Donnerstag, 9. Februar 2012

Lokalkolorit - Teil II


Einmal als Hamburg-Fan geouted, möchte ich noch anfügen, daß Hamburg Städtepartnerschaften zu sehr interessanten Metropolen unterhält:
Chicago, St. Petersburg/Leningrad, Osaka, Shanghai, Marseille, Prag, Dar Es Salaam (Tansania), Dresden (Ferner Osten),  Leon (Nicaragua).

Eine ganz gute Mischung.
Chicago, Osaka und Shanghai sind prosperierende Riesenstädte.
Leon (150.000 Einwohner, Partnerstadt seit 1998) und Dresden (500.000 Einwohner, Partner seit Vorwendezeiten, 1987) sind deutlich kleiner und schwächer als Hamburg und können daher besonders von der Hilfe der größten deutschen Hafenstadt profitieren. 
Auch Dar Es Salaam, welches mehr als doppelt so viele Einwohner wie Hamburg hat, profitiert sicherlich vom regen kulturellen und wirtschaftlichen Austausch.

Ebenso scheint das finanzstarke Handelszentrum Osaka (2,6 Mio Einwohner im Stadtgebiet, 17,5 Millionen im Ballungsraum) prädestiniert als Partnerstadt. 
Hamburg hat eine sehr große Japanische Gemeinde, welche der Stadt eine besondere Note beschert.

Bereits seit 1968 veranstalten die in Hamburg ansässigen, japanischen Firmen über der Hamburger Alster ein Feuerwerk. Es soll die Menschen auf die Pflanzung von ca. 5.000 Kirschbäumen im Alsterpark, an der Kennedybrücke, der Alsterkrugchaussee und am Altonaer Balkon aufmerksam machen, die als Dank an den Senat und die Hamburger für ihre Gastfreundschaft von den Japanern gepflanzt wurden. 
(Hamburg.de)

Da ich selbst in einer Straße mit vielen Japanischen Kirschen wohne, schwelge ich jedes Jahr einmal im rosa Blütenmeer.
Ein wirklich herausragendes Geschenk der Japaner an Hamburg, das auf mehr als 250 Jahre intensive Handelsbeziehungen mit Japan zurück blickt.
2011 fiel das traditionelle Kirschblütenfeuerwerk über der Außenalster angesichts der Erdbebenkatastrophe in Japan aus. 
Stattdessen reiste Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, der im engen Kontakt mit Osakas Stadtoberhäuptern steht, nach Japan und bot Hamburgs Hilfe beim Wiederaufbau an.

Eine Hilfe, die leider schon Tradition ist.

Im Januar 1995 verursachte das schwerste Erdbeben seit 50 Jahren in der Region Kobe/Osaka verheerende Schäden und forderte zahlreiche Opfer. Noch am Tag der Katastrophe sprach der damalige Hamburger Bürgermeister Voscherau die Anteilnahme Hamburgs in Telegrammen an die japanischen Partner aus. Gleichzeitig bot der Senat seine Hilfe und Unterstützung an. Als Ausdruck dieser Unterstützung lud der Senat im August fünf Jungen und Mädchen, die bei dem Erdbeben ihr Zuhause verloren hatten, aus Osaka nach Hamburg ein.
Einen ersten Höhenpunkt erlebte die neue Partnerschaft bereits 1989 während der im Rahmen des 800. Hafengeburtstags stattfindenden "Japan-Woche", die neben Ausstellungen und kulturellen Veranstaltungen auch ein hochrangig besetztes deutsch-japanisches Wirtschaftssymposium mit der Beteiligung Osakas umfasste.
(Hamburg.de)

Am erstaunlichsten sind die engen Beziehungen, die Hamburg schon im Jahr 1957 zum damaligen Leningrad einging. 

Die schönste Stadt Russlands trägt wie Hamburg aufgrund der vielen Brücken, welche die Flüsse und Kanäle der Stadt umspannen, den Beinamen „Venedig des Nordens.“

(Venedig verfügt über 400 Brücken, St. Petersburg über 500 und Hamburg hat 2.500 Brücken)

St Petersburg (1914-1924: Petrograd, 1924-1991 Leningrad) erlebte im zweiten Weltkrieg eins der grausamsten Schicksale überhaupt. 
Vom 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944, also ganze 871 Tage lang, wurde Leningrad von deutschen Truppen eingekesselt.
Hitler befahl keinen Angriff, sondern wollte die knapp vier Millionen Einwohner durch komplettes Abschneiden der Versorgung verhungern lassen.   
Es sollte ein regelrechter Genozid an der Stadtbevölkerung exekutiert werden.

Die Rationen sanken im Oktober auf 400 Gramm Brot für Arbeiter, 200 Gramm für Kinder und Frauen. Am 20. November 1941 wurden sie auf 250 Gramm, respektive 125 Gramm reduziert. Zudem herrschten Temperaturen von bis zu –40 Grad Celsius in einer Stadt, in der Heizmaterial äußerst knapp war. Allein im Dezember 1941 starben rund 53.000 Menschen. Viele von ihnen fielen einfach vor Entkräftung auf der Straße um. 
[…] Nach neueren Angaben des russischen Historikers Walentin Kowaltschuk starben in den drei Jahren der Belagerung etwa zwei Millionen Russen, davon mindestens 750.000 Zivilisten. Damit starben etwa 3–4 mal so viele Sowjetbürger, wie in der damals etwa 450.000 Einwohner umfassenden Wolga-Metropole Stalingrad.
(Wiki)

Wenn irgendjemand Grund gehabt hat nichts mehr mit den Deutschen zu tun zu haben, dann waren das die Bürger Leningrads.

Ich verbeuge mich vor den Russen, die schon 1957, gerade mal 12 Jahre nach Kriegssende Hamburg die Hand reichten.

Soweit ich es beurteilen kann, wird St. Petersburg allerdings auch besonders positiv konnotiert.

Hamburger lieben die russische Partnerin.

Als St. Petersburg nach den Umbrüchen in der damaligen UdSSR 1990 in arge wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet und wieder Petersburger im Winter verhungerten, installierte Hamburg die legendäre „Paketbrücke."
Ich kenne kaum einen Hamburger, der nicht 1991/1992 mindestens einmal ein Lebensmittelpaket hoch zu unser nordöstlichen Partnerstadt geschickt hätte.

In den Wintern 1990/91 und 1991/92 wurde das ganze Ausmaß der wirtschaftlichen Probleme in der Sowjetunion deutlich, von denen auch Leningrad, das seit 1991 wieder St. Petersburg heißt, nicht verschont blieb. Hamburg reagierte prompt auf die dramatische Verschlechterung der Versorgungslage in seiner Partnerstadt: Führende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens riefen zu einer Spenden- und Solidaritätsaktion auf und lösten einen überwältigenden emotionalen Schub in der Bevölkerung aus. Der Senat stellte im Rahmen eines Sofortprogramms 2 Mio. DM (1990) und 2,5 Mio. DM (1991) bereit. Hamburger Institutionen, Organisationen, vor allem aber Bürgerinnen und Bürger, Schulen, Kinderheime, Firmen, Kultureinrichtungen, Kirchengemeinden u.v.m. sammelten, spendeten, übernahmen Patenschaften und Partnerschaften, gründeten eine Vielzahl von Partnerschaftsinitiativen, die zum größten Teil heute noch bestehen. 
[…]   Die "Briefbrücke" wurde in dieser Zeit von der Deutsch-Russischen Gesellschaft Hamburg ins Leben gerufen. Wie damals werden auch heute noch ca. einmal im Monat Briefe und Geldspenden zwischen Hamburger und Petersburger Familien hin- und hertransportiert. 
Aus diesen Mensch-zu-Mensch-Aktionen haben sich Tausende von langfristigen Bürgerkontakten entwickelt. Heuten gehen wir von mehr als 30.000 Freundschaften zwischen Hamburg und St. Petersburg aus. Aus jenen Jahren stammen auch die großen Städtepartnerschaftsprojekte wie die Gründung des ECAT (Environmental Centre for Administration and Technology), das Hamburger Praktikantenprogramm für angehende Fach- und Führungskräfte und die Partnerschaft des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf mit dem Kinderkrebszentrum und Knochenmarktransplantationszentrum der Staatlichen Pawlow-Universität St. Petersburg.
(Hamburg.de)

Im Jahr 2012 geht es St Petersburg erheblich besser.
Die zweitgrößte russische Stadt hat fast fünf Millionen Einwohner und prosperiert.

Sie schafft sich dafür aber auch künstliche Probleme, die mit dem zunehmenden Einfluss der Religion zusammenhängen und erstmals scharfe kritische Töne aus Hamburg erschallen lassen.

St. Petersburg beschließt Gesetz gegen "Homo-Propaganda"
Der Stadtrat von St. Petersburg hat am Mittwoch mit 31 gegen sechs Stimmen ein Gesetz verabschiedet, das "Werbung" oder "Propaganda" für Homosexualität unter Strafe stellt.
Das Gesetz verbietet "öffentliche Aktivitäten", die Werbung für "Unzucht, Lesbischsein, Bisexualität und Transgender-Identität" sowie für Pädophilie machen. Es war von der Putin-Partei "Einiges Russland" ins Parlament eingebracht worden. Verstöße sollen mit Geldstrafen in Höhe von bis zu 12.000 Euro geahndet werden - noch im Dezember war eine Maximalstrafe von u
mgerechnet 1.200 Euro geplant. 
[…] Der Abgeordnete Alexander Kobrin erklärte nach Angaben der Tageszeitung "Moi Rajon", dass dann die Werke vieler bekannter russischer Autoren - wie von Nikolai Kljujew und Michail Kusmin - wegen homosexueller Inhalte in Schulen nicht mehr behandelt werden dürften. 
[…]   Ein solches "Homo-Propaganda"-Gesetz führt nicht nur dazu, dass CSDs generell verboten wären, auch die Arbeit von Coming-out-Gruppen oder HIV-Prävention wäre kaum mehr möglich. Unklar ist noch, ob das Gesetz auch Auswirkungen auf schwule oder lesbische Reisende nach St. Petersburg haben wird.
In Deutschland fordern nun die Grünen Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) auf, in Russland zu protestieren: "Dieses Gesetz darf keinen Bestand haben. Das Auswärtige Amt und Außenminister Westerwelle müssen unverzüglich in Russland demarchieren, um eine Rücknahme dieses Gesetzes zu erreichen", erklärte der grüne Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck. Es bestehe die Gefahr, dass dieses Gesetz noch in weiteren Regionen Nachahmer findet.

Volker Beck ist auch lustig! 

Er erwartet ausgerechnet von Westerwelle etwas zu sagen? 
Guter Witz. 
Westerwelle und Menschenrechte? Westerwelle und politische Aktivität? Westerwelle und Moral?

Da ist es ja wahrscheinlicher, daß Ratzinger nach St. Petersburg geht und mit der Regenbogenfahne wedelt.

Der Merkel-Regierung sind Menschenrechte herzlich egal, wie ihr Kungeln diese Woche mit Kasachstans Diktator Nasarbajew beweist.
Soeben hat sie den Präsidenten, der foltern und morden läßt, mit einer „Rohstoff-Kooperation“ aufgewertet und dabei die scharfen Proteste von Amnesty International und Human Rights Watch ignoriert. 
Menschenleben sind der begeisterten Waffenhändlerin keinen einzigen Euro wert.

Anders als die blamable schwarzgelbe Regierung haben sich übrigens Englands konservativer Premier Cameron und US-Außenministerin Clinton scharf gegen das Anti-Homo-Gesetz in St Petersburg ausgesprochen.

Und eben Hamburg.

Einstimmig ächtete die Bürgerschaft ein Gesetz, das gestern in Hamburgs Partnerstadt St. Petersburg beschlossen wurde. Demnach wird die "Propaganda von männlicher und weiblicher Homosexualität" sowie Bisexualität in der russischen Metropole unter Strafe gestellt. Urheber ist die Partei Vereintes Russland von Ministerpräsident Wladimir Putin. Die Bürgerschaft drückte "ihre tiefe Besorgnis über die aktuelle Entwicklung in St. Petersburg" aus und erinnerte die Partnerstadt an das russische Bekenntnis zu den Menschenrechten. Hamburg und St. Petersburg (damals: Leningrad) gingen 1957 die erste deutsch-russische Städte-Partnerschaft ein.