Die Zeit der Aufsteiger-Biographien à la Gerd Schröder, als es
ein Junge aus ärmlichsten, prekären Verhältnissen – die ungebildete Mutter war
allein erziehend und versorgte als Putzfrau fünf Kinder - über den zweiten Bildungsweg zum Bundeskanzler
bringen konnte sind vorbei.
Heute entscheiden fast ausschließlich Papas Portemonnaie und
Papas Kontakte darüber, ob es ein Kind in die höchsten Kreise schafft. Teure
Privatschulen, Elite-Internate, internationale Unis – dazu Polo, Golf, Segeln
und natürlich die richtigen Clubs, die richtigen „alten Herren“, die passenden
Schickimicki-Ferien.
In einen DAX-Vorstand kommt man nur, wenn die Eltern auch
schon steinreich waren.
Die USA galten hingegen lange als echte Meritokratie. Ein Land,
in dem man es aus eigener Kraft ganz nach oben schaffen konnte. Tatsächlich
sind die sozialen Schichten in den USA durchlässiger. Auch aus einfachen
Verhältnissen kommend, kann man eine Top-Bildung bekommen und wer an den
Ostküsten-Elite-Unis seinen Abschluss macht, wird auch weiter aufsteigen.
Die vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Zeiten sind aber auch in
den Staaten nicht mehr rosig. Die Erwerbseinkünfte sind kontinuierlich
geschrumpft. Heute kann eine Mittelklassefamilie mehr in einem schönen Haus mit
Garten allein vom Lohn des Vaters leben.
Heute müssen alle ran; es reicht nicht mehr, daß die Frau
mitverdient, sondern sie haben auch Zweit- und Drittjobs. Und selbst dann wird
es schwer die teuren Collegegebühren aufzubringen.
Es gibt in den USA und erst Recht in Deutschland nur einen
Weg Multimillionär zu werden: Man muss die Millionen durch ehrliche Abstammung
erben.
Mit Adelstitel und Millionen auf dem Konto, mit großen Villen
und berühmten Vätern gelang es Ursula von der Leyen genau wie
Karl-Theodor Baron von und zu Guttenberg in die höchsten Partei- und
Politikkreise aufzusteigen, obwohl bei ihnen akademisch Schmalhans angesagt war
und die Promotionen entsprechend zusammengeklaut waren.
Wäre Karl-Theodors Mutter Putzfrau gewesen, wäre er nicht
mit einer Gräfin Bismarck verheiratet, hätte keine 800 Millionen Euro auf dem
Konto und hieße Kevin Schulze statt Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob
Philipp Franz Joseph Sylvester Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg, könnte ihm
so eine dreiste Schummelei und Großlüge wie bei seinem Dr.-Titel-Betrug
gesellschaftlich das Genick brechen.
Hieße die EU-Kommissionspräsidentin Ebru mit Vornamen und
ihr Vater wäre ein aus Anatolien stammender Fabrikarbeiter, hätte die endlose Kette ihrer Skandale als Ministerin
sie ebenfalls längst in die Arbeitslosigkeit befördert. Aber schon ihr Vater
hatte einen Top-Job in Brüssel, war Ministerpräsident und fast
CDU-Kanzlerkandidat, sie spricht mehrere Sprachen, ist bestens vernetzt. Dann
fällt man nach oben.
Mit endlosen Adelstiteln und neunstelligen Beträgen auf dem
Konto benötigt man keine Armen-Sprüche wie „Ich kann nie tiefer fallen als in
Gottes Arme“, weil man gar nicht erst fällt.
Nach seinem Aus aus der Bundesregierung im Jahr 2011 kaufte
sich Guttenberg eine repräsentative Villa für drei Millionen Euro in Connecticut
und trat fürderhin „Distinguished Statesman“ (Angesehener Staatsmann)
in den besten Kreisen auf.
als
Symbolbild |
Wenig überraschend betrachtete der Bayerische Baron Anstand
und Legalität weiterhin lediglich als optional und versilberte seine Kontakte in
die Bundesregierung mit dubiosesten Partnern aus der Halbwelt.
Ein KTG kann nicht bescheiden oder demütig. Herr
Hochwohlgeboren gehört zur internationalen Finanz- und Macht-Elite. So einer
bäckt grundsätzlich keine kleinen Brötchen. Warum auch? Selbst Angela Merkel,
der er Schimpf und Schande bereitete, ist immer noch so geblendet von seinem
Multimillionen-Glanz, daß sie sich artig nach seinen Wünschen richtet.
[….] Der Name des ehemaligen Verteidigungsministers tauchte gleich bei zwei
großen Politaffären auf: der umstrittenen Lobbyarbeit des CDU-Abgeordneten
Philipp Amthor für das New Yorker Start-up Augustus Intelligence. Und beim
Zusammenbruch des milliardenschweren Finanzdienstleisters Wirecard. Am 3.
September 2019 wurde Guttenberg sogar für beide Unternehmen im Kanzleramt vorstellig.
Nur scheibchenweise rückte die Regierung mit Details über das
sonderbare Treffen mit Angela Merkel raus, ließ aber den genauen Inhalt des
Gesprächs offen. Jetzt bringen Dokumente aus der Regierungszentrale etwas mehr
Licht ins Dunkel. Am Abend jenes 3. September um 20:04 Uhr leitete das Büro von
Guttenberg eine Nachricht ans Kanzleramt weiter. Darin bedankte er sich bei der
"lieben Angela" für "das gute Gespräch heute! Eine Freude, Dich
so guter Dinge zu sehen." Weiter schrieb er: "Hier die Adressen der
beiden A.I. Herren der Firma Augustus Inc."
[….] Guttenberg war damals Investor und Direktor der Firma Augustus, die auf
dem Gebiet der künstlichen Intelligenz unterwegs ist. In der Nachricht
verschickte er die Mailadressen von zwei deutschen Gründern von Augustus,
"für Frau Christiansen". Gemeint war offenbar Eva Christiansen, eine
der engsten Mitarbeiterinnen der Kanzlerin und Leiterin der Abteilung für
Digitalpolitik. Guttenberg beendete seine Nachricht an die Kanzlerin mit den
Worten: "Herzlichst Stets Dein Karl-Theodor".[….] Wie
sich einige Wochen später erst durch SPIEGEL-Recherchen herausstellte, wurde
Karl-Theodor zu Guttenberg an jenem 3. September nicht nur in Sachen Augustus
im Kanzleramt vorstellig, sondern auch für den mittlerweile insolventen
Zahlungsdienstleister. Mit Erfolg: Auf Merkels China-Reise, die wenige Tage
nach dem Termin im Kanzleramt begann, brachte sie die Pläne von Wirecard zur
Sprache, nach China expandieren zu wollen. Und das, obwohl schon zu dieser Zeit
eine Reihe von Untersuchungen zu Bilanzmanipulationen des Dax-Konzerns liefen.
[….] Im Falle von Wirecard hat die
Regierung [….] eingeräumt, dass
Merkel die geplante Übernahme des chinesischen Zahlungsdienstleisters AllScore
Payment Services auf ihrer Reise thematisiert hatte. [….] Guttenbergs Beratungsfirma Spitzberg
Partners war "mit Unterbrechungen zwischen 2016 und 2020" für
Wirecard tätig, wie der ehemalige Verteidigungsminister gegenüber dem SPIEGEL
erklärte. Für die geplante Expansion nach China wurde Spitzberg Partners im Finanzministerium
und Kanzleramt vorstellig. [….]
Die adeligen Superreichen sind in ihren erzkonservativen
Kreisen unkaputtbar.
An ihnen bleibt nichts haften, sie stehen über dem Gesetz.
Fabio di Masi von der Links-Fraktion des Bundestages ist
insofern eher niedlich, wenn er KTG angreift. Es wird nichts nützen. Guttenberg
ist wie ein Mercedes mit der eingebauten Vorfahrt ab Werk. Er muss sich nicht
an Gesetze und Paragrafen halten wie wir gewöhnlichen Menschen.
[….] „Die Bundeskanzlerin kann sich nicht länger wegducken. Der Bundestag
wurde getäuscht“, kommentiert Fabio De Masi, stellvertretender Vorsitzender der
Fraktion DIE LINKE, Enthüllungen über den Austausch der Bundeskanzlerin mit
Ex-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg über die Unternehmen Augustus
Intelligence und Wirecard. De Masi weiter:
„Die Bundeskanzlerin muss erklären, warum das Bundeskanzleramt mir das
Gespräch in einer parlamentarischen Anfrage verschwiegen und nur eine angeblich
unbeantwortete E-Mail von Herrn Guttenberg am 3. September 2019 eingeräumt hat.
Eine Informationsfreiheitsanfrage zu der E-Mail von mir wurde mir bis heute
nicht beantwortet. Ferner muss die Bundeskanzlerin beantworten, ob sie in China
neben Wirecard auch für Augustus Intelligence im Auftrag von Herrn Guttenberg
Klinken putzte. Die Aussageverweigerung gegenüber dem Parlament ist rechtlich
unhaltbar und ein faktisches Eingeständnis des Lobbying für Augustus
Intelligence.
Für die Geheimniskrämerei gibt es nur drei sinnvolle Erklärungen:
Erstens, es sollte keine zusätzliche Aufmerksamkeit auf das zum Zeitpunkt
meiner parlamentarischen Anfrage noch unbekannte Gespräch zwischen Guttenberg
und der Bundeskanzlerin gelenkt werden, bei dem Guttenberg die Kanzlerin auch
zugunsten von Wirecard lobbyierte. Zweitens, die Bundeskanzlerin sollte nicht
zu eng mit der Firma Augustus Intelligence in Verbindung gebracht werden, die
offenbar ein Rohrkrepierer und ein Reiseveranstalter für Philipp Amthor und den
ehemaligen Chef des Verfassungsschutzes Maaßen war. Drittens, es gibt
Verbindungen zwischen den Hochstaplern von Wirecard und Augustus Intelligence
oder weitergehende Erkenntnisse der Nachrichtendienste.
Die Begründung, man habe nur für Wirecard lobbyiert, weil es sich eben
um einen DAX-Konzern handele und das ganze Ausmaß der Vorwürfe unbekannt
gewesen sei, ist nicht haltbar, sofern die Kanzlerin auch für die seltsame Bude
Augustus Intelligence lobbyierte.
[….] Es gäbe zahlreiche Mittelständler in Deutschland, für die sich die
Bundeskanzlerin in China einsetzen könnte, anstatt für Unternehmen mit hoher
krimineller Energie. Es ist beängstigend, dass der Felix Krull der deutschen
Politik, Herr Guttenberg, mit seinen zwielichtigen Kunden offenbar weitgehenden
Einfluss auf die Wirtschaftsförderung der Kanzlerin in China nehmen kann. Die Bundeskanzlerin
sollte daher selbst in einem Untersuchungsausschuss zu Wirecard Rede und
Antwort stehen und beantworten, ob sie sich ebenso für Augustus Intelligence in
China eingesetzt hat.“ [….]