Springer, Wirtschaftswoche, Handelsblatt, Manager Magazin, ntv, FAZ, Nius, Focus und all die andere rechtskonservativen Presse-Periodika framen die innenpolitischen Verwerfungen alle gleich:
Juhu, die Ampel ist tot, der doofe Scholz bald weg, der ideologische Ökospinner Habeck geht in Frührente. Die doofen naiven Linksgrünversifften haben ja eh nur gießkannenartig Sozialleistungen ausgeschüttet und damit die Wirtschaft abgewürgt. Klimaschutz braucht man eh nicht wirklich. Aber jetzt kommt bald das ökonomische Genie Merz, kickstartet alle deutschen Unternehmen mit Steuersenkungen, die er sich leisten kann, weil er dem arbeitsscheuen Pack das viel zu üppige Bürgergeld streicht. Und so beginnt der lehrbuchartige Angebots-Wirtschaftsaufschwung, weil die deutschen Unternehmen, nun völlig entfesselt, eine Innovation nach der nächsten raushauen.
Wie kenntnisreich und eisern der 1,98 Meter lange Blackrocker regieren könnte, wissen wir durch seine vier immer wieder bekräftigten Grundüberzeugungen:
Frauen sind zu emotional für Politik, Schwule sind bähbäh, die Grünen sind der Hauptgegner und Schuldenbremse über alles.
Da kriegen Gabor Steingart, Christian Lindner und Carsten Linnemann vor Glück eine spontane Erektion.
[….] Als erste Maßnahme einer CDU-geführten Regierung plant die Partei die Abschaffung des Bürgergelds in seiner aktuellen Form. Stattdessen soll eine „Neue Grundsicherung“ eingeführt werden, die sowohl fördern als auch fordern soll, erklärt Linnemann. [….] Auch Kernenergie bleibt für die CDU eine Option, die Forschung in diesem Bereich soll weiterhin gefördert werden. [….] Linnemann setzt sich dafür ein, die Sozialabgabenquote auf maximal 40 Prozent zu begrenzen, um die steigenden Belastungen einzudämmen. [….] Ein weiteres Thema, das im Wahlkampf im Fokus stehen wird, sind laut Linnemann die Sozialleistungen für Migranten. [….] Was die Schuldenbremse angeht, sagt Linnemann: „Die Schuldenbremse im Bund ist zementiert“ und verweist auf Frankreich als warnendes Beispiel dafür, wie Schulden und wirtschaftlicher Abgrund Hand in Hand gehen können. [….]
Natürlich bleibt die Schuldenbremse unter Bundeskanzler Merz. Schließlich waren es Merz und die CDU, die vor einem Jahr erfolgreich gegen den Haushalt der Ampel geklagt hatten und sich seither als Inkarnationen der schwäbischen Hausfrauen präsentieren.
[….] Es war das erste Mal, dass sich das Bundesverfassungsgericht zur Schuldenbremse im Grundgesetz äußerte. Das Gericht erklärte den Nachtragshaushalt für „verfassungswidrig und nichtig.“ [….] 197 Abgeordnete der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion hatten beim Bundesverfassungsgericht Klage gegen diese Haushaltspolitik eingereicht. Warum? Die 60 Milliarden Euro sind durch Schulden finanziert. Im Grundgesetz ist eine Schuldenbremse verankert. [….] Friedrich Merz macht im Namen der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion klar: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist „das Ende aller Schattenhaushalte“ und stellt „die Bundesregierung vor große Herausforderungen.“ [….]
Die 600 bis 800 Milliarden Euro Investitionsbedarf, die durch 16 Jahre blamables CDU-Versagen im Kanzleramt entstanden sind, wälzen die Schwarzen und Gelben auf die Roten und Grünen ab. Je länger die Investitionen nicht getätigt werden, desto schlechter geht es Deutschland, desto weiter fällt das Land zurück und desto teurer wird es. Das frustriert das Wahlvolk und ein unzufriedenes Wahlvolk wendet sich gegen den SPD-Kanzler, um wieder einen Schwarzen ins Kanzleramt zu setzen.
Daß es aber diese Schulden braucht, daß wir uns das
leisten können und Schulden sogar Wachstum generieren, ist zwar unter Ökonomen
unstrittig, aber der Urnenpöbel versteht es nicht und so reitet Merz
Deutschland immer mehr in den Abgrund, um parteipolitisch zu profitieren. Da Lindner seine Gaga-Papierchen bei Merz abschreibt,
können sie auch sehr schön über die Bande spielen, indem Merz beispielsweise scheinheilig
den Ampel-Finanzminister lobte, um Zwietracht in der Regierung zu säen und in
Wirklichkeit seine eigene Agenda zu fördern.
[….] In Deutschland haben wir tatsächlich einen Reallohnrückgang von 8% gegenüber dem Vorkrisentrend erfahren. Insofern ist die Situation in Deutschland noch viel prekärer als in den USA.
Eine Umverteilung von unten nach oben, wie sie Christian Lindner jetzt vorgeschlagen hat, ist eigentlich genau die falsche Antwort, weil wir ja bereits eine Inflation erlebt haben, die zu einer Umverteilung von unten nach oben geführt hat. Sozialstaatsabbau ist auch genau die falsche Antwort, weil wir es ja auch mit einer Nachfragekrise zu tun haben, die eben mit diesem Reallohneinbruch zusammenhängt. Auch die Idee, dass man jetzt sozusagen pauschal Steuern senkt für Unternehmen, ist, glaube ich, genau die falsche Antwort, insbesondere wenn man es zusammennimmt mit dem Vorschlag, die Klimaschutzförderung zu kürzen, wo man eine Situation hat, in der man pauschal Steuern senkt und damit sozusagen gewissermaßen pauschal versuchten, Anreize zu setzen.
Gleichzeitig aber in den Bereichen, in denen wir wirklich Wachstum brauchen, in den grünen Bereichen, die wir ausbauen müssen, um mit dem Klimaschutz voranzukommen, die Anreize rausnimmt, dass es aus der Perspektive der Realität von Klimawandel eine verantwortungslose Politik und natürlich ist das nur die Spitze des Eisbergs, dessen, was Lindner in den letzten Jahren wirtschaftspolitisch an Schaden verursacht hat. Da er ja über die ganzen Jahre hinweg es im Grunde verhindert hat, dass man die Schuldenbremse aussetzt, was absolut notwendig gewesen wäre, um Staatsausgaben in der Höhe zu tätigen, die notwendig sind, um aus der Krise zu kommen und um sozusagen den enormen finanzpolitischen Spielraum, den Deutschland ja hat, mit der sehr niedrigen Staatsverschuldungsquote zu nutzen, um einen Anstoß in die Zukunft zu geben.”
Prof. Dr. Isabella Maria Weber. [….]
(Podcast Lage der Nation, 08.11.2024)
Da haben wir es – trotz all des merzophilen Framings großer Teile der deutschen Presse, das auch sehr erfolgreich beim Urnenpöbel verfängt, bleibt ein Problem: Die Merz-Lindner-Wirtschaftspolitik ist unterkomplex, widersinnig und wird niemals funktionieren. Lindners Ansatz ist falsch und verlogen und bremst Wachstum.
Tom Krebs ist Professor für Makroökonomik an der Universität Mannheim und klärt im ntv-Gespräch auf.
[….] Tom Krebs: In den vergangenen anderthalb Jahren hat die Ampel einige Fehlentscheidungen getroffen, die auf die wirtschafts- und finanzpolitischen Vorstellungen von Christian Lindner zurückzuführen sind. [….]
Ntv: Ihr Ökonomen-Kollege Jens Südekum wirft Lindner vor, der zentrale Satz in seinem Statement sei falsch: Eine Aussetzung der Schuldenbremse sei weder ein Verfassungsbruch noch eine Verletzung des Amtseides des Bundesfinanzministers. Teilen Sie diese Einschätzung?
Krebs: Lindners Begründung ist eine Missinterpretation der Schuldenbremse – und das weiß er auch. Das Aussetzen der Schuldenbremse ist möglich und auch im Grundgesetz vorgesehen, solange es vernünftig begründet ist. Argumente für eine Notlage gibt es allein mit den unvorhersehbaren Ausgaben für den Ukraine-Krieg - was ja eigentlich auch der Plan der Bundesregierung war. Meiner Einschätzung nach ist aber noch mehr möglich. [….] Lindners Papier ist eine ökonomische Farce. Für mich ist es der Versuch, mit den banalen Rezepten der 80er Jahre die heutigen Probleme zu lösen. Das wird nicht klappen. Einige Ökonomen vergessen scheinbar, dass die ökonomische und gesellschaftliche Realität etwas komplexer ist als die fiktive Welt der VWL-Lehrbücher für Bachelorstudierende. Bei den Wirtschaftsverbänden ist das Papier auf Zuspruch gestoßen, weil darin allgemeine Steuersenkungen angekündigt werden. Das ist gut für wohlhabende Kapitaleigentümer, aber hilft der Gesamtwirtschaft und den Beschäftigten wenig. Das wird die Wirtschaft nicht in Gang bringen. Dieses Prinzip Gießkanne ist extrem teuer und bringt wenig zusätzliches Wachstum. Und Lindner diskutiert auch nicht ernsthaft, wie das finanziert werden soll, ohne die Schuldenbremse zu lockern. Insofern basiert das Papier auf dem Prinzip "Wünsch dir was".[….]
Was Prof. Dr. Isabella Maria Weber, Prof. Dr. Tom Krebs, Jost Maurin, Prof. Dr. Jens Südekum ökonomisch erklären, ist richtig, wird aber bei der Majorität des verblödeten Wahlvolkes nicht ankommen. Der Urnenpöbel wählt tumb rechts. Gegen seine Interessen. Wie in den USA.
Friedrich Merz versteht einfachste ökonomische Zusammenhänge nicht; ist in dem Punkt ähnlich ignorant wie Donald Trump.
Aber immerhin ist Merz nicht ganz so blöd, wie der Urnenpöbel und weiß offenkundig, welchen Unsinn er redet.
Merz‘ radikal Deutschland-feindlicher Kurs zur Schädigung der Ampel war so erfolgreich, daß er nun mutmaßlich schneller als gedacht, selbst ins Kanzleramt einzieht.
Offenkundig fängt er neuerdings auch damit an, sich vorzustellen, was ihm dann für Finanzprobleme blühen. 600-800 Milliarden Investitionstau PLUS Übernahme des US-Anteils der Waffenfinanzierung für die Ukraine PLUS ökonomische Schäden durch Trumps Zölle PLUS noch dringlichere massive Investitionen in die Bundeswehr, wenn Washington die NATO quält.
Während sein eifriger Homunculus Linnemann triumphierend erklärt: „Die Schuldenbremse im Bund ist zementiert“, fiel Merz offenkundig auf, daß er als Kanzler 1.000 Milliarden investieren muss, aber durch Steuersenkungen und Wirtschaftsflaute weniger Geld als Scholz zur Verfügung haben wird.
Statt wie vor einem Jahr mit erhobenen schwäbischen-Hausfrau-Finger nach Karlsruhe zu reiten, um den strengen Schuldenbremser zu geben, will er nun, da er sich selbst schon an der Regierungsspitze wähnt, ganz schnell eins tun: Die Schuldenbremse streichen!
Zu früheren Zeiten wäre ein Kanzlerkandidat für so dreiste Parteipolitik mit dieser Rolle Rückwärts abgestraft worden. Aber im postfaktischen Zeitalter macht es nichts mehr aus.
Wenn man hingegen alle Parteipolitik beiseitelässt, muss man klar diagnostizieren, daß sich im aufspaltenden Parteispektrum Zwei/Drittel-Mehrheiten immer schlechter realisieren lassen. Vermutlich gibt es schon nach der nächsten Bundestagswahl keine 2/3-Mehrheit mehr, die man ohne BSW und AfD erreichen könnte.
Daher ist es völlig richtig von Merz, wenn auch er endlich
erkennt, daß man diese noch vorhandene Mehrheit dringend noch unter Kanzler
Scholz nutzen muss, um a) das Gesetz zum Schutz des Verfassungsgerichts
durchzubringen und b) die Schuldenbremse zu schleifen. Beides wäre mit der AfD
nicht zu machen und beides wird auch ein Kanzler Merz brauchen.
Glücklicherweise ist er ein meisterhafter Zurückruderer.