Dienstag, 11. Februar 2020

Rechtsextrem gewinnt

Während in der deutschen Gesellschaft das Immunsystem noch so gut funktioniert, daß es nach der Erfurter Kumpanei mit Nazis deutliche Proteste gibt, gibt es leider immer noch genügend Polit-Boulevard, der sich von den Rechtsextremen devot vorführen lässt.
Je brutaler, verlogener und abartiger sich die Faschisten benehmen, desto ungenierter halten die TV-Kameras und Korrespondenten-Mikrophone drauf.
Dieses Generalversagen der amerikanischen Sender, die Donald Trump in den Jahren 2015 und 2016 kostenlose Werbezeit im Gegenwert von bis zu vier Milliarden Dollar schenkten, indem sie sofort ausführlich live übertrugen, sobald er seine Lügentiraden begann, beförderten ihn ins Oval Office.
Nachdem er nun einmal US-Präsident ist, müssen die Newssender über ihn berichten, aber die anderthalb Jahre des Wahlkampfes hätten CNN und Co ihn auch unaufgeregt wie jeden der anderen 17 Bewerber analysieren könnten, statt ihn stets zur Weltsensation aufzubauen.
Möglicherweise wären dann Hillary Clinton #45 und die Welt ein wesentlich besserer Platz.

So brachten auch Lanz, Will, Plasberg und Maischberger die AfD-Faschisten in die Parlamente. Sie bespielten weit überdurchschnittlich oft deren Themen und sobald einer der rechtslastigen Großsprecher irgendetwas ungeheuerlich Skandalöses sagte, kam ein Anruf aus einer ARD- oder ZDF-Talkshowredaktion, um dem Nazi den Roten Teppich auszurollen.

Selbst wenn andere Gäste das Spiel nicht mehr mitmachen wollen und sich weigern Werbezeit für völkische Hetzer zu produzieren, lassen die Talkshowredaktionen nicht von ihrem brown-washing ab.
Am 27.01.2020 lud „Talk im Hangar“ Thilo Sarrazin ein. Immerhin einige andere Gäste reagierten sensibel.

 […..] „Ich habe nicht erwartet, dass ich am Holocaust-Gedenktag zu einer Talk-Show mit Thilo Sarrazin eingeladen werde. (...) Thilo Sarrazin ist für mich nicht besser als ein radikaler Islamist, Erdogan-Anhänger oder ein Grauer Wolf“[….]

Der großartige ehemalige SPIEGEL-Redakteur Hasnain Kazim, der ebenfalls eingeladen war drückte es auf Facebook sehr höflich aus.

[….] Mich hat heute eine Talkshow eingeladen, um mit Thilo Sarrazin über "Diskussion über Debattenkultur: Ausgrenzen und Abwerten: Wie gehen wir mit anderen Meinungen um?" zu diskutieren.

Meine Antwort:
Lieber Herr L.,
danke für Ihre Anfrage. Es freut mich, dass Sie grundsätzlich Interesse an meiner Arbeit und auch an meinen Standpunkten zum Thema Debattenkultur haben. Einer davon ist, dass nicht jede "Meinung" eine Meinung ist. Und auch, dass man nicht jedem Bullshit, jedem Rassismus, jeder Menschenverachtung, die im Deckmantel einer "Meinung" daherkommt, eine Bühne bieten sollte. Man bietet "Identitären" für ihre neonazistischen Ansichten keine Plattform. Man gibt Rechtsextremisten keine Redezeit. Und man lädt auch nicht Thilo Sarrazin in eine Talkshow ein.
Daher muss ich Ihnen leider absagen.
Gerne ein anderes Mal, wenn Sie Menschen einladen, die von mir aus gänzlich gegensätzliche Ansichten zu diesem Thema haben - aber anständig sollten diese Menschen allesamt sein. Herr Sarrazin ist es nicht.
Viele Grüße
Hasnain Kazim [….]

[….] Ich finde, gerade in Österreich sollte man gelernt haben, wie man medial mit Rechtsextremisten umgeht. Nämlich dass man ihnen keine Bühne bietet, dass man ihren Müll nicht uneingeordnet einfach für sich stehen lässt, dass man sie nicht hofiert, sondern ächtet. Dass man nicht einen Jörg Haider ständig auf den Titel hievt, nur weil das die verkaufte Auflage um zehn Prozent steigert. Wenn man so etwas tut, darf man sich nicht wundern, dass Menschenverachtung und Hass zum Mainstream werden.[….]
Das viele Verständnis für die Ängste der Wutbürger mit dem Smallpenis-Syndrom, hat die AfD deutlich radikalisiert; sie viel stärker und viel gefährlicher gemacht; sie zu einem Katalysator für gewalttätige, rechtsextreme Übergriffe gemacht.

[….] Anne Will eingeschaltet. Nazi-Tante Weidel auf dem Sofa hocken gesehen. Anne Will wieder ausgeschaltet. #WirRedenNichtMitNazis [….]

Die Talkshow ging, wie üblich, schief.
Wie sollte es anders sein? Anne Will ist eine desinteressierte und unfähige Gesprächsleiterin, die keineswegs in der Lage ist wie einst Friedrich Küppersbusch, Roger Willemsen, Lea Rosh oder Juliane Bartel ihr Gäste notfalls auf brutal mit Fakten und Ermahnungen einzunorden.

[….]  "Anne Will" zu Thüringen: Ein Trauerspiel, ein Grinsen
Der "Wahl-Eklat" von Erfurt setzt sich bei "Anne Will" fort: Während sich die allermeisten Gäste in der Runde gegenseitig angehen, amüsiert sich eine verhaltensauffällige Alice Weidel prächtig. [….]

Wie immer, wenn sich Lanz, Will und Co Nazis einladen, triumphieren anschließend selbstzufrieden die Nazis, weil sie mit Häme und Lügen jeden Diskurs zerstören und sich daran aufgeilen wie alle anderen sich empören.


Einer der schlimmsten rechtsextremen Hetzer und Verschwörungstheoretiker, der Pipi-Blogger Berger bejubelte denn auch erwartungsgemäß den Auftritt der Hetzerin.

[….] “Anne Will“: Alice Weidel gewann „Eine gegen Fünf“ deutlich überlegen
 „Anne Will“ wartete gestern Abend siegessicher mit der bewährten Zusammensetzung eines Staatsfunktalks („Alle gegen eine(n)“) auf. Und musste sehr rasch einsehen, dass auch eine gegen fünf gewinnen kann. Zumal dann, wenn die fünf weder Argumente haben, noch sonderlich gut bei der Verteilung der Intelligenz bedacht wurden.
Wer gestern „Alice Weidel gegen 5“ verpasst hat, der kann das hier noch einmal nachsehen… [….]
(David Berger, 10.02.2020)

Will, Lanz und Co agieren ohne Scham- und Verantwortungsgefühl, wenn sie AfDler einladen. Eine Partei, deren Spitzenvertreter sich wie folgt äußern:

[….] „Wir denken nicht in Parteiideologien. Wir denken völkisch.”
Emil Sänze, AfD-MdL in Baden-Württemberg,
[….] „Sie haben uns den Krieg erklärt. Wir werden sie töten müssen.”
Gunnar Witzmann, Bundestagskandidat für die AfD [….]
„Was die Partei jetzt bräuchte, ist ein Anschlag, Anis Amri 2. So was darf man sich natürlich nicht wünschen.”
André Barth, Direktkandidat der AfD [….]
„Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.”
Alexander Gauland
[….] „Wir müssen die Grenzen dichtmachen und dann die grausamen Bilder aushalten. Wir können uns nicht von Kinderaugen erpressen lassen.”
Alexander Gauland
[….] „Ich will, dass Magdeburg und dass Deutschland nicht nur eine tausendjährige Vergangenheit haben. Ich will, dass sie noch eine tausendjährige Zukunft haben, und ich weiß, ihr wollt das auch.”
[….] „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.”
[….] „Und diese dämliche Bewältigungspolitik, die lähmt uns heute noch viel mehr als zu Franz Josef Strauß‘ Zeiten. Wir brauchen nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad.”
Björn Höcke
[….] „Die Merkelnutte jedoch lässt jeden rein, sie schafft das. Dumm nur, dass es UNSER Volkskörper ist, der hier gewaltsam penetriert wird.”
Peter Boehringer MdB und Vorsitzender des Haushaltsausschusses,
[….] „Dem kleinen Halbneger scheint einfach zu wenig Beachtung geschenkt worden zu sein, anders lässt sich sein Verhalten nicht erklären.”
Jens Maier (MdB) über Boris Beckers Sohn Noah Becker,
[….] „Ich möchte wissen, wenn mich in der Nachbarschaft ein Neger anküsst oder anhustet, dann muss ich wissen, ist er krank oder ist er nicht krank.”
Andreas Winhart, Mitglied der AfD-Fraktion [….]
„Ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millionen Tote. Frauen, Kinder. Mir egal. Hauptsache es geht los … Tote, Verkrüppelte. Es wäre so schön. Ich will auf Leichen pissen und auf Gräbern tanzen. SIEG HEIL!”
Marcel Grauf, Mitarbeiter der baden-württembergischen AfD-Landtagsabgeordneten Heiner Merz und Christina Baum[….]
„Brennende Flüchtlingsheime sind kein Akt der Aggression, sondern eine Akt der Verzweiflung gegen Beschlüsse von oben.”
Sandro Hersel [….] Abgeordneter im Landtag Mecklenburg Vorpommerns,
[….] „Wie der Islam der äußere Feind, so waren die talmudischen Ghetto-Juden der innere Feind des christlichen Abendlandes.”
Wolfgang Gedeon Abgeordneter im Landtag von Baden-Württemberg,
[….] „Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteienfilz ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht – denn wir sind das Volk, liebe Freunde.”
Markus Frohnmeier MdB und Sprecher Alice Weidels,
[….] „Da muss man einfach ausrasten und erstmal das ganze rotgrüne Geschmeiß aufs Schafott schicken. Und dann das Fallbeil hoch und runter, dass die Schwarte kracht!”
Holger Arppe Ex-AfD und ehemaliger stellv. Fraktionsvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern, [….]
„Diese Kameltreiber sollen sich dahin scheren, wo sie hingehören, nämlich weit hinter den Bosporus, in ihre Lehmhütten.”
[….] „Linksextreme Lumpen sollen und müssen von deutschen Hochschulen verbannt und statt einem Studiumsplatz lieber praktischer Arbeit zugeführt werden. (…) Nehmen Sie die linksextreme Bedrohung ernst und beteiligen Sie sich an allen möglichen Maßnahmen, um diese Wucherung am deutschen Volkskörper endgültig loszuwerden.”
André Poggenburg Ehemaliger Landesvorsitzender der AfD und der AfD-Landtagsfraktion von Sachsen-Anhalt [….]

Natürlich müssen solche Themen, Parteien und Personen Gegenstand der Berichterstattung sein.
Aber man gibt ihnen keine Plattform. Man fungiert nicht als ihr Multiplikator. Man trägt nicht dazu bei sie einem größeren Millionenpublikum ungefiltert zu präsentieren.
Man setzt nicht werbewirksam ihre Fratzen auf Titelbilder, damit sie von immer mehr Menschen eingeprägt werden.


Premierministerin Ardern gab vor wie es geht.

Jacinda Ardern, die (wie Jens Stoltenberg nach dem Massaker von Utøya) im März 2019 mit Kopftuch bei den Angehörigen des schweren Terroranschlages von Christchurch erschien, produzierte weltweit ikonographische Bilder.
Sie machte alles goldrichtig, verließ ihre Rolle als Regierungschefin und erschien als Freundin, als Trösterin, als eine von den um die 50 Toten Trauernde.
 [….]
Im Gegensatz zur debakulierenden AKK ist Ardern auch ein absolutes Naturtalent, die nicht nur in der Situation brillierte, sondern auch in der Folgezeit optimal agierte. Sie erklärte hart, daß sie den Namen des Attentäters niemals aussprechend werde, initiierte ein gewaltiges Waffenrückgabeprogramm in Neuseeland und vermochte es tatsächlich das multikulturelle Land mehr denn je zu einen. (….)

 Sebastian Kurz ist Bundeskanzler und somit genau wie sein Fan Donald Trump – beide kuscheln mit Rechtsradikalen – selbstverständlich Gegenstand der Berichterstattung.

Deswegen muss aber nicht die Februar-Ausgabe des G&J-Blattes VIEW eine unkritische Bilder-Lovestory über Kurz als Titelgeschichte verbreiten, ohne zu erwähnen, daß Kurz einen stark xenophoben Wahlkampf machte und mit der rechtsextremen FPÖ koalierte, dessen Innenminister Kickl davon phantasierte Asylanten „in Lagern zu konzentrieren.“