Sonntag, 1. Oktober 2017

Impudenz des Monats September 2017


Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Abgesehen von Trump, der alle anderen mit Bösartigkeit und Dummheit übertrifft gab es für mich im September ein ganz großes politisches Ärgernis.

Die Impudenz des Monats ist für mich das offenbar bis tief in die roten und grünen Parteien hineingerutschte Verständnis dafür die AfD zu wählen.

Alle Bundestagsparteien nehmen offenbar die 13% der Wähler, also gerade mal 5.877.094 Menschen, die 9,5% der Wahlberechtigten und 7,2% der Deutschen entsprechen ernster als 93% der Bevölkerung, die nicht AfD wählten.

AfDler sind laut und unangenehm. Aber aus demokratischer Sicht sind sie eine eher kleine Minderheit.

[….] Über eine Mehrheit, in Baldwins Sinne, verfügt, wer beeinflussen kann wie oder worüber gesprochen wird, welche Formen des Umgangs miteinander, welche Praktiken und Überzeugungen als normal gelten.
Über eine Mehrheit verfügt derjenige, der bestimmt, worüber gesprochen wird
Vielleicht ist das die beunruhigendste Fehlentwicklung der vergangenen Jahre: die eklatante Diskrepanz zwischen der realen, numerischen Größe der AfD und ihrem Einfluss darauf, wie wir miteinander umgehen und welche Sprache, welche Überzeugungen (wieder) als normal oder akzeptabel gelten können. Wann immer von Krise der Repräsentation gesprochen wurde, galt es als ausgemacht, dass damit die fehlende Aufmerksamkeit für die Wütenden gemeint sei. Es war eines der wiederkehrenden dramaturgischen Elemente der Erzählung der Rechten, dass sie sich als nicht ausreichend wahrgenommen behaupteten.
Nach den Wahlen stellt sich nun stattdessen die Frage, ob sich die Krise der Repräsentation nicht vielmehr darin zeigt, dass diejenigen, welche die überwältigende Mehrheit stellen, nicht ausreichend beachtet werden; dass diejenigen ignoriert werden, die ihre politischen Interessen, ihre sozialen Nöte, ihre demokratischen Sehnsüchte eben nicht in lautes Ressentiment und Rassismus umgewandelt sehen wollen; dass nicht zuletzt diejenigen nicht adäquat repräsentiert werden, die von diesen völkischen Fantasien der Rechten bedroht sind, jeden Tag, weil sie anders aussehen oder heißen, anders glauben oder anders lieben, als es der nationalistischen Minderheit gefällt.
Vielleicht ist dies die traurigste Fehlentwicklung der vergangenen Jahre: dass die demokratische Mehrheit der 87 Prozent sich ohnmächtig fühlt im Angesicht einer sich radikalisierenden Minderheit, die mit ihrer Taktik der Disruption und Enttabuisierung jede ernsthafte Auseinandersetzung unterläuft. [….]

Es wundert mich nicht mehr wenn CDU- und CSU-Politiker nun der AfD hinterherlaufen wollen, obwohl gerade die Landesverbände, die das am stärksten taten die größten Verluste hinnehmen mußten.

Es bleibt eine numerische Absurdität, wenn die Bundestagsparteien ausgerechnet einer schrillen rechten Minderheit als Impulsgeber empfinden und die gewaltige Mehrheit derjenigen, die nicht AfD wählten weniger in den Fokus nehmen.

Noch problematischer ist es aber, daß mit der Themensetzung der AfD eine rassistisch-xenophobe Gruppe aus einer Nebenrealität als regulärer politischer Wettbewerber aufgewertet wird. Es handelt sich aber bei AfD-Positionen nicht um Varianten von Steuer- oder Gesundheitskonzeptionen, sondern um prinzipielle Menschenfeindlichkeit, die auch noch im außerordentlich unangenehmen Gewand daher kommt.


Ich sehe nicht nur keine Notwendigkeit sich die Positionen dieser HAU-AB-Kreischer zu eigen zu machen, ich verlange von demokratischen Politikern, daß sie kontinuierlich gegen das Pack argumentieren.

Politiker wie Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht sind Enabler, wenn sie auf die soziale Konkurrenz von Flüchtlingen und deutschen Geringverdienern verweisen.
Sie sind moralisch auf dem Holzweg, wenn sie aus diesem konstruierten Gegeneinander den Schluss ziehen die lästige soziale Flüchtlingskonkurrenz auszusperren und abzuschieben.
Sie folgen einer verwerflichen Ethik, weil sie suggerieren, es wäre natürlich Menschen zu hassen und bösartigen Xenophoben nachzulaufen, wenn man um die Höhe seines HartzIV-Satzes fürchtet.

[….] Der Schlüssel für diese mangelnde Unterstützung durch diejenigen, die sich am unteren Ende der Einkommensskala befinden, ist die verfehlte „Flüchtlingspolitik“. [….]  Die soziale Gerechtigkeit verpflichtet dazu, denen zu helfen, die darauf am meisten angewiesen sind. Man darf die Lasten der Zuwanderung über verschärfte Konkurrenz im Niedriglohnsektor, steigende Mieten in Stadtteilen mit preiswertem Wohnraum und zunehmende Schwierigkeiten in Schulen mit wachsendem Anteil von Schülern mit mangelnden Sprachkenntnissen nicht vor allem denen aufbürden, die ohnehin bereits die Verlierer der steigenden Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen sind. Die Erfahrung in Europa lehrt: Wenn diese Menschen sich nicht mehr durch linke bzw. sozialdemokratische Parteien vertreten fühlen, wählen sie in zunehmendem Maße rechte Parteien.
[….] Nur eine Minderheit schafft es, mehrere Tausend Euro aufzubringen, mit denen man Schlepper bezahlen kann, um nach Europa und vorwiegend nach Deutschland zu kommen. [….] Man hilft unstreitig viel mehr Menschen, wenn man die Milliarden, die ein Staat ausgibt, um das Schicksal der Ärmsten dieser Welt zu verbessern, dazu verwendet, das Leben in den Lagern zu erleichtern und Hunger und Krankheit in den Armutsgebieten zu bekämpfen. [….]
Eine linke Partei darf bei der Hilfe für Menschen in Not das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit nicht außer Kraft setzen. Und bei den innerparteilichen Auseinandersetzungen hilft ein Blick auf die Wahlergebnisse. Wer bei Arbeitern und Arbeitslosen so wenig Unterstützung findet (und das war 2009 noch anders!), muss endlich darüber nachdenken, woran das liegt. [….]

Und als direkte Antwort:

Ich bin seit vielen Jahren arbeitslos, lebe von Hartz 4 und bin aufgrund gesundheitlicher Einschränkung auch nicht mehr voll arbeitsfähig und somit kaum vermittelbar fürs Jobcenter! Und ich lasse mich von Ihnen nicht als Spielball missbrauchen von Ihrer flüchtlingsfeindlichen Stänkerei! Ich lasse mich nicht gegen Flüchtlinge ausspielen, merken Sie sich das Herr Lafontaine!

Lafontaine leistete sich keinen einmaligen Ausrutscher; er ist Wiederholungstäter.

Schon 2005 in Chemnitz verwendete er Nazi-Vokabular und sprach von FREMDARBEITERN.

2007 trieb Lafontaine es soweit, daß die NPD ihre Gemeinsamkeiten betonte.

Beim Thema schnelle, brutale Abschiebungen übertrifft er CSU und AfD.

Unglücklicherweise deklamiert Sahra Wagenknecht auch manchmal AfD-Sprech, seit sie Lafontaine heiratete. Früher kamen ihre keine rechten Trigger über die Lippen.

Lafontaine will möglichst viele Flüchtlinge rauswerfen, um sich bei den AfD-Wählern anzubiedern. Ich halte das für hochgradig verwerflich.

Wenn nun auch Andrea Nahles vereint mit Andreas Scheuer, Alexander Gauland und Oskar Lafontaine einen „härteren Kurs gegen Flüchtlinge“ fordert, trifft sie hiermit meine entschiedene Verachtung.
Shame on you, Nahles!

Der fundamentale Unterschied zwischen Sympathisanten linker und rechter Ideologie ist, daß die einen sich mit den Schwachen solidarisieren und mit ihnen gegen die Starken kämpfen, während die anderen auf die Schwachen einprügeln und die Mächtigen stärken.

Wenn einer wie Trump mustergültige rechte Politik betreibt, also Billionen Dollar in die Portemonnaies von Millionären umleitet und täglich Schwarze, Transgender, Ausländer, Schwule und Hurrikanopfer beschimpft, erwarte ich von „Linken“, daß sie sich dem vehement entgegenstellen und nicht etwa die Ressentiments aufnehmen, indem sie überlegen, ob nicht Schwarze tatsächlich stinken und Schwule nicht doch weggesperrt werden könnten.

Wer in Deutschland sehr wenig verdient und eine zu kleine Wohnung hat, sollte sich als Linker mit Flüchtlingen schon deswegen solidarisieren, weil sie beide im selben Boot sitzen und gemeinsam stärker sind.

Wer als finanziell schwacher Nachbar von Heimatvertriebenen aber Verständnis für Brandanschläge äußert, Bernd Höckes rassistischen Thesen applaudiert und einen AfD-Spitzenkandidaten wählt, der stolz auf den Vernichtungskrieg der Wehrmacht ist und Türkischstämmige „nach Anatolien entsorgen“ will, der fürchtet nicht „soziale Konkurrenz“, sondern ist ein riesengroßes Arschloch.

Aus grundsätzlichen moralischen Überlegungen kann ich ohnehin nicht nachvollziehen, wieso jemand, der rein zufällig in einem reichen Land ohne Krieg geboren wurde für immer und ewig besser gestellt sein soll als jemand, der rein zufällig in einem armen Kriegsgebiet zur Welt kam. Beide haben daran keinen Verdienst. Willkürlich von Menschen gesetzte Grenzen können doch nicht ernsthaft noch im 21. Jahrhundert als Rechtfertigung dafür herhalten, daß wir Milliardenüberschüsse horten, während jenseits der Grenzen Myriaden Kinder verhungern.

Es ist aber noch dramatischer, denn wir sitzen nicht nur rein zufällig auf der reicheren Seite der Grenzen, sondern wir haben auch noch einen gehörigen Anteil daran, daß es denjenigen auf der anderen Seite schlecht geht. Wir profitieren finanziell von ihnen, exportieren Waffen, fischen Afrikanern die Meere leer, verkaufen unser Hühnerklein in Hungerländer.
Es gibt den humanitären Aspekt, die deutsche Vergangenheit, deutsche Mitverantwortung an den Migrationsursachen und außerdem die Unmöglichkeit Tausende Wasserleichen im Mittelmeer zu akzeptieren.

Nun ist es aber nicht nur unmoralisch aus einer finanziellen Konkurrenz zum Nazifreund zu werden, sondern es handelt sich ohnehin um einen Popanz.
Die Aufnahme von Flüchtlingen kommt zunächst einmal einem Konjunkturprogramm nahe. Es wird staatliches Geld ausgegeben. Dadurch entstehen Jobs, es wird gebaut, es wird Nachfrage generiert. Die konjunkturelle Belebung durch Migration ist in Deutschland durchaus messbar.
Und auf lange Sicht sind die Neubürger ohnehin ein Segen für das alternde Deutschland, welches jetzt schon viele ausgeschriebene Stellen nicht besetzen kann.

[….] Die Bundesagentur für Arbeit hält den deutschen Arbeitsmarkt für stark genug, um eine große Zahl von Flüchtlingen aufnehmen zu können. "350.000 Flüchtlinge jährlich sind für den deutschen Arbeitsmarkt rein quantitativ derzeit kein Problem, denn jährlich entstehen rund 700.000 Arbeitsplätze neu", sagte BA-Vorstand Detlef Scheele der "Welt". Eine Konkurrenz zu arbeitslosen Deutschen sieht er im Regelfall nicht: "Dafür ist die Gruppe der Migranten zu klein." [….]

Auch wenn es anders wäre, würde ich mich klar für die Aufnahme von Heimatvertriebenen einsetzen; dafür gibt es die schon genannten zwingenden Gründe.
Hinzu kommt aber auch noch:
Flüchtlinge sind keine finanzielle Last, sondern kurz- und langfristig ein ökonomischer Segen.
Damit es auch ein AfD-Wähler kapiert, noch einmal simpel herunterformuliert:
Flüchtlinge nutzen mehr als sie kosten.