Donnerstag, 31. Dezember 2020

Bücherkunde

Das Schöne an den Schriftreligionen Judentum, Christentum, Islam, Bahaitum, Orphismus, Hinduismus, Buddhismus, Nationalsozialismus, Sikhismus, Zoroastrismus, Jainismus, Taoismus, Mormonentum, Maoismus, Homöopathie und Juristerei ist, daß sich deren Anhänger noch viele Jahrhunderte nach deren Niederschrift ausführlich mit der Text-Exegese beschäftigen können.

Im Laufe der Zeit und durch bewußt vage gehaltene Bilder, lässt sich von den Mächtigsten der jeweiligen Anhänger alles und auch das Gegenteil in die Texte hineininterpretieren.

Gleichzeitig muss sich der Exeget nicht als jemand ansehen lassen, der bloß eine Meinung vertritt, die vielleicht hauptsächlich seinen eigenen Interessen dienen.

Nein, der Ayatollah, der Richter, der Bischof, der Rabbiner hält ja schließlich das eine gedruckte Heiligtum in der Hand, das über jeden Zweifel erhaben ist.

Er muss also Recht haben, da Jesus, Mao, Hahnemann, Joseph Smith, die Väter des Grundgesetzes, Gott schließlich persönlich die Regeln aufschrieben, auf die sich alle Anhänger berufen.

Die jeweiligen Schriften haben derart kultischen Charakter, daß wir buchstäblich auf sie schwören, um über jeden Zweifel erhaben zu sein.

Wir tun das, obwohl es sich dabei ganz offensichtlich um ein Paradoxon handelt.

Bei jeder einzelnen Gerichtsverhandlung stehen sich zwei Anwälte gegenüber, die sich auf das gleiche Gesetzbuch stützen, für das beide als Experten fungieren, Dennoch verlieren aber 50% der Anwälte (gerichtliche Vergleiche ausgeklammert). Statistisch irren sie also in jedem zweiten Fall.

Die Bibel ist ein besonders eklatanter Fall von einem für eine Welt-Ideologie ungeeignetem Text. Schließlich sind die Anhänger eben dieses einen Buchs seit 2.000 Jahren damit beschäftigt sich die Köpfe einzuschlagen, weil sie grundverschiedene Aussagen aus dem Text interpretieren.

Ein Text, der ausdrücklich den Anspruch erhebt für alle Ewigkeit zu gelten – EXTRA ECCLESIAM NULLA SALUS - und gleichzeitig so viele zeittypische Anordnungen enthält, die wie das Preisen der Sklaverei, Todesstrafe, das Zinsverbot, Antisemitismus und Frauenunterdrückung, eben gerade heute nicht mehr gültig sein können. Das Grundgesetz der BRD ist gerade mal 71 Jahre alt und schon sind viele Ansichten völlig veraltet. Wir definieren Ehe anders, haben Kinderrechte entdeckt, haben davon Anstand genommen, daß Ehemänner ihre Frauen vergewaltigen dürfen und diese erst mit seiner Erlaubnis einen Job annehmen dürfen. Wir kennen nun die Begriffe Umweltschutz und Klima. Die Majestätsbeleidigung fiel erst nach der Causa Böhmermann, bald dürften der Blasphemie-Paragraf oder der Tierschutz überdacht werden. Gentechnik und Reproduktionsgesetze, sowie Datenschutz gibt es noch gar nicht.

Bei älteren Texten; das Buch Mormon von 1827, Samuel Hahnemanns Organon der rationellen Heilkunde von 1810, die Evangelien vermutlich um 125, die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika von 1787.

Der Text mit dem Anspruch auf Unfehlbarkeit steckt voller Fehler. Die Autoren bauten zahlreiche Widersprüche ein.

Daß all diese Gesetzbücher Widersprüchlichkeiten enthalten und in Wahrheit sehr schnell altern – die heilige US-Verfassung kennt kein Frauenwahlrecht, aber dafür Sklavenhaltung; der zweiten Naturalization Act von 1795 garantiert, daß nur Weiße US-Staatsbürger sein dürfen – ist in Wahrheit ein Vorteil.

So kann der gemeine Gläubige/Staatsbürger/Anhänger die Angelegenheit den Fachleuten überlassen und stolz bei jeder Gelegenheit die Bibel o.ä. hochhalten, schwören sich danach zu richten, um sich moralisch überlegen zu erklären, ohne im Detail zu wissen was darin steht.

Millionen Homöopathie-Gläubige zeigen es jeden Tag.

Sie prahlen damit sich als „Gegner der Chemie“ zu betrachten, nichtahnend, daß selbstverständlich alle Stoffe Chemie sind, auch ihre HÖ-Tropfen und Globuli.

Sie prahlen damit nicht von der bösen Pharmaindustrie gesteuert zu sein; nichtahnend, daß selbstverständlich Pharmaunternehmen all ihre Lactose-Kügelchen herstellen.

Sie berufen sich auf Samuel Hahnemann (* 10. April 1755 in Meißen; † 2. Juli 1843 in Paris), den berühmten und kultisch verehrten Begründer der Homöopathie und dessen vollkommen unsinnige Verdünnungsregeln, die dazu führen, daß die Deutschen für 700 Millionen Euro im Jahr homöopathische Placebos bar jeden Wirkstoffs kaufen.

Es ist schlicht und ergreifend ein einziger Betrug, der auch deswegen so gut funktioniert, weil die Homöopathie-Gläubigen – darunter viele Grünen-Politiker und offenbar auch Ministerpräsidentin Schwesig – gar nicht wissen welch gewaltigen Unsinn ihr Held Hahnemann bei seiner Erfindung der Homöopathie verzapfte.

An dieser Stelle mein Dank an Elke vom Ratgeber-News-Blog, die mich darauf hinwies, daß Homöopathika laut Hahnemanns Organon nur unter Einhaltung strenger Regeln wirken können. Wer masturbiert oder womöglich im Liegen liest, hat schon verloren! Aber für Homöopathie-Gläubige ist noch viel mehr verboten.

Kaffee, feiner chinesischer und anderer Kräuterthee; Biere mit arzneilichen, für den Zustand des Kranken unangemessenen Gewächssubstanzen angemacht, sogenannte feine, mit arzneilichen Gewürzen bereitete Liqueure, alle Arten Punsch, gewürzte Schokolade, Riechwasser und Parfümerieen mancher Art, stark duftende Blumen im Zimmer, aus Arzneien zusammengesetzte Zahnpulver und Zahnspiritus. Riechkißchen, hochgewürzte Speisen und Saucen, gewürztes Backwerk und Gefrornes mit arzneilichen Stoffen, z.B. Kaffee, Vanille u.s.w. bereitet, rohe, arzneiliche Kräuter auf Suppen, Gemüße von Kräutern, Wurzeln und Keim-Stengeln (wie Spargel mit langen, grünen Spitzen), Hopfenkeime und alle Vegetabilien, welche Arzneikraft besitzen, Selerie, Petersilie, Sauerampfer, Dragun, alle Zwiebel-Arten, u.s.w.; alter Käse und Thierspeisen, welche faulicht sind, (Fleisch und Fett von Schweinen, Enten und Gänsen, oder allzu junges Kalbfleisch und saure Speisen; Salate aller Art), welche arzneiliche Nebenwirkungen haben, sind eben so sehr von Kranken dieser Art zu entfernen als jedes Uebermaß, selbst das des Zuckers und Kochsalzes, so wie geistige, nicht mit viel Wasser verdünnte Getränke; Stubenhitze, schafwollene Haut-Bekleidung, sitzende Lebensart in eingesperrter Stuben-Luft, oder öftere, bloß negative Bewegung (durch Reiten, Fahren, Schaukeln), übermäßiges Kind-Säugen, langer Mittagsschlaf im Liegen (in Betten), Lesen in wagerechter Lage, Nachtleben, Unreinlichkeit, unnatürliche Wohllust, Entnervung durch Lesen schlüpfriger Schriften, Onanism oder, sei es aus Aberglauben, sei es um Kinder-Erzeugung in der Ehe zu verhüten, unvollkommner, oder ganz unterdrückter Beischlaf; Gegenstände des Zornes, des Grames, des Aergernisses, leidenschaftliches Spiel, übertriebene Anstrengung des Geistes und Körpers, vorzüglich gleich nach der Mahlzeit; sumpfige Wohngegend und dumpfige Zimmer; karges Darben~ u.s.w. Alle diese Dinge müssen möglichst vermieden oder entfernt werden, wenn die Heilung nicht gehindert oder gar unmöglich gemacht werden soll. Einige meiner Nachahmer scheinen durch Verbieten noch weit mehrer, ziemlich gleichgültiger Dinge die Diät des Kranken unnöthig zu erschweren, was nicht zu billigen ist. …

(Hahnemanns Organon der Heilkunst, 6. Auflage, 1842, § 260)

Wir sehen, diese Ideologie funktioniert nur durch die blanke Unkenntnis ihrer Gläubigen.