Montag, 9. Januar 2017

Früher war alles besser



Meine Frisur war in den 80ern topmodisch, in den 90ern extrem, in den Nullern outdated und so langsam passt sich der Zeitgeist wieder an mich an.
Man muß den Trends nicht hinterherhetzen. Sie kommen zu einem zurück.
Mein Vater stellte deswegen nie seine Uhren auf Sommerzeit vor.
Das lohne sich nicht, meinte er, kurzbald müsse man sie auch wieder zurückstellen.
Ich empfinde es als sehr lästig persönliche Gewohnheiten aufgrund sich verändernder äußerer Umstände verändern zu müssen.
Ich leide dementsprechend immer noch darunter, daß vor 20 Jahren mein Lieblings-Deospray abgeschafft wurde.
 Und wie soll ich es eigentlich verkraften, daß der US-Konsumgüterkonzern Johnson & Johnson (J&J) nun schon vor anderthalb Jahren seine geniale Rembrandt-Zahnpasta vom Markt nahm?
Zehn Jahre habe ich das Zeug jeden Tag verwendet und dann war plötzlich alles aus; ich blieb allein zurück.

Manchmal kommen Dinge auch zurück wie Langneses „Brauner Bär“, aber da wurden die Ingredienzen so „verbessert“ und die gute alte Chemiekeule so nachhaltig entsorgt, daß das Eis gar nicht mehr schmeckt.

Wenn man erst mal eine Pause eingelegt hat, legt sich auch die eigene Euphorie für ein Produkt.
 Was habe ich als Kind die Serie „Mit Schirm, Charme und Melone“ geliebt.
Als ich das aber mit 40 noch einmal sah, traten mir fast die Augen raus, ob der miesen Kampfchoreographie und der abstrusen Drehbücher.

Nein, es ist besser, man verändert erst gar nichts, entwöhnt sich niemals und bleibt bei einer Sache.
Ich bin sehr zufrieden mit meinem analogen Klapp-Handy und sehe es auch überhaupt nicht ein, wieso ich meine VHS-Cassetten und dem Videorekorder austauschen sollte.
Beides ist lange bewährt und nach einem möglichen Umstieg auf eine neuere Technik, wäre ich doch nur enttäuscht.
Ich will auch nach wie vor ein gedrucktes Buch in der Hand haben, in dem ich ganz viel anstreichen und kommentieren kann, statt ein blödes Lesegerät von Herrn Bezos zu benutzen, um ihn noch reicher zu machen und noch abhängiger von ihm zu werden.

[….]  Tatsächlich aber ist der Drang zum Handfesten und Konkreten ungebrochen, wie Analysen des Weihnachtsgeschäfts zeigen. Hochwertige Füllfederhalter mit Namensgravur waren ein Verkaufsschlager - zumindest in München. Auch die Firma Moleskine mit ihren Notizbüchern, die zum Standard-Werkzeug großer Schriftsteller zählen (allerdings erst seit den Neunzigerjahren hergestellt werden), meldete einen Rekordumsatz von mehr als 100 Millionen Euro. Und die Umsätze mit Vinyl-Schallplatten lagen mancherorts erstmals vor den Downloads: In Großbritannien etwa erhöhte sich der Absatz 2016 um 53 Prozent auf mehr als 3,2 Millionen Platten, wie die Branche am Dienstag bekannt gab. Das ist der höchste Stand seit 25 Jahren.
[….] Beim deutschen Plattenpresswerk Optima, einem Überlebenden der digitalen Wende, wurden vor 20 Jahren noch 60 000 Platten pro Monat produziert - heute werden so viele Exemplare an einem Tag gepresst, und das auch nur, weil die Kapazitäten nicht noch mehr hergeben.
Der kanadische Schriftsteller David Sax hat vor acht Wochen ein Buch veröffentlicht, das in seiner Heimat und den USA Aufmerksamkeit erregt: "The Revenge of Analog: Real Things and Why They Matter" ("Die Rache des Analogen: Echte Dinge und warum sie wichtig sind"). Darin erklärt Sax, dass diese Entwicklung gerade bei jungen Leuten dem Bedürfnis entspringt, etwas Besonderes zu besitzen, und zwar "In Real Life", also im wahren Leben. [….]