Samstag, 3. September 2016

Ent-erdet.



Am Vorabend der Wahl in Meck-Pomm und des erwarteten AfD-Rekordergebnisses haben die Satiriker wieder Hochkultur.
Was ist los mit den Leute da? Wir wissen, daß Antisemitismus in völliger Abwesenheit von Juden blüht und so scheint es auch mit den latent eingekoteten Deutschen aus dem Nordosten zu sein: Da wo es die wenigsten Ausländer gibt, fürchtet man sich am meisten vor ihnen.


Politmagazine versuchen es mit Aufklärung, entlarven die Thesen von AfNPD als pure Lügen, aber offensichtlich werden die Rechten nur immer stärker.
Kein Politiker in Deutschland lügt so viel im Fernsehen wie Frauke Petry – das ist nachgewiesen – aber die Popularität ihrer Partei steigt immer weiter.
AfNPDler fürchten sich in einem Bundesland, in dem mit Abstand die meiste politische Gewalt von rechts ausgeht vor denen, die am wenigstens gewalttätig sind und wählen diejenigen, die am meisten Gewalt schüren.


Aus Verzweiflung über dieses hartnäckige Verweigern der Realität, bleibt einem einigermaßen politisch geerdeten Menschen nur noch Zynismus.
Sollte man angesichts des Wahlverhaltens der Menschen in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalts und MeckPomms nicht auch in Ostdeutschland über die Einführung einer Schulpflicht nachdenken – so lauteten schon nach den Wahlen vom 13.03.2016 Twitter-Kommentare. Offensichtlich sind die Bewohner der Ex-DDR nicht sie schlauesten Füchse, weil die intelligentesten zwei Millionen von ihnen längst im Westen leben. (DDR = Der Doofe Rest)



Solche Sprüche tun gut, während man sie sagt.
Aber zehn Sekunden später steigen die AfNPD-Umfragewerte schon wieder an.
Niemand hört sich gern pauschale Verunglimpfungen seiner Heimat an, die meisten fühlen sich persönlich beleidigt.
(Noch so etwas, das ich nicht nachvollziehen kann. Mich beleidigt es kein bißchen persönlich, wenn jemand „die Amis“ oder „die Deutschen“ als unterbelichtet bezeichnet.)

Unverständlich scheint mir auch das was man beinahe täglich in amerikanischen Panels über den Präsidentschaftswahlkampf hört: There is nearly nothing was Trump sagen könnte, um seine Anhänger zu verschrecken.
Immer und immer wieder wird factgecheckt, daß niemand so konsequent und willkürlich lügt wie Donald Trump. Fast 90% seiner politischen Kernaussagen sind schlicht nicht wahr, während Hillary Clinton beste Noten von Factcheckern bekommt.
Natürlich misstrauen Trump-Wähler allen Quellen.
Also ist man dazu übergegangen Trump Trump widersprechen zu lassen.

Menschen, die solche Analysen betreiben, also Trumps und Petrys Aussagen auf Widersprüche und Wahrheitsgehalt abklopfen, gehen aber ebenfalls von einer einigermaßen im Faktischen geerdeten Wählerschaft aus.
Es wird fälschlicherweise vorausgesetzt, daß ein Wähler, der erkennt wie sein Kandidat lügt und sich selbst widerspricht davon abließe diesen weiterhin zu unterstützen.
Das ist aber in der heutigen Welt der sozialen Medien nicht mehr so.
Wir leben im Post-Truth-Zeitalter, in dem sich Trump-Supporter wie CNN-Dauergast Jeffery Lord an CNN wenden und verlangen bei den Debatten keine Factchecker zuzulassen, weil das einseitig ihren Kandidaten benachteilige.

During an interview on CNN, Jeffery Lord, apparently unaware that the “news” in “Cable News Network” is supposed to be factually correct, had this to say after host Brian Stelter commented that Trump has been consistently torn apart by fact checkers:

    I honestly don’t think this ‘fact-checking’ business … is anything more than one more out of touch, elitist media-type thing,” Lord said. “I don’t think people out here in America care. What they care about are what the candidates say.

Did you catch that? Fact-checking is “out of touch” and “elite” and Americans don’t care about any of that truth and honesty stuff. [….]

Verdammte liberal media, die es unsinnigerweise wagen Lügen Lügen zu nennen.
Man ergibt sich seinem Hass und konzentriert sein eigenes Leben so sehr auf seine spezielle Informations-Inzestblase, daß man Fanatismus, Alarmismus und Irrationalität für die einzige Realität hält. Man ent-erdet sich von der Realität; schwebt im Raum der Bösartigkeiten und Gerüchte.
AfNPD-Fans in MeckPomm und Trumpianer sind diesbezüglich gleich.
Sie sind rationalen Argumenten nicht mehr zugänglich.

[….] Wenn der Republikaner vor Wahlbetrug warnt und Muslime mit Schlangen vergleicht, feiern ihn Tausende.
[….] Ginge es nach John Schambach, dann hätte Trump auf die Kritik der Soldaten-Eltern Khan mit einer höflichen Floskel reagiert, anstatt die muslimische Mutter zu attackieren. "Er kann bei Attacken einfach nicht ruhig bleiben", sagt er. Mitunter - Stichwort "Obama ist der Gründer des IS" - übertreibe es Polit-Neuling Trump mit der Zuspitzung, seufzt Schambach. Bevor sie in den Schulbus klettert, sagt seine Frau, die würden Kontroversen von den liberalen, korrupten Journalisten aufgebauscht: "Sie verdrehen mit Absicht die Tatsachen, weil sie vom System profitieren und ihre Jobs davon abhängen. Sie fürchten Trump."
Die Attacken gegen die "unehrlichen Medien" gehören zum Standardprogramm eines Trump-Auftritts. Am Freitag hatte der Republikaner Journalisten in Erie als "niedrigste Lebensform" bezeichnet und auch in Altoona spottet der Republikaner wiederholt über die "dummen" Reporter, die seinen "Sarkasmus" nicht verstehen. Die 2000 Besucher drehen sich dann zum Pressebereich um und buhen alle laut.
[….] [Es gibt] glühende Trump-Fans, deren Treue wirklich unzerstörbar scheint und jede Aussage als Kampfansage ans "politisch korrekte" System verstehen. Doch es ist die Angst vor einer Präsidentin Clinton, die Kandidatin der Demokraten, wegen der weiterhin Millionen Konservative für Trump stimmen werden. [….]