Sonntag, 12. November 2017

Unter Wert regiert.



Angela Merkel gilt allgemein als die Königin der Gipfel, als die Frau, die sich bei nächtlichen Verhandlungsmarathons am Wohlsten fühlt, die alle anderen an Erfahrung übertrifft.
Warum auch nicht? Seit 1990 gehört sie zur Führungselite, war also schon vor 27 Jahren als Ministerin Mitglied der Regierung und seitdem ununterbrochen in Top-Führungspositionen. Oppositionsführerin, Parteichefin, Bundeskanzlerin.
Glaubt man den unendliche vielen Portraits, die seitdem über sie veröffentlicht wurden, lernte sie über das Verhandeln wie wichtig es ist eine starke Blase zu haben und mit wenig Schlaf auszukommen.
Der Legende nach ging Merkel einst nach einer harten Verhandlungsrunde ins Bett, nachdem sie dachte alles sei in ihrem Sinne geregelt.
Während sie schlief gingen dann aber andere Teilnehmer vor die Presse und drückten den Ergebnissen ihren Spin auf.
Seit dem stellt Merkel immer sicher noch als letzte wach zu sein.
Sie ist also bei Gipfeln immer da und das schon seit Jahrzehnten.
Daher sollte sie verstehen wie so etwas läuft.
Schwer vorstellbar, daß sich die Bundeskanzlerin so leicht übertölpeln lassen würde, wie der düpierte Trump vor einigen Tagen in China.
Der selbsternannte beste Dealmaker der Welt ist leider zu dumm, um Deals zu machen. Daran scheitert Trump schon auf innenpolitischerer Ebene mit dem von seiner Partei geführten Kongress. Trotz deutlicher absoluter Mehrheiten nichts zu Stande zu bekommen, ist schon eine Kunst. Da ist es selbstverständlich, daß Trump auf internationalerer Ebene nur ausgelacht wird.
Aber wie soll auch ein Typ verhandeln, der sich nur maximal eine Minute konzentrieren kann und wegen seiner berüchtigt winzigen Attention Span nicht zu briefen ist.
Man darf davon ausgehen, daß Merkel in dieser Hinsicht Trump um Meilen voraus ist. Offensichtlich kann sie sich konzentrieren und bereitet sich auch akribisch vor.

Aber nur weil man etwas sehr lange macht, heißt das nicht, daß man es kann.
Merkel versteht es zwar sich einen schlanken Fuß zu machen und nie zu riskieren nach einem gescheiterten Treffe als die Blockiererin oder Polterin dazustehen.
Aber sie liefert andererseits auch keine Ergebnisse.

Merkels Methode ist es alles Strittige auszuklammern und den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Bei den internationalen Gipfeln unter deutschem Vorsitz werden die richtig schweren Themen einfach nicht besprochen. Deswegen gab es ja auch nie eine praktikable Asyl-Übereinkunft auf EU-Ebene; daher hat man nie eine gemeinsame Position zu Russland und der Ukraine entwickelt und daher lügt man sich bis heute in die Tasche, daß kein deutsches Geld nach Griechenland fließe.
Merkel setzte nie Themen; außer beim Klima, das für sie aber offensichtlich auch nur eine völlig unverbindliche Absichtserklärung ist, der sie nie Taten folgen ließ.

Merkels ganze Unfähigkeit zeigt sich insbesondere bei allen Koalitionsverhandlungen, bei denen sie fast vollständig abwesend ist.
Bei beiden Grokos, 2005 und 2013, tauchte sie vorher ab und ließ die SPD ihre basics soweit durchdrücken, wie ihre CDU-MPs mitmachten.
2013/2014 jammerte daher die ganze CDU-Führungsebene, man arbeite einen rein sozialdemokratischen Koalitionsvertrag ab, habe keinerlei erkennbare CDU-Handschrift mehr.
Die Unionskakophonie verstummte erst, als sich abzeichnete, daß die SPD davon demoskopisch nicht profitiert.
Noch katastrophaler lief es 2009, als Merkel in den Verhandlungen ebenfalls geistig abwesend war und in Ermangelung der SPD eine programmatisch leere FDP am Tisch saß.
Der daraus resultierende Koalitionsvertrag war ein einziger Witz mit über 100 Prüfaufträgen, man plane dies und das „unter Finanzierungsvorbehalt“ zu tun, aber vielleicht auch irgendwas anderes.
Wenig überraschenderweise galt die daraus geborene schwarzgelbe Koalition von 2009 bis 2013 unter Journalisten einhellig als schlechteste deutsche Regierung seit 1949. Das Wildsau-Gurkentruppe-Chaos mit einer desinteressierten Merkel nahm seinen Lauf.

Trotz all ihrer Erfahrungen scheint Merkel beim Thema Koalitionsverhandlungen genauso wenig lernfähig wie beim Thema Bundespräsidenten zu sein. Sie kann es einfach nicht.
FDP und Grüne dominieren die Jamaika-Berichterstattung, die CSU kämpft ohnehin gegen ihren eigenen Vorsitzenden.
Nur Merkel tut so als ob sie das alles gar nichts anginge.
Ob sie überhaupt Interesse an Jamaika hat und welche Inhalte sie durchsetzen möchte, ist nach wie vor unbekannt.

Den aktuellen Umfragen zu Folge würden CDU/CSU bei Neuwahlen dementsprechend um weitere Prozentpunkte abrutschen, während alle anderen Parteien leicht zulegten.

Ich habe keine Erklärung dafür weswegen Merkel es wieder so derartig schleifen lässt und erneut riskiert eine orientierungslose Regierung ohne Aufgaben zu führen.
Entweder sie möchte genau das, weil ihr die Zukunft egal ist, oder sie kann es einfach nicht.

[….] Die Woche der Entscheidung in den Sondierungen steht an. Noch immer sind die zentralen Streitfragen ungelöst, bei den Grünen herrscht Frust über Union und FDP. [….] Union und FDP geben sich vorsichtig optimistisch. Aber sie betonen auch, dass es noch immer einen "Berg von Problemen" gebe ( Horst Seehofer), die Chancen für Jamaika stünden weiter 50 zu 50 ( Christian Lindner).
Doch vor allem bei den Grünen herrscht Frust: Fraktionschef Anton Hofreiter spricht von einer "Woche der Enttäuschung", Urgestein Jürgen Trittin stellte im "Tagesspiegel" ernüchtert fest: "Für die Grünen steht es 0:10."
[….] "Man kann dieses unwahrscheinliche Bündnis nicht in einer einzigen Nacht der langen Messer auf den Weg bringen", sagte Katrin Göring-Eckardt in der "FAS". Hofreiter warnte in den RND-Zeitungen: "Die Kanzlerin täuscht sich, sollte sie glauben, uns Grüne unter Zeitdruck überrumpeln zu können."[….]

Man staunt.
Die wirtschaftsfreundlichen Regierungen weltweit, nämlich England und China, geben ihrer Autoindustrie klare Vorgaben, ab wann Schluss mit dem Verbrennungsmotor ist. Das ist ein Win-Win-Projekt, da wegen des Klimawandels der Otto-Motor keine Zukunft haben darf und andererseits das Land, dessen Industrie sich am schnellsten auf Emissionsarmut umstellt die größten ökonomischen Vorteile hat.
Sogar Markus Söder forderte im Jahr 2007 das Ende des Verbrennungsmotors bis 2020.

[….] Per Gesetz will die CSU die Deutschen dazu zwingen, nur noch klimafreundliche Pkw zu fahren. "Ab dem Jahr 2020 dürfen nur noch Autos zugelassen werden, die über einen umweltfreundlichen Antrieb verfügen", so die Forderung von CSU-Generalsekretär Markus Söder. Von diesem Zeitpunkt an müssten herkömmliche Verbrennungsmotoren durch Wasserstoff- und Hybridtechnik abgelöst werden. "Grüne Motoren schaffen neue Arbeitsplätze", glaubt Söder. Die deutsche Autoindustrie lege beim Thema Umweltschutz aber nicht genügend Erfindergeist an den Tag, durch "ein klares Ultimatum" müsse daher der "notwendige Innovationsdruck" erzeugt werden. [….]

Die schwarzgelbe Bundesregierung hatte die verbindlichen Klimaziele bis 2020, 2030 und 2040 unterschrieben.

[….] Die Zwischenziele der EU umfassen eine verbindliche Emissionsreduktion von 20 Prozent bis 2020 und mindestens 40 Prozent bis 2030. Diese Zahlen beziehen sich auf das Jahr 1990. Im EU-Klimapaket wurde das 2020-Ziel geteilt in 21 Prozent Emissionsminderungen in den Sektoren Energie und Industrie und 10 Prozent in den übrigen Bereichen. Basisjahr dieser Ziele ist 2005. Zusammen entsprechen sie dem Reduktionsziel von 20 Prozent im Vergleich zu den Emissionen 1990. [….]
(BMUB)

Sofort nach der Unterschrift verfiel Merkel in ein tiefes Phlegma und war wegen ihrer bekannten Gipfel-Unfähigkeit nie in der Lage irgendwelche für diese Ziele erforderlichen Maßnahmen einzuleiten.
Aus falsch verstandener Unternehmerfreundlichkeit, oder vielleicht auch wegen der Parteispenden, gibt Merkel sich fast Trump-artig ignorant.
In Deutschland soll es kein Zieldatum für das Ende von Verbrennungsmotoren geben, kein Tempolimit, keine Emissionsvorgaben an die Industrie und auch kein Ende der Kohlkraftwerke.
Merkel tut nichts und verabredet nichts, obwohl längst auch die Industrie verstanden hat, daß die Umsetzung der Klimaziele nicht nur globale Notwendigkeit, sondern auch ein Wettbewerbsvorteil sind.
Aber Asien ist längst vorbei gezogen.
Deutsche Autobauer hängen beim Flottenverbrauch den Franzosen, Chinesen, Koreanern, Japanern und Italienern weit hinterher.

Was Merkel einst vor zehn Jahren als Mindestziele ausgegeben hatte, nennt sie jetzt „überambitioniert“.

[….] Kommende Woche wird Kanzlerin Merkel auf der Weltklimakonferenz in Bonn erwartet. Welche Botschaft kann sie aus den Sondierungsgesprächen mitbringen? Teile von Union und FDP nennen ihre früheren Klimaziele überambitioniert. Die Grünen und Klima-Experten widersprechen dem.

Merkel kann nicht verhandeln.