In einer
kleinen Stadt an der ostfriesischen Küste gibt es ein sagenhaft gut sortiertes
Wollgeschäft, welches seit Jahrzehnten von einer Spanierin geführt wird.
In der
Gegend gibt es eine riesengroße iberische Gemeinde, da die Fischfabriken in und
um Cuxhaven fast nur spanische und portugiesische Arbeiter beschäftigen. (Einer
dieser Jobs, für die sich Deutsche zu fein sind.)
Man eröffnet nicht unbedingt in der niedersächsischen Provinz einen Wollladen, wenn man plant irgendwann Multimilliardär zu werden und die Weltherrschaft zu übernehmen.
Man eröffnet nicht unbedingt in der niedersächsischen Provinz einen Wollladen, wenn man plant irgendwann Multimilliardär zu werden und die Weltherrschaft zu übernehmen.
Häkeln
und Stricken ist aber kontemplativ. Auch wenn man nicht reich wird, hat man vielleicht
mit so einem Laden sein finanzielles Auskommen und führt ein zufriedenes Leben.
Seit
einigen Jahren ist Stricken wieder extrem in Mode gekommen.
Man
strickt nun nicht mehr, weil gekaufte Pullover zu teuer sind, sondern
betrachtet es als reine Entspannungsmethode. In der hektischen Smombi-Welt ist
das der Megatrend: Offline sein und dann irgendetwas mit den Händen machen:
Ausmalbücher kolorieren, Handarbeiten oder Sudokus lösen.
Wie schön für die Spanierin; auf ihre alten Tage kommt noch mal eine ordentliche Belebung ins Geschäft.
Wie schön für die Spanierin; auf ihre alten Tage kommt noch mal eine ordentliche Belebung ins Geschäft.
Dachte
ich zumindest.
In
Wahrheit verliert sie so massiv Kunden, daß der Laden bald schließen muß.
Dabei
ist die Bude immer voll; weil jeder weiß wie gut sie sich mit Strickmustern und
komplizierten Häkelabläufen auskennt.
Die
Leute kommen mehr denn je zu ihr und fragen sie um Rat. Nur kaufen sie nichts
mehr, weil sie erstaunlicherweise zufällig
alle gerade größere Mengen Wolle von jemand geschenkt bekommen haben.
In
Hamburg gab es diesen Effekt schon vor vielen Jahren.
Als es
in der Stadt noch diverse Elektronik-Fachgeschäfte gab, erzählte mir mein
Friseur eines Tages voller Stolz; er sei über eine Stunde bei Brinkmann gewesen,
um sich ausführlich über Waschmaschinen beraten zu lassen und dann sei er
rausgegangen und habe das Wunschobjekt im Internet bestellt; da habe es viel weniger
gekostet. Mir schoss die Zornesröte ins Gesicht.
Die
Ernst Brinkmann KG meldete 2001 Insolvenz an.
Selbstverständlich
sind diese vielen kleinen Geschäfte, die Service und Beratung boten inzwischen
alle tot. Nun gibt es nur noch Saturn und Mediamarkt, die beide dem METRO-Konzern
gehören.
Hauptsache
billig. Und wenn der Fernseher, das Notebook, der Föhn oder die Kaffeemaschine
kaputt geht, schmeißt man das Gelumpe weg und kauft gleich was Neues. Es gibt
ohnehin niemand, der ins Haus käme, um so etwas zu reparieren. Und wer will
schon einen großen TV oder einen Staubsauger zurück zu SATURN schleppen, um in
der Reparaturabteilung eine Nummer zu ziehen, drei Stunden zu warten, um dann
zu erfahren, das müsse jetzt erst mal eingeschickt werden und man solle schon
mal den Kostenvoranschlag zur Reparatur in Höhe von EUR 170,00 bezahlen?
Jeder
beklagt das Sterben der inhabergeführten Geschäfte, in denen es Bratung und Service
gibt. Jeder kann abendfüllend die abstrusesten Erlebnisse mit
Paketlieferdiensten erzählen, sich über Paketboten ärgern, die gar nicht erst
klingeln. Es jammert auch jeder über die verstopften Straßen, weil an jedem zweiten
Haus gerade ein DHL-, GLS-, DPD-, Hermes- oder UPS-Wagen in zweiter Reihe hält.
Es will
nur keiner den Zusammenhang mit dem eigenen Konsumverhalten erkennen.
Gerade diese Woche erlebte ich wieder eine absolut haarsträubende Geschichte mit einer Paketlieferung, die mich zehn Jahre altern ließ.
Man kann
noch nicht mal einen gesunden Hass auf die Paketboten entwickeln, weil klar ist,
daß sie arme unterbezahlte Schweine sind, die jeden Tag 12 Stunden racken und
am Ende des Monats ungefähr auf HARTZ-Niveau rauskommen.
Könnte
man nicht wenigstens die Beschäftigten in der Lieferbranche anständig bezahlen,
wenn die deutsche Bundesregierung schon nicht in der Lage ist die ganz großen
Versender dazu zu bringen Steuern zu zahlen?
IKEA und
AMAZON haben sich bekanntlich in Steueroasen abgesetzt und zahlen auf ihre gewaltigen
Milliardengewinne quasi keine Steuern.
Wären
die Konsumenten tatsächlich an Nachhaltigkeit interessiert und verhielten sich
klug, dann könnten sie wenigstens die schlimmsten Ausbeuterkonzerne meiden.
Aber das
ist hoffnungslos. Hauptsache billig.
Da der
Verbraucher zu doof ist, sollte der Gesetzgeber aktiv werden.
Mir
schwebt ein von Großversendern zu zahlendes Mindestporto von 15 Euro vor. Oder
17, oder 20 Euro.
Es muß
so wehtun, daß die Paketlieferanten erheblich besser bezahlt werden und daß
sich Kunden genau überlegen, ob sie nicht doch lieber die Wolle im Laden
nebenan kaufen, statt das 19 Cent billigere Knäul bei Amazon zu schießen.
So ein
Mindestpaketporto beträfe natürlich nur Geschäftskunden, so daß Oma Kowalski
ihrem Enkel weiterhin die selbstgebackenen Kekse sehr günstig schicken kann.