Bill Clinton, der junge Anwalt und Gouverneur aus dem kleinen Südstaat Arkansas, den man noch gar nicht auf der großen Washingtoner Bühne kannte, wurde 1992 mit dem Credo, sich auf die US-Wirtschaft zu konzentrieren, zum Präsidenten gewählt. Dabei werden Amtsinhaber üblicherweise nicht abgewählt; George Herbert Bush, der Vize des legendären Ronald Reagan, war aber erst vier Jahre im Amt und bewegte sich auf der ganz großen internationalen Bühne mit der deutschen Wiedervereinigung, den Umbrüchen der Gorbatschow-Ära, dem Kollaps des Warschauer Paktes und natürlich dem großen US-Feldzug gegen Saddam Husseins Irak. Einem Kriegspräsidenten fällt das Wahlvolk erst Recht nicht in den Rücken – wie sein Sohn 2004 noch beweisen sollte.
Clinton hatte aber eine (damals) goldrichtige Erkenntnis, die er mit seiner Eloquenz und Intelligenz konsequent umsetzte: Am meisten interessieren sich seine Landsleute für einen brummende heimische Wirtschaft.
Tatsächlich war er auch der Präsident, in dessen Amtszeit die Wirtschaft wie nie florierte, während er, anders als seine Reagonomics-Vorgänger, auch noch das chronische US-Haushaltsdefizit in ein fettes Budget-Plus umwandelte.
Im Herbst 2000, nach seinen acht Jahren, als er nicht mehr kandidieren durfte, war nicht nur voll leistungsfähig, sondern auf dem Zenit seiner Beleibtheit. Mit Leichtigkeit hätte er eine Wahl in die dritte Amtszeit gewonnen und das unglaubliche Desaster, welches sein Nachfolger anrichtete, mutmaßlich verhindert.
Schon Barack Obama wurde 2008 mit seinem Slogan „change“ eher gewählt, um die fürchterliche GW Bush-Zeit zu beenden. 2012 gelang ihm die Widerwahl trotz schlechter wirtschaftlicher Lage, weil er persönlich integrer und beliebter war, als der damals als sehr rechts empfundene Multimillionär Mitt Romney.
Biden wiederum gelang der 2020er Wahlsieg analog zu Obama 2008 – das Volk hatte den vorherigen extrem schlechten rechten Amtsinhaber satt.
Die Entwicklungen zwischen 1992 und 2024 scheinen die Demokraten aber kaum wahrgenommen zu haben. Sie sind stattdessen unfassbar naiv. Sie dachten, Biden liefert gute Wirtschaftsdaten. Das müssten die Wähler honorieren. Zudem wäre eine Wiederwahl seines Amtsvorgängers wegen der Trump-Prozesse ausgeschlossen. Die Wähler stimmten schließlich nicht für einen verurteilten Verbrecher!
Was macht es da schon, wenn Joe Biden etwas klapperig
wirkt?
Seine ausgezeichnete Regierungsbilanz steht doch außer Frage, während Trump nur wie gedruckt lügt.
Unglücklicherweise befinden sich die Demokraten damit völlig auf dem Holzweg. Es ist eben NICHT die Wirtschaft. Es entscheidet eben nicht die Ratio der Wähler, es geht eben nicht um Qualifikation oder Reputation.
Wahlentscheidend sind viel mehr Stimmungen. Psychologie. Narrative. Spins. Kampagnen. Lügen. Verschwörungstheorien.
Die religiöse Deutung des versuchten Trump-Attentats und die daraus resultierende Heldensage, vom Gott-Gesandten, dem absolut nichts etwas anhaben kann – weder Anklagen, weder Impeachments, weder Verurteilungen, noch Kugeln – schlagen jedes rationale Argument tot.
Der Image-Kontrast zu „Tattergreis-Joe“, der kaum einen Satz unfallfrei zu Ende bringt und bei dem man stets befürchtet, er falle im nächsten Moment über seine eigenen Füße, wenn er stocksteif und gebrechlich umher stakst, könnte nicht größer sein.
Trumps Anhänger verhalten sich wie zu allem entschlossene fanatische Jünger. Sie glauben felsenfest an seinen Sieg.
Zum Zeichen ihrer bedingungslosen Treue zu dem multikriminellen Rassisten kopieren sie ihn sogar optisch.
[….] Es ist schon ein großes Problem, dass die Sachlichkeit in der Politik so kurz kommt und das Emotional-Aggressive immer mehr in den Vordergrund gerät. Ich gehöre zwar nicht zu denjenigen, die den Politikern immer die Schuld daran geben, allerdings hat diese Art der aggressiven Auseinandersetzung schon stark zugenommen. Daran hat Donald Trump selbst einen großen Anteil, mit einer Sprache, die spaltet, und seinem Narzissmus. Damit spricht er viele Menschen an, denen es vollkommen egal ist, ob er recht hat oder nicht.
Viele möchten sich mit einem identifizieren, der sich die Gesetze selbst schafft und signalisiert, dass die herkömmlichen Gesetze und Regeln nur für die Schwachen gelten. Das spricht viele Menschen an, die unzufrieden sind und gerne so wären wie er. Donald Trump zelebriert den Narzissmus in einer geradezu lehrbuchartigen Weise. Nun wird dieses Bild noch um eine Facette erweitert: Trump wird als Überlebender dieses Attentats von seinen Anhängern als Unverwundbarer gefeiert, als einer, der von Gott berufen sein muss. […..]
(Psychiater Reinhardt Haller, 17.07.2024)
Bidens Anhänger hingegen, haben Mitleid mit ihrem Kandidaten. Sie befürchten, er werde sie in eine katastrophale Wahlniederlage steuern.
[…..] Erst hatte der Präsident kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu: Eigentlich wollte Joe Biden am Mittwoch in Las Vegas vor Anhängern eine große Rede halten. Doch der Auftritt musste wegen Bidens plötzlicher Coronaerkrankung abgesagt werden. Damit ist klar: Die große Comeback-Tour des Präsidenten – bei der er allen seinen Kritikern beweisen wollte, dass er weiterhin genug Kraft und Ausdauer hat –, sie endet, bevor sie überhaupt so richtig begonnen hat.
Im US-Fernsehen wurden Bilder von der vorzeitigen Abreise Bidens aus Las Vegas gezeigt. Zu sehen war ein sichtlich angeschlagener Präsident, der die kurze Treppe zu seinem Flugzeug nur mit größter Mühe allein erklimmen konnte. Der Präsident habe eine »laufende Nase« und fühle sich »allgemein unwohl«, teilte das Weiße Haus mit. Er werde sich in sein Feriendomizil in Rehoboth Beach an der Atlantikküste zurückziehen. Für diesen Donnerstag stehen keine offiziellen Termine auf dem Kalender des Präsidenten. Es sind bittere Tage für Joe Biden: Während sein Herausforderer Donald Trump beim Parteitag der Republikaner in Milwaukee wie ein Held gefeiert wird, kränkelt der Demokrat und gerät in den eigenen Reihen erneut unter Druck, seine Präsidentschaftskandidatur aufzugeben. Einiges spricht dafür, dass es schon bald zu wichtigen Entscheidungen kommen könnte. Der Sender CNN berichtete unter Berufung auf nicht genannte Quellen, Biden habe in Gesprächen mit Parteifreunden angeblich erstmals Offenheit für einen möglichen Rückzug gezeigt. […..]
Auch ich habe Mitgefühl für Joe Biden. Auch ich empfinde es, als hochgradig ungerecht, wie schwächlich und ungeeignet er von den Wählern angesehen wird, während sie Trump für einen dynamischen Jungspund halten.
Es tut mir weh, ihn leiden zu sehen. Aber selbstverständlich ist es seine eigene Schuld. Er klammert sich an das Amt und versteht seine Rolle als Übergangskandidat nicht. Er hätte längst zurücktreten sollen, um sich gar nicht erst in diese demütigende und für jeden hochpeinliche Situation zu bringen, in der selbst seine engsten Freunde, die ihn so sehr schätzen peu à peu aus Verzweiflung ihre Loyalität überwinden und sich gegen ihn positionieren.
[…..] Jede Menge Aussetzer - und dann auch noch Corona. […..] Es war wohl einer seiner gewichtigsten Fürsprecher, nun scheint auch er - zumindest laut Medienberichten - Zweifel zu haben: Der frühere US-Präsident Barack Obama hat sich offenbar skeptisch über die Wiederwahlchancen von Amtsinhaber Joe Biden geäußert. Das melden unter anderem die Nachrichtenagentur AP und die Washington Post. Laut AP soll Obama in privater Runde gegenüber Vertrauten Bedenken über Bidens Festhalten an seiner Kandidatur geäußert haben. [……]
Was für ein Drama, was für ein Desaster, daß die Biden-Familie die Realität nicht erkennt und engste Freunde zu solch schmerzhaften Schritten zwingt.
[…..] Bemerkenswert ist, dass jetzt vor allem die Führung der Partei mehr und mehr auf Distanz zu Biden zu gehen scheint. In der Hauptstadt Washington, D.C., brodelt es heftig in der Gerüchteküche: Hakeem Jeffries, der Fraktionschef der Demokraten im Repräsentantenhaus, soll Biden bei einem vertraulichen Treffen vor einer Niederlage der Partei gewarnt haben, sollte er an seiner Kandidatur festhalten. Der Sender ABC will derweil erfahren haben, dass der mächtige Anführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, Biden in einem Vieraugengespräch am vergangenen Samstag direkt zur Beendigung seiner Präsidentschaftskandidatur aufgefordert haben soll. Zwar ließ Schumer mitteilen, es handele sich bei dem Bericht um reine Spekulation. Doch ein klares Dementi klingt anders.
Welche Rolle spielt Nancy Pelosi? […..] Hinter den Kulissen sehr aktiv ist in der heiklen Angelegenheit offenkundig auch die frühere Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Sie verfügt bei den Demokraten weiterhin über erheblichen Einfluss, auch weil sie gute Kontakte zu vielen Großspendern hat. […..]