Sonntag, 29. Januar 2023

Dürre Dürr-Denke

Das ist natürlich irgendwie Pech für die FDP: Beide Koalitionspartner stecken in Schwierigkeiten, beide mussten schon je einen Minister austauschen und dennoch ist niemand so unbeliebt wie die peinlichen Sechs der FDP.

Entsprechend deprimierend der Lindnerische Blick auf die Umfragedaten. Grüne und Rote sind dreimal, die Schwarzen viermal, die Braunen zweimal so stark wie die Gelben.

Wie kommt es? Das ist leicht zu erklären: Schlechtes Personal, überhebliche Parteiführung, aus der Zeit gefallene Ansichten.

Dabei wäre gerade Wissings Ministerium mit dem mehr denn je benötigten ökologischen Umbau des Verkehrs und der dringend nachzuholenden Digitalisierung prädestiniert, sich zu profilieren. Aber der Gelbe ist in jeder Hinsicht eine totale Fehlbesetzung.

Die konservative Ursula Weidenfeld, neuerdings eine der zunehmend rechten SPIEGEL-Kolumnisten, schriebt Wissing in sein hepatitisgelbes Stammbuch:

 […] 12.000 Leute packen in diesen Tagen ihre Habseligkeiten in einen Pappkarton, holen ihre auf Firmenkosten gereinigten Klamotten ab, greifen noch einen Schokoriegel aus der offenen Kaffeebar und verlassen die Firmenzentrale in der kalifornischen Kleinstadt Mountain View. Sie wurden gefeuert. Von Google. […] Etwa 50.000 Arbeitsplätze werden bei den ganz Großen im Silicon Valley in den nächsten Monaten gestrichen, schätzen Branchenexperten. Dazu kommen ungezählte Jobs in gescheiterten Start-ups, stillgelegten Fintechs und explodierten Kryptowährungsminen.

Wäre ich deutscher Minister für digitale Infrastruktur […]: Ich würde eine Dienstreise nach San Francisco buchen. Heute. Und schon morgen würde ich mit großen Schildern vor den Zentralen von Twitter und Microsoft stehen, Flyer in Bussen, Umzugswagen und Mietautos auslegen, in der San Francisco Caltrain Station einen Stand aufschlagen und auf LinkedIn Anzeigen schalten: »Come to Deutschland. Germany hires«.[…] Bisher verhalten sich die Deutschen auf dem globalen Arbeitsmarkt dumm. Auf den Philippinen, in Vietnam und Malaysia akquirieren sie etwas herablassend Hilfskräfte für deutsche Altenheime (»Lernen sie Deutsch«). Nach Kalifornien aber reisen sie wie die staunenden Zauberlehrlinge: Amerikanische Arbeitskräfte bei Big Tech sind ja so super-innovativ! So lässig! Sie schauen ihnen voller Bewunderung dabei zu, wie sie Algorithmen bauen, die selbsttätig bachelorreife Aufsätze schreiben. Oder bezeugen beeindruckt, wie die High-End-Worker nach der Arbeit cool am Joint ziehen.

Ihnen Jobangebote zu machen, das trauen sie sich nicht. Gerade zurück aus dem Silicon Valley ist beispielsweise Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Er hat mit Twitter- und Tesla-Chef Elon Musk über Desinformation diskutiert. Hätte er nicht auf dem Weg nach draußen den gerade Entlassenen eine Mitfahrgelegenheit anbieten können?

»Ein mittelmäßiges Gehalt ist besser als kein Gehalt«, hätte er ihnen zurufen können. Oder »Deutsche Sommer werden unterschätzt.« Fehlanzeige. Wieder in Berlin, erinnerte sich der Minister an Drohnen, die ganz alleine auf hoher See segeln können. […]

(SPON, 25.01.2023)

Die fünf FDP-Popanze - Steuersenkungen für Superreiche, Blockade Grüner Klimapolitik, Porschepartei-artiges freies Rasen, Schuldenbremse, keine Hilfen für Finanzschwache – sind alle out.

Die internationale politische Lage erfordert nun zwingend genau all die Maßnahmen, die Lindner in seinem bisherigen politischen Leben als schwere Ketzerei verdammte.

Sehr unerfreulich für die privilegiert geborene FDP-Klientel mit kleinem Penis und großer Brieftasche, wenn ihnen nun ausgerechnet ein „linksgelbes Kabinett“ (Merz) Zumutungen wie Stromsparen, langsam Fahren und weniger Privatjet fliegen an den Latz knallt. Da sperren sich Verkehrsminister Wissing und Porscheminister Lindner mit ganzer Kraft.

Der einzige der sechs großen Gelben, der etwas weiter denken kann, ist Fraktionschef Christian Dürr. Aber er wäre nicht Fraktionschef ausgerechnet der FDP, wenn ihm das Denken immer gut gelänge.

So fabulierte der Porscheparteimanager, Deutschland könne doch weiterhin das Klima mit einem Rekord-CO2-Ausstoß verpesten, wenn es dafür dringend für die Wirtschaft benötigten Migranten abschiebe.

[….] „Um Druck auf die Herkunftsländer auszuüben, könnten wir Rücknahmen zum Beispiel an Geld für den Klimaschutz koppeln“, sagte Dürr der „Bild“ vom Samstag.

Der FDP-Fraktionschef weiter: „Wer seine Landsleute zurücknimmt, erhält im Gegenzug Unterstützung etwa bei der Produktion von klimaneutralen Kraftstoffen für Autos in Deutschland. Das wäre in beiderseitigem Interesse.“

Dürr betonte, es brauche jetzt Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern. „Oft streiten diese ab, dass die Verbrecher ihre Staatsbürger sind“, sagte er. „Da müssen wir ran.“  [….]

(Tagesspiegel, 29.01.2023)

Dürr versucht es Merz-Maaßen-mäßig beim völkischen Sudelblatt BILD. Allerliebst.

[…] was Dürr da vorschlug: einen Tausch, Menschen gegen Klimaschutz. Ja, wirklich. […] Dürr möchte »Druck auf die Herkunftsländer ausüben«, und das an »Geld für den Klimaschutz koppeln«. An was für Länder er dabei denkt, sieht man an dem Verweis auf die »klimaneutralen Kraftstoffe«.[…] In ehrliches Deutsch übersetzt lautet Dürrs Vorschlag: Ihr habt ja Sonne da unten, wenn ihr eure Leute zurücknehmt, geben wir euch Geld, damit ihr daraus Sprit für unsere Autos machen könnt.

Das ist gleich in fünffacher Hinsicht absurd und abseitig. Das ist für zwei Sätze schon eine Leistung.

    Erstens ist die Vorstellung, Menschen als Faustpfand für finanzielle Hilfen in einem völlig anderen Kontext einzusetzen, erkennbar – und offenkundig absichtlich – zynisch, um es höflich zu formulieren.

    Zweitens ist es nicht primär im Interesse afrikanischer Staaten, dass dort Klimaschutz betrieben wird, sondern in unserem eigenen. […]

    Drittens leiden viele Herkunftsländer von Asylsuchenden schon jetzt unter massiven Folgen der Erderhitzung – und daran ist Deutschland maßgeblich mitschuldig. Zur Erinnerung: Wir liegen, was die historisch kumulierten CO₂-Emissionen angeht, global auf Platz vier . Dürrs »Vorschlag« klingt für afrikanische Staaten also so: Wir sind zwar maßgeblich mitverantwortlich dafür, dass eure Länder langsam unbewohnbar werden. Aber wenn ihr Unterstützung dabei wollt, unsere Fehler zu vermeiden, spurt ihr gefälligst.

    Viertens wäre es das Gegenteil von »Klimaschutz«, afrikanische Länder als Erstes zur Produktion von »CO₂-neutralen Kraftstoffen« aufzufordern. Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es derzeit, von Südafrika abgesehen, so gut wie keine Kohlekraftwerke . […] Wenn dort also erneuerbare Energien ausgebaut werden, was wirklich bitter nötig ist, dann werden sie zuallererst dafür gebraucht, die eigene Bevölkerung mit Energie zu versorgen. Nicht dafür, die Sportwagen und SUV von FDP-Wählern mit »CO₂-neutralen Kraftstoffen« zu betanken.

    Fünftens: »CO₂-neutrale Kraftstoffe« für Pkw sind eine Luftnummer. […] Nicht einmal der Porsche- und VW-Chef Oliver Blume  glaubt an Christian Lindners Träume von einer Zukunft mit lauter CO₂-neutralen Verbrennern. […]

(Christian Stöcker, 29.01.2023)

Vielleicht sollte der 45-Jährige Delmenhorster Diplom-Ökonom das Denken den Pferden überlasse. Die haben größere Köpfe.