
Immerhin hatte Schulz nicht nur die Groko an sich kategorisch ausgeschlossen, sondern auch noch versichert niemals unter Merkel Minister zu werden.
Nun will er das aber nicht mehr ausschließen und verweist floskelhaft darauf, daß Personalien immer am Ende stünden.
Ein weiteres mal umfallen? Würden ihm das die Genossen verzeihen?
Andererseits wäre sein Posten als Parteichef außerhalb des Kabinetts erst recht in Gefahr. Dann könnte er wieder nicht auf Augenhöhe mit Merkel reden und müßte zusehen, wie sich anderen Sozen profilieren.

Aber als was sollte Schulz ins Kabinett? Er kann ja eigentlich nichts außer EU, also Außenpolitik, und da sitzt für die SPD ausgerechnet der derzeit beliebteste Politiker Deutschlands. Den so sehr gemochten Gabriel rauswerfen, damit der Parteichef den Posten durch sich selbst ersetzt, also einen, dem demoskopisch gar nichts mehr zugetraut wird?
Schwierig.

Aber Schulz ist bekannt für extrem unglückliche Personalentscheidungen; so versagte er schon auf ganzer Linie bei der Besetzung der Posten in der Fraktionsspitze.

(…..)  Während nun die SPD-Granden wie Ralf Stegner im Frühstücksfernsehen erklären, es ginge bei der Erneuerung der SPD um Inhalte und nicht um Personal, versagen Nahles und Schulz auf offener Bühne dabei.
Das Personalkarussell dreht sich munter. Mehrere verdiente Leute werfen frustriert hin und gegenwärtig sind alle beschädigt und zusätzlich geschwächt, weil die Parteiführung weder in der Lage ist ein geordnetes Verfahren durchzuführen, noch verhindern kann, daß interne Debatten dauernd an die Presse durchgestochen werden.

Der Zwischenstand:

1.
Der konservative Seeheimer und Niedersachse Lars Klingbeil soll neuer SPD-Generalsekretär werden.

2.
Der bisherige Fraktionschef Thomas Oppermann, 63, musste ja irgendwie versorgt werden, also hievte man ihn auf den Posten des Bundestagsvizepräsidenten. Natürlich auch ohne vorher zu diskutieren, ob Oppermann geeignet ist und ohne abzuklären, ob es andere Kandidaten gibt. Die gab es mit Christine Lambrecht und Ulla Schmidt. Beide Frauen zogen aber zurück, um Schulz und Nahles nicht total zu blamieren.
Am Ende erhielt Oppermann als einziger Kandidat ein grottenschlechtes Ergebnis mit 90 von 146 gültigen Stimmen; 56 der eigenen Leute konnten sich nicht durchringen ihn zu unterstützen.

3.
Die genervte Partei-Geschäftsführerin warf hin.

[….] Die SPD-Bundesgeschäftsführerin Juliane Seifert gibt ihren Posten auf. Sie kündigte bei Beratungen der SPD-Spitze ihren Rückzug an. "Nach den Vorkommnissen der vergangenen Woche sind für mich die Voraussetzungen nicht mehr gegeben, die ich brauche, um für die großen vor uns liegenden Aufgaben einen guten Beitrag leisten zu können", sagte Seifert. [….]

4.
Als Trostpflaster für die Linken und die Frauen, wollte Schulz so großzügig sein Noch-Juso-Chefin Johanna Uekermann zur neuen Bundesgeschäftsführerin zu machen, vergaß aber sie vorher zu fragen.
Die Personalie sickerte durch und Uekermann gab Schulz einen Korb.

Die ohnehin genervte Linke hat nun lauter rechte Männer vor die Nase gesetzt bekommen:
Der neue Fraktionsgeschäftsführer Schneider, der neue Generalsekretär Klingbeil. Parteichef Schulz und der neue Bundestagsvizepräsident Oppermann sind alles Seeheimer.
Mit Klingbeil und Oppermann stiegen zudem erneut zwei der ohnehin überrepräsentierten Niedersachsen auf.

Frauen wurden gar nicht berücksichtigt.

Schulz steht vor einem Scherbenhaufen.
Um Inhalte geht es natürlich nicht. (….)

Um den Wahnsinn komplett zu machen, wird erneut der Multi-Versager Heil als Ministerkandidat genannt.

[…..] Wer sonst noch auf der Kabinett-Shortlist der Sozialdemokraten steht? Andrea Nahles hat verzichtet, Katharina Barley und Heiko Maas gelten als gesetzt. Weitere Frauen werden gesucht, gute Chancen hat die Innenexpertin Eva Högl. Für das Bildungsministerium wäre Hubertus Heil ein Kandidat. […..]

Heil? Kann man sich nicht ausdenken.

(….) Nach der Niedersachsenwahl demonstrierte Heil in der Berliner Runde erneut, was er nicht kann.
(….)   Es bleibt ein Würselener Geheimnis, weshalb Schulz auf den Gedanken verfiel, genau diesen Mann, der seine völlige Unfähigkeit als Wahlkampfleiter bereits bewiesen hatte, zum Chef seiner 2017ner Kampagne zu berufen.

(….) Hier verließ die Genossen leider das Händchen. Ausgerechnet während ihr „Schulzzug“ auf das Abstellgleis rattert, holt sich Herr Schulz dreieinhalb Monate vor der Bundestagswahl den denkbar ödesten Kandidaten, der zudem auch noch bewiesenermaßen Wahlkampf nicht kann.
Hubertus Heil, der niedersächsische Phlegmat, der schon für die trüben Bärtigen (Beck und Platzeck) Wahlen verlor, wird jetzt die neue Barely.

[….] Als Generalsekretär kehrt Heil zurück ins Willy-Brandt-Haus. In die Parteizentrale hatte ihn 2005 der SPD-Chef Matthias Platzeck schon einmal geholt. [….]  Die Aufregung war bis zum Parteitag nicht verflogen: Heil hielt eine denkwürdig schlechte Rede und fuhr mit 61,7 Prozent ein ebenso denkwürdig mieses Ergebnis ein.
[….] Nach Gabriels Wechsel ins Auswärtige Amt wäre Heil ein möglicher Nachfolger im Wirtschaftsministerium gewesen - und wurde wieder nichts.
[….] Immerhin ist jetzt überhaupt mal jemand an führender Stelle in der SPD, der Erfahrung mit einem Bundestagswahlkampf hat. Auch wenn es bei Heil der von 2009 war. An dessen Ende landete die SPD bei 23 Prozent. […]

23% also. Offensichtlich ist das die Zielmarke, die #Chulz anstrebt.
So ist das als SPD-Mitglied. Kaum macht die Partei mal etwas halbwegs Vernünftiges, haut irgendein Spitzengenosse was richtig Kontraproduktives raus. (…..)

Als er berufen wurde, erklärte Heil, er habe aus seinen 2009er Fehlern gelernt und werde es besser machen.
Seitdem habe ich nie wieder was vom ihm gehört. Offensichtlich suchte er sich im Willy-Brandt-Haus ein gemütliches Plätzchen und schlummerte in einen tiefen vorgezogenen Winterschlaf – wohlwissend, daß er als Sündenbock nach der Wahl ohnehin gefeuert wird. Aber das macht nichts, denn über einen sicheren Listenplatz wird er weiterhin Bundestagsabgeordneter sein und mutmaßlich SPD-Wahlkampfmanager 2021 oder 2025 werden.

Heil sollte aber neuer Fraktionsgeschäftsführer von Schulz‘ Gnaden werden.
Johannes Kahrs‘ Seeheimer grätschten dazwischen, kickten Heil aus dem Rennen und installierten ihren Carsten Schneider als Nahles-Aufpasser. (….)

Neben Maas und Lauterbach sehe ich nur Scholz als echten Fachmann, der sich für einen Kabinettsposten anbietet.
Nämlich als Finanzminister und Vizekanzler.

[…..] Als erster Kandidat der SPD für diesen Job gilt der Mann, der seit Jahren die großen Finanzthemen für die SPD-Länder mit Angela Merkel verhandelt: Olaf Scholz. Als Zugabe könnte er noch den Titel Vize-Kanzler bekommen - das wäre ausreichend Grund, Hamburg den Rücken zu kehren. [….]

Fragt sich nur, ob Scholz Hamburg verlässt. Bisher hat er alle diese Angebote ausgeschlagen.

Käme Scholz und womöglich auch noch Schulz, wäre kein Platz mehr für Gabriel im Kabinett. Noch mehr alte Männer im Kabinett kann sich die SPD keinesfalls erlauben, wenn sie glaubwürdig weiterhin von „Erneuerung“ sprechen will.

Schulz mal wieder in einer NoWin-Situation:
Gabriel fallenlassen geht nicht, weil er der beliebteste Politiker Deutschlands ist und ihn behalten geht auch nicht, weil er hin und wieder rechts abdriftet und den Anspruch der SPD-Erneuerung durch seine bloße Anwesenheit widerlegt.

[….]  Bei einer Klausur im Willy-Brandt-Haus soll der Kurs für die Gespräche festgelegt werden: [….] Neben der engeren Parteiführung nehmen auch die geschäftsführenden Minister und die Ministerpräsidenten der SPD an der Klausur teil, sie sollen auch zum Verhandlungsteam gehören. Also auch Sigmar Gabriel. Er soll federführend über die Themen Außen, Entwicklung, Verteidigung und Menschenrechte verhandeln. [….] Doch Begeisterung löst Gabriels Anwesenheit nicht aus. Im Gegenteil: "In der Partei gibt es keine große Sehnsucht mehr nach Sigmar Gabriel", sagt einer, der die Stimmung in den Landesverbänden sehr gut kennt. [….]
Aus der Fraktion aber verlautet, man rechne nicht damit, dass Gabriel Teil einer neuen Regierung sein werde.
Wie kann das sein? Hinter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist der Außenminister derzeit der beliebteste Politiker Deutschlands. 64 Prozent der Befragten wünschen sich laut einer SPIEGEL-Umfrage, dass Gabriel auch künftig "eine wichtige Rolle" spielt.
[….] Schulz macht seinen Vorgänger für viele seiner aktuellen Probleme verantwortlich. So habe er ihm durch die späte Entscheidung Anfang 2017 wenig Zeit gelassen, seinen Wahlkampf zu planen. Noch wichtiger: Statt Schulz zu unterstützen, schoss Gabriel immer wieder quer. Er könne sich einfach nicht unterordnen, klagen führende Genossen. Als Beleg werden seine Beiträge in Fraktionssitzungen angeführt - die prompt nach außen dringen. So hatte Gabriel nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierer kritisiert, an der SPD-Spitze werde zu wenig geführt und "zu viel gesammelt". [….]