Wer
rausgeht, muß auch wieder reinkommen, sagte Herbert Wehner, als am 13. März
1975 die CDU/CSU-Fraktion während seiner Rede den Plenarsaal verließ, weil sie
sich nicht von einem „Kommunisten“ über den Terrorismus belehren lassen wollte.
Wehner
hatte ja so Recht.
Ach ja,
wie man gerade an einem Tag wie heute, an dem ich todmüde morgens um 9.00 Uhr auf
Phönix der Bundestagsgeneraldebatte verfolgte, Typen wie Wehner oder Joschka
Fischer oder gar Helmut Schmidt vermisst.
Erster
Redner war als Oppositionsführer Dietmar Bartsch.
Der
Co-Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion ist ein schlechter bis
mittelmäßiger Redner, der zudem auch noch optisch über keinerlei
Wiedererkennungswert verfügt und als ganz und gar nicht charismatisch gilt.
Ich habe
seiner gesamten 27-minütigen Rede
aufmerksam zugehört und mußte so gut wie jedem Satz zustimmen. Wieder einmal
eine inhaltlich
sehr gute Rede aus der LINKEN Fraktion.
Alle
seine Kritikpunkte saßen, er legte die Finger in die Wunden, ohne dabei
überheblich zu sein.
Schreihals Volker Kauder fiel dazu nichts Besseres ein, als
zwischendurch immer wieder lauthals nach dem Verbleiben „des SED-Vermögens“ zu
grölen, als ob es die Schuld der Linken von 2016 wäre, wenn in Ost-Vorpommern
eine Buslinie eingestellt wird. Die Heuchelei der CDU ist nach wie vor nicht zu
überbieten. Die Fragen nach ehemaligen DDR-Vermögen sollte sich Kauder lieber
selbst stellen.
Die
fünf Parteien des „Demokratischen Blocks“, die zuvor alle Pfründe untereinander
aufteilten, zerfielen in Rekordtempo.
SED Sozialistische Einheitspartei
Deutschlands
CDU Christlich-Demokratische Union
Deutschlands
LDPD Liberal-Demokratische Partei
Deutschlands
DBD Demokratische Bauernpartei Deutschlands
NDPD National-Demokratische Partei
Deutschlands
CDU
und DBD wurden von der West-CDU wegfusioniert; LDPD und NDPD riss sich die FDP
unter den Nagel.
Vier
von fünf tragenden Säulen ersparten sich also jede Aufarbeitung der
DDR-Vergangenheit. Die Namen verschwanden, das Parteivermögen kassierten
West-CDU und West-FDP.
Der
schwarze Peter verblieb allein bei der SED, die sich die nächsten 25 Jahre
Vorwürfe anhören mußte.
Eine
der größten Witze der Vereinigungsgeschichte ist die Kritik an der Umbenennung
in „SED-PDS“, bzw später „PDS“, sie würde sich darum drücken die Vergangenheit
anzuerkennen. Ihr ginge es nur darum, das Vermögen zu behalten.
Das
Geschrei kam ausgerechnet von den „Bürgerlichen“, die selbst das komplette
Parteivermögen von vier Blockparteien abgegriffen hatten und überhaupt gar
keine Vergangenheit vor 1989 anerkannten.
Die
einzige Partei, die sich nicht aus der DDR-Konkursmasse bediente, die keine
Immobilien, Bankkonten und Parteimitglieder an sich raffte, war die SPD. Und
diese SPD wurde von der CDU über 20 Jahre mit einer Rote-Socken-Kampagne
überzogen.
Kauder
zeigte mustergültig wie Politikverdrossenheit entsteht. Wer will sich solche
billigen Manöver anhören?
Merkel
war zweite Rednerin und spulte ihr Programm in 25 Minuten ab.
Sie ist
bekanntermaßen wie die ihr folgende Grünen-Fraktionsvorsitzende Kathrin
Göring-Kirchentag ebenfalls eine schwache Rednerin, so daß Menschen, die Spaß
an guter Rhetorik haben, sich quälen ihr zuzuhören.
Es war
recht öde und es ist bezeichnend, daß die seit einem Vierteljahrhundert von
Merkel eingelullten Hauptstadtjournalisten ihren Auftritt allesamt als „kämpferisch“
bezeichneten.
Man
erinnert sich an Volker Pispers, der bei Merkel die spezielle Bewertungskategorie
„besser als erwartet“ diagnostizierte.
In der
Tat; setzt man das linguistisch sehr niedrige Kanzlerinnen-Niveau als Maßstab
für diese Rede an, war es eine der eher besseren.
Ohne Seehofer
namentlich zu nennen, stellte sie sich ihm entgegen, reihte all ihre großen
Taten auf, die sie in den vergangenen 12 Monaten zur Lösung der Flüchtlingsproblematik
unternommen hätte und gab nicht im geringsten zu erkennen, daß sie nach der Wahl in MeckPomm auf CSU-Kurs
einzuschwenken gedenke.
"Politiker
wie wir hier, die Verantwortung tragen, sollten sich in ihrer Sprache mäßigen.
Wenn wir in unserer Sprache eskalieren, gewinnen nur die, die es noch einfacher
ausdrücken", mahnte die Kanzlerin und zog damit überdeutlich crazy Horst
eins über.
Darauf
ergibt sich nun aber ein Problem.
Denn
Horst Seehofer, der auch von den anderen Parteien als Brandstifter und
AfD-Helfer angegriffen wurde, ist nicht nur wie weiland 1975 einfach
rausgegangen, so daß man nur abwarten müßte, bis er sich wieder bequemte an den
Tisch zurückzukehren.
Der
Chef-Bayer ist inzwischen so hoch auf den Baum geklettert, daß er gar nicht
mehr runterkann.
Wie für CSU-Politiker üblich, verstrickte sich der MP in so ein
gewaltiges Lügengeflecht, daß ein Burgfrieden mit Merkel und dem GroKo-Partner
SPD gar nicht mehr möglich ist, ohne sich total zu blamieren.
Fälschlicherweise
behauptet Seehofer zum Beispiel immer wieder, Merkel müsse dringend ihren Kurs
ändern und endlich von der aus seiner Sicht fatalen Flüchtlingspolitik von vor
einem Jahr abkehren.
In
Wahrheit ist das längst passiert, Merkel hat das Asylrecht radikal verschärft,
die Integrationsmaßnahmen beschnitten, die Grenzen geschlossen und läßt
abschieben.
All das
was Seehofer fordert, tut sie also längst.
Was
könnte die Kanzlerin eigentlich überhaupt noch tun, um ihn endlich zufrieden zu
stellen?
Der Chefbayer
würde jetzt sicher „Obergrenze, Obergrenze, Obergrenze!“ skandieren.
Aber das
ist erstens unsinnig, zweitens verfassungsrechtlich gar nicht möglich und
drittens auch noch überflüssig, weil längst so wenige Flüchtlinge kommen, daß
die Betreiber leerer Aufnahmeeinrichtungen die Politik anbetteln endlich wieder
den Familiennachzug zu erlauben, damit die syrischen, irakischen und
afghanischen Männer nicht mehr mit den unzumutbaren Sorgen um ihre Angehörigen
im Kriegsgebiet leben müssen.
Seehofer
ist also so weit entfernt von der Realität, daß gemeinsame Politik mit ihm
unmöglich geworden ist.
Stefan
Kuzmany fragte gestern, ob sich Seehofer wohl noch einmal zur konstruktiven
Regierungsarbeit entscheiden werde.
Er wird zuerst bei
sich selbst für Klarheit sorgen müssen. Will er weiterhin mit destruktiver
Kritik an der Flüchtlingspolitik den Eindruck befeuern, die eigene Regierung
habe die Lage nicht im Griff? Oder will er sich, gerade noch rechtzeitig im
letzten Jahr dieser Legislaturperiode, zur bundespolitischen
Regierungsverantwortung bekennen und also die Politik dieser Regierung intern
mitgestalten und nach außen dann erklären und vertreten?
Solange er sich nicht
entscheidet, ist Horst Seehofer nicht nur bayerischer Ministerpräsident und
Vorsitzender der CSU - er bekleidet zudem höchst erfolgreich die Position des
ehrenamtlichen Chefwahlkämpfers der AfD.
Ich
halte das für Augenwischerei.
Horst
Seehofer ist psychisch unfähig zur Vernunft und wird weiterhin mit Ultimaten
und Drohungen das Regierungs-Rumpelstilzchen geben.
Arme Frau
Merkel. Seit drei Jahren rate ich ihr immer wieder die CSU aus der GroKo zu werfen,
aber natürlich war sie zu feige und zu träge dazu.
Lieber
ließ sie sich aus München immer weiter demütigen.
Rechnerisch
wäre ein CSU-Rausschmiss natürlich immer noch möglich, aber durch Crazy Horst
hat die Union insgesamt so abgewirtschaftet, daß Merkel nur noch sehr schwer 2017
erneut Kanzlerin werden kann, wenn die CSU-Stimmen fehlen und sie mit den
Grünen ins Bett will.