Jetzt
habe ich seit einer Woche wieder dieses pochende, dicke, rote Ei am rechten Oberarm.
So
reagiere ich immer auf Impfungen.
Vor ein paar Jahren habe ich mich einmal überreden
lassen die Injektion in den Hintern zu bekommen - „damit du nicht beim Schreiben
gehandicaped bist!“
Das
war ja noch blöder. So ein Arm hängt ja meistens nur freischwingend umher,
während man auf seinen vier Buchstaben sitzt oder liegt. Das mache ich nie wieder.
Wenn
man zwei Ärzte fragt, ob man sich grippeimpfen lassen sollte, bekommt man dazu
drei Meinungen. Relativ unstrittig ist nur, daß sich Alte und Schwache impfen lassen sollten.
Ich klammere mich an die Theorie, daß neben der echten
Influenza die Grippeimpfung auch indirekt ein bißchen gegen grippale Infekte
helfen könnte, weil das Immunsystem schon mal in Wallung gebracht wird.
Ob
stimmt? Letztes Jahr hatte ich mal wieder einen Totalausfall mit fast 40°C
Fieber und einer Woche stramm im Bett liegen (trotzdem gebloggt!); davor ging
es ein paar Jahre gut.
Jedenfalls
gehöre ich wohl zur Influenza-gefährdeten Spezies Mensch, da ich regelmäßig in
Wartezimmern, Krankenhäusern und mit Pflegepersonal verkehre.
Also
lieber doch impfen.
Man
liest ja dauernd von den Lieferschwierigkeiten, die Apotheker mit den aktuellen
Seren haben.
Zum Glück ist meine Apothekerin, Frau Dr. Gül Özdemir, richtig gut
und bemüht sich immer intensiv um alle ihre Kunden, also auch um mich.
Vor
ca zwei Wochen rief ich sie an und bekam das OK.
Sie habe das Serum nun da; ob
sie den Boten schicken solle, oder wolle ich das selbst abholen.
Nein,
nein, ich käme selbst, da ich noch vorher zum Internisten müßte, um ein
weiteres Rezept für einen alten Herren abzuholen, um den ich mich kümmere.
Der
gute Mann ist bettlägerig und wird vom Pflegedienst versorgt.
Irrtümlich denkt
man, so einer könnte sich ja nicht anstecken, wenn er nie rausgehe. Aber weit
gefehlt, denn die Pflegerinnen sind echte Virenschleudern. Schließlich gehen
sie den lieben langen Tag von einem Kranken zum Nächsten.
Für
jemanden, der schon aus dem letzten Loch pfeift, kann aber eine Influenza der
Exitus sein. An Grippe sterben in Deutschland mehr Leute als im Verkehr.
In Deutschland erkranken jedes Jahr vier bis zehn Prozent der Bevölkerung an Grippe (Influenza). Bis zu 4,5 Millionen Krankschreibungen gibt es deswegen. Das Robert-Koch-Institut geht von jährlich 5000 bis 15 000 Grippetoten in Deutschland aus.
Alt
und krank und schwach ist eine gute Indikation, um sich grippeimpfen zu lassen.
Also lieh ich mir seine Barmer-Ersatzkasse-Karte, ging zu seinem Internisten
und bat um ein Rezept für eine Grippeimpfung.
Aber
das ginge leider gar nicht, bedeutete man mir. Der Impfstoff sei noch gar nicht
fertig und es könne noch Wochen dauern, bis er ausgeliefert würde.
Verblüffende
Information.
Ich hätte doch aber heute Morgen mit Frau Özdemir gesprochen und
die habe den Impfstoff da!
Aber
nicht den für die Barmer-Patienten, Herr Tammox. Sie sind ja privat-versichert.
Ach
so.
Daher
habe ich jetzt das Ei am Arm.
Kostete € 22,66. Afluria 2012/2013 mit Nadel von
Merck. Kosten erstattet meine PKV.
Die
Barmer GEK hat aber einen exklusiven Vertrag mit Novartis ausgehandelt.
Daß die
Schweizer nicht liefern können wissen wir schon seit sechs Wochen.
Die
gesetzlichen Krankenkassen legten seit dem aber intensiv die Hände in den Schoß
und beschäftigten sich mit Däumchendrehen.
In Hamburg und Teilen von Norddeutschland fehlt ausreichend Wirkstoff für die jährliche Grippeschutzimpfung. Der Hersteller Novartis kann anders als in früheren Jahren erst Ende September liefern. Die Krankenkassen haben aber nach einer Ausschreibung einen Vertrag mit Novartis geschlossen, sodass allein dieser Hersteller zum Zuge kommen soll. Novartis hat mit Kassenvertretern für heute einen Krsiengipfel anberaumt. Denn Hamburger Hausärzte warnen bereits: Wenn chronisch Kranke, Kinder und Menschen in Altenheimen zu spät geimpft werden, könnte der Schutz nicht mehr reichen, wenn die Grippeviren sie angreifen. "Das ist eigentlich ein Skandal, dass die Firma, die mit den Krankenkassen einen Vertrag abgeschlossen hat, nicht liefern kann", sagte Dr. Stephan Hofmeister dem Hamburger Abendblatt. Er ist der Vize-Vorsitzende der Vertreterversammlung in der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg. Hofmeister sagte, die Grippewelle in Australien sei stärker ausgefallen als gedacht.
Aber
auch Ende September wurde das nichts.
Mitte Oktober gab es immer noch kein
Serum für Kassenpatienten.
Exklusivverträge mit dem Hersteller Novartis für
Begripal gibt es Hamburg, Schleswig-Holstein und Bayern.
Wer
also im hohen Norden oder im Südosten privat versichert ist, kann sich
schützen, Kassenpatienten müssen einkalkulieren womöglich zu sterben.
Frau
Özdemir ist entsetzt und sagt die Kassen spielten mit der Gesundheit ihrer
Patienten.
So
ist das in der Zweiklassenmedizingesellschaft Deutschlands.
Mein Nachbar, der
bettlägerig und ausgemergelt ist, hat zwar kein schmerzendes Ei am Arm, aber
dafür stirbt er womöglich an Influenza.
Ein
echter Skandal.
Müßte da nicht eigentlich das Gesundheitsministerium
einschreiten?
Ach
nein, Gesundheitsminister ist ja ein FDP-Mann, der sich ohnehin nur um
Privatpatienten kümmert.
FDP-Mitglieder bekommen bei meiner Privatkrankenkasse
sogar einen speziellen Rabatt von 5 %.
Die Nähe der Liberalen zur privaten Versicherungswirtschaft geht über politische Kontakte weit hinaus. Zwischen der FDP und der Deutschen Krankenversicherung gibt es auch eine geschäftliche Kooperation: ein vergünstigtes Rundum-sorglos-Paket allein für Parteimitglieder."Exklusiv für FDP-Mitglieder", so lautet das Angebot. Genauer: die "liberale Alternative zur Gesundheitsreform". So wirbt die Deutsche Krankenversicherung DKV, Europas größter Privatversicherer, auf der FDP-eigenen Internet-Plattform netzwerk-mit-nutzwert.de. Weitere Informationen? Nur für den, der sich als "FDP-Mitglied verifizieren" kann.Auf den Seiten der DKV selbst wird es noch deutlicher. Das Logo der Liberalen prangt unter dem der DKV. Daneben drei glückliche Anzugträger und der Claim: "Freie Demokratische Partei und DKV - starke Partner".Eine Partnerschaft, die sich auszahlt für FDP-Mitglieder und Mitarbeiter. Es gibt Fünf Prozent Rabatt. Vorerkrankungen sind - anders als üblich - kein Grund, den Versicherungsschutz zu verweigern.
Ich
frage mich, ob ich einen bestimmten Aufpreis bezahlen müßte, wenn heraus käme,
daß ich SPD-Mitglied bin.
Mein
bettlägeriger Nachbar kann noch etwas länger auf seine Novartis-Impfung warten.
Zwar
sind erste Chargen inzwischen nach Deutschland gekommen, aber die sind gleich
wieder verboten worden.
Nachdem in Ampullen zweier Grippeimpfstoffe des Herstellers Novartis weiße Partikel entdeckt worden waren, schlugen italienische Behörden Alarm. Die Aktion endete zunächst in dem Verkaufsstopp der beiden Impfstoffe Fluad und Agrippal in Italien, später auch in der Schweiz und in Österreich. Jetzt haben auch die deutschen Behörden ein Verkaufsverbot verhängt.Das Verbot betrifft vier Chargen des Impfstoffs Begripal und eine Charge des Impfstoffs Fluad.
Was
sagt der Gesundheitsminister dazu?
Nichts.
Nichts.
Wozu auch. In Merkels Tu-nichts-Regierung ist das üblich und so kommt die regierende CDU auf satte 12 Prozentpunkte mehr in den Umfragen als die SPD.
Dem Urnenpöbel gefällt es.
Dem Urnenpöbel gefällt es.