Donnerstag, 30. September 2021

Die Partei der Besserverdienenden

Eigentümlicherweise sind immer noch überproportional viele Journalisten FDP-affin und halten Lindners Liste für besonders kompetent in Wirtschaftsfragen.

Der Grund dafür ist offensichtlich, daß FDPler von sich selbst hartnäckig behaupten, ökonomische Expertise zu besitzen.

Belegt ist eher das Gegenteil. Von 1969 bis 1998 stellte die FDP ununterbrochen den Bundeswirtschaftsminister. In diesen 29 Jahren sind die Innovationen eingeschlafen, die FDP trieb den Spitzensteuersatz auf sagenhafte 56% hoch und schuf einen undurchdringlichen Dschungel aus Subventionen und Quersubventionen. Jeder, der Parteispenden an die FDP leistete, wurde irgendwann von „liberalen“ Ministern mit irgendwelchen Subventionen aus der Steuerkasse belohnt.

Von den kläglichen schwarzgelben Merkel-Jahren, als die Gurkentruppen-Minister Rainer Brüderle (2009-2011) und Philipp Rösler (2011-2013) im Wirtschaftsressort debakulierten, möchte ich höflicherweise gar nicht erst anfangen. Ich behaupte; auch glühenden FDP-Wählern wird keine segensreiche Tat der beiden Minister einfallen.

Man hätte die Frage nach dem Wirken der Fehlbesetzungen in den letzten Wochen vielleicht dem einzig noch aktiven FPD-Politiker jener Jahre, dem damaligen FDP-Generalsekretär, einem gewissen Christian Lindner, stellen sollen.  

In mehreren Post-Wahlsendungen und Artikel höre/lese ich empörte Vorwürfe an den SPD-Parteichef Walter-Borjans wegen seiner undiplomatischen Attacke auf die FDP, der er, genau wie sein Vize Kühnert, vorwarf „Voodoo-Ökonomie“ betreiben zu wollen. Liberalen-Freund Plasberg ging den stellvertretenden SPD-Parteichef Kühnert scharf an, weil er Christian Lindner „Luftikus“ genannt hatte.

1.
Ja, das ist undiplomatisch.

2.
„Luftikus“ stammt aus dem Wahlkampf und ist weit harmloser als die Bezeichnungen, die sich Kühnert aus Reihen der FDP anhören musste.

3.
Inhaltlich sind „Voodoo-Ökonomie“ oder „Luftikus“ durchaus richtig. 30 Milliarden Steuersenklungen für Superreiche, Schuldenbremse und Investitionen gleichzeitig sind unmöglich.

[…..] SPD-Vorstandsmitglied Kevin Kühnert kritisiert die FDP-Steuerpläne als nicht vereinbar mit dem Ziel stabiler Staatsfinanzen. Nach Ansicht führender Wirtschaftsforschungsinstitute hätten die Liberalen ein „ziemliches Voodoo-Programm“ vorgelegt, sagt der SPD-Linke in der ARD und fügt hinzu: „Steuern runter - auch für Superreiche. Investitionen hoch, aber gleichzeitig Schuldenabbau.“  Irgendwas davon werde am Ende nicht funktionieren. „Und wenn die FDP mitregieren möchte, dann wird sie sich, glaube ich, in den nächsten Tagen zu solchen Fragen noch mal verhalten müssen.“ [….]

(Tagesspiegel, 27.09.2021)

Lindners Liste vertritt den klassischen Trickle-Down-Ansatz: Großzügige Steuererleichterungen für die Superreichen, damit diese dann investieren und so der Wohlstand bis in die untersten Einkommensschichten durchsickert.

Es gibt ein winziges Problem an dieser immer wieder zB in GB und den USA von konservativen Regierungen versuchten Politik: Sie funktioniert nie!
Damit häufen die Neoliberalen und Rechten einen enormen Schuldenberg und gleichzeitigen Investitionsstau an. Die Vermögen der Superreichen steigen immer rasanter, während die Infrastruktur zerfällt und Arbeitsplätze deregulierterweise nach Asien und Afrika verschwinden.

Und dann müssen die demokratischen Präsidenten Clinton und Obama kommen, um den Schlamassel wieder aufräumen.

In einem der Trielle wurde Laschet bedrängt, wieso er Erbschafts- und Vermögenssteuern strikt ablehne, stattdessen aber Superreiche steuerlich entlasten wolle.

Er setzte zu einer tränenrührigen Geschichte über kleine Handwerksbetriebe an, denen durch die Vermögenssteuer die Substanz besteuert würde, so daß sie Konkurs anmelden müssten.

Das ist selbstverständlich großer Unsinn. Noch nicht mal bei Jusos oder der Linken plädiert jemand für eine Vermögenssteuer, die das Betriebsvermögen kleiner oder mittlerer Firmen abgreift.

Es wäre in einem Gesetz leicht zu regeln, daß auch superreiche Unternehmer, wie zB die Biontech-Gründer Özlem Türeci und Uğur Şahin ihr „Vermögen“ behalten sollen, wenn es in einem Unternehmen steckt und damit  viele Arbeitsplätze, sowie Staatseinnahmen (Gewerbesteuer, Mehrwertsteuer) generiert werden.

Ich denke, kein Bundestagspolitiker, auch wenn er noch so links ist, will solchen Unternehmern ihre Firmen kaputt machen.

Zum großen Ärger gerade auch der persönlich haftenden Unternehmer und Familienfirmen, werden sie bei der Diskussion über Superreiche aber in einen Topf geworfen mit parasitären Existenzen, die durch reinen Besitz (Aktien oder Immobilien) von ganz allein immer reicher werden, ohne daß sie dafür einen Finger krumm machen.

Zudem können die reichsten 0,01% das Steuersystem beliebig austricksen, um sich der Solidarität gänzlich zu entziehen.

(….)  Warren Buffett erzählte schon vor 20 Jahren, daß seine Sekretärin mehr Steuern als er bezahle.  (….) Warren Buffett zahlt weniger Steuern als seine Sekretärin Debbie Bosanek; geschätztes Jahreseinkommen: 50.000 Dollar, für die sie etwa 36 Prozent Steuern zahlt. Ihr Boss zahlt gute 14%.   Multimillionär Mitt Romney zahlte 12,9% Steuern auf seine 22 Millionen Dollar Kapitaleinkünfte.

Das ist so offensichtlich ungerecht, daß amerikanische Millionäre schon seit Jahren regelrecht darum betteln mehr Steuern zu zahlen.

[….] "Erhöht die Steuern für Millionäre". Das fordern nicht etwa linke Aktivisten, sondern 80 Vermögende aus New York. Unter anderem unterzeichneten George Soros, Steven Rockefeller und Abigail Disney den offenen Brief, der am Dienstag veröffentlicht wurde.  Das Schreiben ist an den demokratischen Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, gerichtet. Aus Sicht der Unterzeichner sollten Top-Verdiener mehr für Schulen, Straßenbau oder Programme für Arme und Obdachlose bezahlen. […..]

(Huff Po, 21.03.2017)

Andere Superreiche denken stattdessen lieber an ihr eigenes Wohl und spenden für Konservative.  Für ihr intensives Däumchendrehen und konzentriertes Chillen wuchs beispielweise das Vermögen der Susanne Klatten, geborene Quandt, im vergangenen Jahr um zwei Milliarden Euro.

Susanne Klatten gewinnt zwei Milliarden Dollar hinzu  [….] Schwer genervt ist Susanne Klatten, 54, wenn sie immer nur als die reichste Frau Deutschlands tituliert wird. "Das beschreibt den Menschen nicht, das beschreibt nur einen Status", klagte die Multimilliardärin im vergangenen Sommer in der Zeit. [….] Umso besser läuft es bei BMW. Gemeinsam sind die Geschwister - ihre Mutter Johanna ist vor zwei Jahren gestorben - Großaktionär. Die Dividende wird erneut angehoben, und die Quandt-Erben bekommen alleine etwas mehr als eine Milliarde Euro ausgeschüttet. Auch viele andere Beteiligungen laufen gut, zur Freude Klattens. Gerade wurde wieder die Liste der reichsten Menschen der Welt veröffentlicht, berechnet von dem auf die Superreichen spezialisierten US-Magazin Forbes. Für Susanne Klatten reicht es in der Hitliste auf Platz 38, ihr Vermögen wird jetzt auf 20,4 Milliarden Dollar taxiert, immerhin knapp zwei Milliarden Dollar mehr als 2016. Der jüngere Bruder Stefan Quandt liegt mit 18,3 Milliarden Dollar auf Platz 47. [….]

(Caspar Busse, SZ vom 22.03.2017)

Ich bin übrigens gar kein Linksradikaler, der Frau Klatten und Herrn Quandt alles wegnehmen will. Reichtum an sich stört mich nicht. Ich halte es durchaus für möglich, daß anständige Menschen, die sozial denken mit moralisch akzeptablen Methoden sehr reich werden.   Meinetwegen kann Frau Klatten gern Milliardärin bleiben.   Es stört mich nur, wenn Superreiche steuerlich besser gestellt werden als Normalverdiener, daß es offensichtlich möglich ist mit einem Heer von Anwälten und Steuerberatern die Abgabenlast gen Null zu drücken.  Für Einkommens-Multimillionäre sollte eine staatlich festgelegte Mindeststeuerquote gelten, von der nichts abziehbar ist. (Stichwort „Buffett-Steuer“)

Es ist darüber hinaus schon recht ekelhaft, wenn wiederholt der Eindruck entsteht, die Quandt/Klatten-Familie erhielte ihren jährlichen Geldsegen insbesondere durch ihre Finanzierung der CDU

[….] Eine Spende mit Geschmäckle: 690.000 Euro überwies die BMW-Eignerfamilie Quandt der CDU, Kanzlerin Merkel erstritt Schonung für deutsche Autokonzerne bei EU-Abgasnormen. [….] Die drei Mitglieder der Quandt-Familie haben laut der Bundestagsverwaltung der CDU am vergangenen Mittwoch insgesamt 690.000 Euro an Spenden zukommen lassen. Gemeinsam halten sie 46,7 Prozent der Anteile an BMW. Die Spenden fallen zeitlich mit einer brisanten politischen Entscheidung zusammen. Die Bundesregierung kämpft seit diesem Sommer dafür, strengere Abgasnormen für Autos in Europa später einzuführen als ursprünglich geplant. Mit Erfolg: Am Montag verhinderte die Bundesregierung bei einem Treffen der EU-Umweltminister vorläufig eine Einigung. Davon profitieren insbesondere deutsche Oberklasse-Hersteller wie BMW, aber auch Daimler, Audi oder Porsche. [….]

(Florian Diekmann, 15.10.2013)

Jedes Jahr überweist die Quandt-Sippe sechsstellige Summen an CDU und CSU und; oh Wunder; die Steuer- und Umweltschutzgesetze bleiben kontinuierlich sehr Quandt-freundlich. (….)

(Was wir uns nicht leisten können, 29.03.2017)

 […..] Der Club der Superreichen, zu dem Menschen mit einem Finanzvermögen von mehr als 100 Millionen Dollar gehören, wuchs im Krisenjahr in Deutschland um 186 Personen auf 2900. […..] Die Zahl der Dollar-Millionäre in Deutschland erhöhte sich demnach um 35.000 auf 542.000. Die BCG führt den Anstieg auch auf die Entwicklung des Eurokurses zurück, der im Vergleich zum Dollar zugelegt hat. Die Menschen haben damit – nicht nur in Deutschland – im Corona-Krisenjahr 2020 insgesamt so viel Reichtum angehäuft wie nie. […..]

1. Beate Heister und Karl Albrecht Jr.[…..]  erbten die Supermarkt-Kette Aldi Süd von ihrem Vater Karl Albrecht S.r[…..]  Sie waren bereits vor der Corona-Krise im Jahr 2019 die reichsten Menschen Deutschlands mit einem gemeinsamen Vermögen von 36,1 Mrd. US-Dollar.  Dieses Vermögen haben sie bis Mai 2021 laut „Forbes“ um mehr als drei Milliarden US-Dollar wachsen lassen. […..]

2. Dieter Schwarz (81, Lidl/Kaufland) […..] ist derjenige unter den fünf reichsten Deutschen, dessen Vermögen während der Corona-Krise am meisten gewachsen ist – von 22,6 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019 auf jetzt 36,9 Milliarden. […..]

3. Susanne Klatten (59, Hauptanteilseignerin BMW) […..] Ihr Bruder Stefan Quandt ist mit 21,6 Milliarden US-Dollar die fünftreichste Person Deutschlands. Klattens Vermögen ist laut „Forbes“ weitaus größer und beläuft sich auf 27,7 Milliarden US-Dollar. […..]

4. Klaus-Michael Kühne (83, Kühne + Nagel) […..] ist der einzige unter den fünft reichsten Deutschen, der sein Vermögen seit 2019 mehr als verdoppeln konnte, von 12,9 Milliarden US-Dollar vor der Corona-Krise auf jetzt 26,3 Milliarden. […..]

(Tagesspiegel, 10.06.2021)

Der olle Kühne hat mal eben 13,4 Milliarden Dollar in einem Jahr dazu "verdient".  Das sind 1,12 Milliarden pro Monat. Das sind 248 Millionen Dollar mehr pro Woche, oder 37 Millionen Dollar mehr PRO TAG.

Herr Schwarz nahm um 14,4 Milliarden Dollar zu.  Das sind 1,2 Milliarden pro Monat. Das sind 275 Millionen Dollar mehr pro Woche, oder 39 Millionen Dollar mehr PRO TAG.

Menschen mit lumpigen 20 oder 30 Milliarden Euro Privatvermögen darf man natürlich nicht mit ketzerischen Gedanken wie MINDESTSSTEUER oder VERMÖGENSSTEUER erschrecken.

Über Einkommenssteuer und Erbschaftssteuer lachen die Herrschaften dieser Größenordnung ohnehin sehr herzlich. Diese Steuern werden nur von der Mittelschicht bezahlt, die ein Haus oder drei vermietete Ferienwohnungen vererben. Wer aber Milliarden sein Eigen nennt, entzieht sich diesen Steuerpflichten durch Doppelstiftungsmodelle, Scheinfirmen in Steueroasen und findige Steuerberater.

Dennoch achten Katten und Co darauf, daß sie auch weiterhin genügend Millionen an die INSM spenden, um zu verhindern, daß der Urnenpöbel auf dumme Ideen am 26.09.2021 kommt. (….)
(Über das Wahlvolk kann ich mich nur wundern, 14.06.2021)

Firmenerben, die keine Lust haben, wie die fünf Generationen vor ihnen, jeden Tag das Geschäft zu leiten, statt dessen alles an den nächstbesten chinesischen Investor verticken und von den erlösten Millionen Yachten und Strandvillen kaufen, dürfen nicht noch mehr entlastet werden-

Ein 90-Jähriger Seniorchef einer uralten Hamburger Handelsfirma sagte mir mal vor Jahren wutentbrannt, für solche Firmenerben sollte eine Erbschaftssteuer von 99% gelten.

Mit Trickle-Down à la FDP werden deutsche Milliardäre, die ohnehin kontinuierlich durch Ausschlafen, Däumchendrehen und Jetsetten reicher werden, schneller noch reicher, ohne daß davon irgendein gesellschaftlicher Nutzen entsteht.

[…..] Die Vermögen der reichsten Deutschen wachsen trotz Corona

Sie sind wieder ganz vorn: Mit einem geschätzten Vermögen von 34,2 Milliarden Euro sind Susanne Klatten und Stefan Quandt die reichsten Menschen in Deutschland. Das ergibt die neueste Schätzung des manager magazins. Die Geschwister und Großaktionäre des Autokonzerns BMW haben damit nach drei Jahren die Familie Reimann wieder von der Spitzenposition in der Liste der reichsten Deutschen verdrängt. Dem Magazin zufolge sind die Großvermögen in Deutschland in den vergangenen zwölf Monaten trotz der Coronakrise so stark gestiegen wie noch nie seit 2001, als die Rangliste erstmals erstellt worden war. Seit 2020 legten die Buchvermögen der Top 100 insgesamt um 116 Milliarden Euro auf 722 Milliarden Euro zu – in absoluten Zahlen ist das ein neuer Rekord. Den Schätzungen zufolge gibt es inzwischen 213 Milliardäre in Deutschland – 24 mehr als im vergangenen Jahr. Auch das ist ein Rekord. Die Zahl umfasst dabei Individuen ebenso wie Großfamilien, die ein entsprechendes Vermögen gemeinsam besitzen. Hinter den BMW-Erben Klatten und Quandt folgt auf Platz zwei in der Rangliste der Lidl-Gründer Dieter Schwarz mit einem Vermögen von 33,5 Milliarden Euro. Der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne belegt mit 33 Milliarden Euro den dritten Rang.  [….]

(SPON, 30.09.2021)

Kühnert und Walter-Borjans haben völlig Recht; es ist „Voodoo-Ökonomie“, wenn man in einem Land mit massiven Investitionsstau, dem lahmsten Internet Europas und bröckelnden Infrastruktur, wie Herr Lindner und Herr Laschet darauf setzt, den Superreichen einfach noch mehr Geld zu geben. Dann würden die sich schon irgendwie von allein darum kümmern Handymasten in der Oberlausitz aufzustellen und tolle neue Technologien zum Klimaschutz zu erfinden.

116 Milliarden, das sind 116.000 Millionen Euro bekamen allein innerhalb der letzten 12 Monaten die 100 reichsten Deutschen in ihre Geldspeicher geschoben.

BMW hat aber ganz offensichtlich nicht Lindners grandiosen Klima-Motor erfunden, sondern setzt nach wie vor auf CO2-pestende schwere Verbrenner-Limousinen. Wir brauchen in Deutschland ganz sicher keinen FDP-Finanzminister und keine FDP-Steuersenkungen.

Bedauerlicherweise braucht es aber FDP-Stimmen zur nächsten Kanzlerwahl.