Berlin kennen wir alle.
Das ist die Stadt ohne Kaufkraft und ohne industrielles Rückgrat, die sich mit über drei Milliarden jährlich mit großem Abstand von allen Bundesländern das meiste Geld aus dem Länderfinanzausgleich abgreift und sich dafür zwei Zoos und drei Opernhäuser leistet.
Das ist die Stadt ohne Kaufkraft und ohne industrielles Rückgrat, die sich mit über drei Milliarden jährlich mit großem Abstand von allen Bundesländern das meiste Geld aus dem Länderfinanzausgleich abgreift und sich dafür zwei Zoos und drei Opernhäuser leistet.
Das ist schon eine Menge
Transfergeld, das bei den Berlinern ankommt.
In den letzten zehn Jahren
(1999-2008) erhielt Berlin im Durchschnitt 2.952 Millionen Euro pro Jahr,
während Hamburg im selben Zeitraum durchschnittlich 468 Millionen Euro jährlich
einzahlte.
Berlin bezieht als eins
von 16 Bundesländern allein 38% der Gesamtmittel aus dem Länderfinanzausgleich,
während das halb so große Hamburg allein 30% der Einzahlungen aufbrachte (Zahlen des Bundesfinanzministeriums von 2008).
Diese Zahlen allein würden
mich nicht an die Seite Bayern bringen.
Die CSU’ler, als derzeit größte
Einzahler machen in Populismus (2013 ist Landtagswahl in Bayern!) und klagen
gegen den Bundesfinanzausgleich.
Eine unsolidarische und
geschichtsvergessene Maßnahme.
Denn von 1950 bis 1986 hatte Bayern
ununterbrochen vom Länderfinanzausgleich profitziert.
Fast 40 Jahre war Bayern
Nehmerland. Erstmals 1989 zahlte Bayern mickrige 33 Millionen ein.
Hamburg andererseits hatte
schon seit 1950 ununterbrochen zu den Geberländern gehört und jedes Jahr einen
dreistelligen Millionenbetrag an die ärmeren Bundesländer überwiesen.
Geld, welches ins Bayern
dazu benutzt wurde Infrastruktur aufzubauen, von der die CSU jetzt profitiert.
Bundesländer lassen sich
genauso wenig vergleichen wie Äpfel und Birnen.
Am ehesten kann man noch
Stadtstaaten untereinander und Flächenstaaten untereinander vergleichen.
Städte
haben viel höhere Sozialleistungen zu erbringen und leiden unter dem enormen
Nachteil, daß viele Pendler bei ihnen arbeiten, von ihrer Infrastruktur und
ihren Unis profitieren, aber ihre Steuern im Nachbarbundesland bezahlen.
Das
ist ein Hauptgrund für die ständige Finanznot in Berlin und Bremen.
Daß Hamburg
dennoch immer zu den Geberländern gehörte, spricht für die außergewöhnliche
Wirtschaftskraft der Hansestadt.
In Wahlkämpfen loben
Politiker deswegen die Tüchtigkeit und das kaufmännische Geschick der
Hamburger. Aber zu Hamburgs Wirtschaftskraft gehört natürlich auch eine große
Portion Glück. Berlin war nun einmal bis 1989 komplett vom Umland isoliert,
konnte keine Käufer aus dem Speckgürtel anziehen. Und Berlin hat anders als
Hamburg auch keine Verbindung zum offenen Meer mit einem gigantischen
Tiefwasserhafen, der quasi automatisch hunderttausende Jobs generiert.
Überhaupt lassen sich die
Bedingungen der Ost- und Westländer keineswegs vergleichen.
Einige Länder haben
es schwerer, andere leichter.
Gegenden, die von traditionellen
Industrien wie Schiffsbau oder Textilverarbeitung geprägt sind, oder
Kohlereviere haben kaum eine Chance mit diesen
Wirtschaftszweigen weiter zu existieren.
Hamburg als Handelsstadt
hat da zufälligerweise die besseren Karten, da gerade die Globalisierung,
welche so viele Arbeitsplätze nach Asien verschwinden läßt, für einen Boom bei
Logistik und Handel sorgt.
Es sollte eine
Selbstverständlichkeit sein, daß Stärkere den Schwächeren helfen.
Unabhängig davon, ob man
wie Bayern selbst 40 Jahre die Hand aufgehalten hat, oder ob man wie Hamburg
immer gegeben hat.
Dennoch bleiben zwei
Argumente, die auch bei mir Zweifel am derzeitigen Länderfinanzausgleich
wecken. Ein Ökonomisches und ein Emotionales.
1.)
Wie schlecht geht es
eigentlich den Nehmerländern noch?
Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) kritisierte: "Der Finanzausgleich in seiner jetzigen Form bestraft solide Finanz- und Haushaltspolitik." […] Zuvor war eine Übersicht des Bundesfinanzministeriums zu den Haushalten der Bundesländer bekanntgeworden. Danach schreiben die Nehmerländer Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Berlin in den ersten neun Monaten 2012 schwarze Zahlen, während die Geberländer Hessen, Baden-Württemberg und Hamburg im Minus sind. […] Die Hälfte der Länder erwirtschaftete sogar einen Überschuss. Am besten ist die Finanzlage in Sachsen, am schlechtesten in Nordrhein-Westfalen.(SZ 01.11.12)
Daß Länder mit einem Minus
an die Länder, die finanziell gut dastehen zahlen, wirkt in der Tat etwas
eigenartig.
2.)
Berliner sind undankbar.
Wowereits genialer Slogan „arm,
aber sexy“ hat das bewirkt was er sollte: Touristen anziehen. Und Touristen
bringen Geld, finanzieren den Berliner Sozial-Haushalt, schaffen Jobs in Gastronomie,
den Museen, den Theatern, …, und Hotelgewerbe.
Überall auf der Welt gibt
es strukturarme Gegenden, die vom Fremdenverkehr leben, weil sie zufällig
sonnig sind, über alte Kulturstätten verfügen oder einen schönen Strand bieten.
Der Tourismus ist der
große Wirtschaftsfaktor Berlins geworden.
Stolz verkündet Berlins
Touristikportal „visitberlin“ monatlich die neuesten Zahlen.
Fast zehn Millionen
Touristen besuchten im Jahr 2011 Berlin. Mit sage und schreibe 22 Millionen Übernachtungen dürften Sightseeingtouren, Hotels, Taxiunternehmer und Souvenirhändler
richtig gut verdient haben.
Die jüngsten Zahlen
stammen aus dem Monat September 2012, der Berlin 1.011.342 Touristen brachte, die 2.333.920 Übernachtungen buchten.
Das gefällt aber den
chronisch klammen Hauptstädtern mit ihrem absoluten Rekordanteil von 16% Hartz-IV-Empfängern
nicht. (Rund 450.000 „arbeitsfähige Hartz-IV-Empfänger“ leben in Berlin.)
Sogar der RBB beklagt im
selben Satz, der die Geldströme beziffert, schon die vielen Fremden.
Zum einen bringen die Touristen 9 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr nach Berlin und schaffen damit auch 230.000 Arbeitsplätze, zu anderen gibt es aber auch viele Anwohner, die sich mehr als gestört durch die touristischen Tag- und Nachtschwärmer und Partygänger fühlen, weil sie viel Unruhe und somit auch Lärm rund um die Uhr in die Wohngebiete bringen.
Touristen werden immer
öfter mit „BERLIN DOESN’T LOVE YOU“- Logos und Aufklebern empfangen.
So ein Logo war in der
Karambolage-Sendung vom 11.11.2012 Gegenstand des Rätsels der Woche.
Die Zuschauer sollten
anhand einer 30-Sekündigen Straßenszene erraten, ob das Filmchen in Frankreich
oder Deutschland gedreht wurde [watch 9.40-10.40].
Die Auflösung [watch 9.43-10.10]
erfolgte in Artes Karambolage-Ausgabe vom 18.11.12, als erklärt wurde, daß immer
mehr „Berlin doesn’t love you“-Aufkleber an den Türen von Berliner Kneipen und
Cafés bedeuteten
„TOURISTEN IN DIESEM LOKAL UNERWÜNSCHT“
Diesen Hinweis sehe man nun immer öfter in der Hauptstadt.
"Touristen anzünden"Der neue Feind in einigen Stadtvierteln Berlins ist der Tourist. […]"No more Rollkoffer" kann man dort an Hauswänden lesen, gefolgt von "Touristen anzünden" oder "Touristen fisten". […]In Berlin [läßt sich] seit Längerem eine merkwürdige Infantilisierung dieser Debatte beobachten.Da geht es um ein Zuviel an Kinderwagen und Bioläden. Es geht um falsche Bars und Milchschaumdichte im Kaffee. Es geht um Hostels und Ferienwohnungen und Schwaben und Zugezogene. Und es geht um das Rollkofferrattern, das nicht mehr als kosmopolitisches Hintergrundgeräusch gedeutet wird, sondern als Fanal des Untergangs.[…] Es ist eine amorphe Wutmasse, die gegen den Zuzug oder nur die Anwesenheit gewisser Anderer protestiert. […]Plötzlich wird nicht nur über Erbrochenes im Hauseingang geklagt, sondern es ist wichtig, wem es gehört: Beim deutschen, autochthonen Säufer wird das unter schützenswertem Lokalkolorit verbucht, während der spanische Erasmusstudent doch bitte da kotzen möge, wo er herkommt.Diese nach außen gerichtete, provinzielle Aggression, das Abschotten, das Zumauern, das Wir-bleiben-lieber-unter-uns zählt zu den scheußlichsten Formen deutscher Frustrationsbewältigung.
Zeit für meine erste
NS-Anspielung in diesem Blog.
Ist es passend für die einstige Hauptstadt
Hitlers, in der überall „Juden nicht erwünscht“-Plakate und Schilder hingen,
nun eine „Touristen unerwünscht“-Kampagne zu starten?
(Das war eine rhetorische
Frage)
Und genau jetzt werde ich
innerlich das erste mal zum Bayern und denke mir auch
„dann dreht den Typen doch den Geldhahn ab! Wenn die uns nicht wollen, dann können sie ja auch auf unser Geld verzichten!“
(Pauschalisierungs-Modus
off)
Manche sehen das anders. Noch werden Aufkleber wie "Berlin doesn’t love you" von den meisten Berlin-Besuchern mit Humor genommen. Aber ein Image-Verlust stünde der Stadt vermutlich nicht gut zu Gesicht.
Too late, liebe Berliner.
Ich finde es gar nicht witzig.
Witze, die vermutlich weniger witzig, als ernst
gemeint sind, brauche ich nicht.
Und schon gar nicht von
den Typen, die vom Geld der Fremden leben.