Warum
tun die Araber eigentlich nichts?
Diese Frage zog sich durch die Republikanischen Präsidentschaftsdebatten in den USA.
Diese Frage zog sich durch die Republikanischen Präsidentschaftsdebatten in den USA.
Und
viele der GOPischen Möchtegern-Außenpolitiker versprachen ihrem Publikum,
amerikanische „boots on the ground“ wären nicht nötig, weil sie diesmal die
reichen Golfstaaten dazu brächten das Kämpfen zu übernehmen.
Aus
Sicht konservativer Amerikaner ist es in der Tat irgendwie unbefriedigend
gelaufen bisher: Fast alle der WTC-Attentäter waren saudische Staatsbürger und
als es anschließend ans Aufräumen in Afghanistan und dem Irak ging, hielt
sich Riad vornehm zurück.
Auch
wenn das eine sehr vereinfachte Darstellung ist, so hat sich doch bei westlichen
Bellizismus-Diskussionen eingebürgert die Armeen der Golfmonarchien gar nicht erst
einzuplanen.
Über
richtiges Militär scheinen nur Israel und der Iran zu verfügen und beide sind
denkbar unbeliebt bei ihren Nachbarn.
Es ist
schon bequem für die sunnitischen Nationen unter dem Radar zu operieren.
Wenn man
sich in deutschen Talkshows über die fürchterlichen Zustände in Gaza echauffiert,
weil Israel den Gaza-Streifen so abriegelt, daß weder Medikamente noch Nahrungsmittel
hineinkommen und Michel Friedmann zufällig dabei sitzt, um daraufhin zuweisen,
daß Gaza auch eine Grenze zu Ägypten habe, die Ägypten aber genau hermetisch
abriegele, dafür von Deutschen aber nie kritisiert werde, glotzt man ihn
ungläubig an und vergisst den Einwand sofort wieder.
Vergessen
wird auch, daß der kleine gebeutelte Libanon und das arme Jordanien, sowie die
Türkei und Pakistan mit Abstand die allermeisten Flüchtlinge aufnehmen,
obwohl man sie schwerlich für die Zustände im Irak oder Syrien verantwortlich
machen kann.
Nur 5%
der Flüchtlinge aus dem Nahen Osten gelangen überhaupt bis nach Europa.
In Folge der weiter
ansteigenden Flüchtlingszahlen wird auch der Druck auf die Aufnahmeländer immer
größer. In absoluten Zahlen nahm die Türkei bis 30. Juni 2015 mit 1,84
Millionen die meisten Flüchtlinge unter UNHCR-Mandat auf (Palästinenser fallen
unter das Mandat der Schwesterorganisation UNRWA). Im Verhältnis der
Flüchtlingszahl zur einheimischen Bevölkerung hat der Libanon mit 209
Flüchtlingen pro 1.000 Einwohnern die meisten Menschen aufgenommen. Mit 469
Flüchtlingen pro Dollar des Bruttoinlandsprodukts trägt Äthiopien in Relation
zu seiner Wirtschaftskraft die größte Last.
Den Großteil der
Verantwortung für die Aufnahme von Flüchtlingen tragen weiterhin jene Länder,
die unmittelbar an die Konfliktzonen angrenzen; viele von ihnen sind
Entwicklungsländer.
Die
sechs größten Aufnahmeländer von Flüchtlingen
(Zahlen
bis Ende 2014)
Türkei - 1,59
Millionen
Pakistan - 1,51
Millionen
Libanon - 1,15
Millionen
Iran - 982.400
Äthiopien - 659.500
Jordanien - 654.100
Länder
mit den meisten Binnenvertriebenen
Syrien - 7,6 Millionen
Kolumbien - 6
Millionen
Irak - 3,6 Millionen
Demokratische Republik
Kongo - 2,8 Millionen
Sudan - 2,1 Millionen
Südsudan - 1,5
Millionen
Somalia - 1,1
Millionen
Viele
muslimische Länder sind also durchaus sehr engagiert bei der
Flüchtlingsaufnahme – deutlich mehr als Deutschland, das auch 2015 „nur“ 2,5
Asylanträge pro 1000 Einwohner verzeichnet (Libanon: 209).
In der
Tat, das steinreiche Saudi-Arabien nimmt nicht in so einem Umfang Flüchtlinge
auf.
Leider
stimmt es aber auch nicht, daß Saudia-Arabien sich ganz zurückhält.
Die mit deutschen Panzern und deutscher Logistik hochgerüstete
wahabitische Monarchie mischt militärisch mit.
Und
stiftet Unheil.
Im März
2011 rückten Saudische Truppen mit deutschen Panzern in Bahrain ein, um dort die
Demokratiebewegung niederzuschlagen.
In den
nächsten Jahren forcierte Waffen-Prinzessin Merkel noch mal die militärischen
Exporte nach Saudi Arabien.
Täglich treffen sich
in dem Königreich Bahrain mit Einbruch der Dunkelheit meist junge
Demonstranten, fordern Demokratie und liefern sich Schlachten mit Polizei und
Militär. Das hat WDR-Autor Marc Thörner bei seiner Recherche im abgeschotteten
Bahrain erfahren. Die Königsfamilie unterdrückt jeglichen Protest brutal und
ist sich seit Beginn der "Arabellion" im März 2011 des Beistands
Saudi-Arabiens sicher.
Vor diesem Hintergrund
legt der Autor die Brisanz der von der Bundesregierung beschlossenen
Panzerlieferungen an Saudi Arabien und Katar offen. Mit den Panzer-Exporten, so
Thörner, schlägt sich Deutschland eindeutig auf die Seite reformfeindlicher und
erzkonservativer Golfmonarchien, vor allem um den vermeintlich wachsenden Einfluss
Irans in der Region zurückzudrängen. Ein Spiel mit dem Feuer, wie der Autor
aufzeigt.
Das ARD radiofeature
"Panzer für das Kalifat" schildert erschütternde Geschichten von
Menschenrechtsverletzungen in Bahrain. So berichtet Rula Safar, die Leiterin
einer Krankenpflegeschule, dass Prinzessin Nura al Khalifa, eine Angehörige der
sunnitischen Herrscherfamilie, sie persönlich geschlagen und mit Elektroschocks
bis zur Bewusstlosigkeit gefoltert habe, weil sie verletzte Aufständische
behandelte. [….]
Nach dem
blutigen Eingreifen in Bahrain agierte Riad sogar sukzessive noch aggressiver
und brutaler.
Saudi-Arabien bombt
den Jemen ins Elend
[…] Seit
vier Monaten führt Saudi-Arabien mit Unterstützung arabischer Staaten Krieg
gegen die Huthi-Rebellen im Jemen. Die Huthis sind Zaiditen, Anhänger einer
Strömung im schiitischen Islam. Ihr gehören etwa ein Drittel der Jemeniten an. […]
Seit Beginn der Luftangriffe auf den
Jemen sind dort nach Zählung der Uno knapp 4000 Menschen getötet und fast
20.000 weitere verletzt worden. Jeder zweite Tote war Zivilist.
Die
Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) wirft Saudi-Arabien
Kriegsverbrechen im Jemen vor. Am vergangenen Freitag soll die Luftwaffe ein
Wohnviertel in der Stadt Mokka bombardiert haben. Dabei seien 65 Menschen
getötet worden, unter ihnen zehn Kinder.
[…]
Die
USA unterstützen die Militärkampagne Saudi-Arabiens - und machen sich damit
mitschuldig am Tod Unbeteiligter. Einerseits sieht Washington einen Jemen, der
von den proiranischen Huthis regiert wird, mit Sorge. Wichtiger aber noch ist,
dass US-Präsident Obama die Unterstützung der Saudis im Kampf gegen die
Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) braucht. Deshalb lässt er
König Salman im Jemen weitgehend freie Hand.
Leidtragende dieses Kriegs
sind die Zivilisten im Jemen. Nach Schätzungen der britischen Hilfsorganisation
Oxfam hungern derzeit 13 Millionen Jemeniten, also etwa die Hälfte der
Bevölkerung. Seit der saudi-arabischen Intervention sei die Zahl der Hungernden
täglich um rund 25.000 gestiegen.
[…]
Sich ein
militärisches Eingreifen der reichen Golf-Monarchien zu wünschen, ist
überflüssig, weil das längst passiert ist und die allgemeine Lage nur noch mal
extrem verschlimmert hat.
Der
schiitische Bahrain und auch die schiitischen Zaiditengruppe der Huthi gelten
als Assoziierte der großen schiitischen Schutzmacht Iran.
Und hier
wird es kompliziert.
Der Iran
sollte eigentlich ein natürlicher Verbündeter „des Westens“ sein, weil er im
Gegensatz zu den steinzeitlichen Golfmonarchien so etwas wie Demokratie
praktiziert, Wahlen abhält und eine sehr modern eingestellte Jugend hat.
Zudem ist
der Iran die einzige Macht, die den zerfasernden Irak stabilisiert und der
womöglich effektivste Gegner des Daesh und Al Kaidas. Iran ist auch die
Großmacht, die das größte Interesse daran hat den alten Verbündeten Syrien zu
erhalten und den Bürgerkrieg zu beenden.
Aber
leider misst man im Westen mit zweierlei Maß.
Der Iran
ist mit Russland verbündet und bekanntlich ist Putin gerade „bähbäh“ und noch
schlimmer: Er ist der große Gegenspieler Saudi Arabien, das zwar noch wesentlich
brutaler die Menschenrechte mit Füßen tritt als der Iran, aber andererseits
auch sehr sehr sehr reich ist. Und wer so viele Milliarden in den Umlauf
bringt, wird vom Westen natürlich protegiert.
Daß der neue König Salman bereits über 157 Menschen mit dem
Schwert köpfen ließ, wird in den EU-Hauptstädten entweder
gar nicht oder sehr kleinlaut kommentiert.
Man
stelle sich vor Putin würde auch nur 15 Menschen köpfen lassen. Dann wäre aber
was los.
Noch
mehr Menschen als in Saudi Arabien werden lediglich in den USA und China
hingerichtet – aber mit Blick auf die ökonomische Potenz der beiden
Riesenstaaten verbietet sich natürlich jede Kritik.
Gut
möglich allerdings, daß es der Killer-König Salman nun doch etwas
übertrieben hat. Nach der klar anti-schiitischen Politik in Bahrain und dem
Jemen, provozierte er am Wochenende erneut den Iran so heftig, daß es nur noch
eine Frage der Zeit ist, bis es nicht mehr bei
Stellvertreterauseinandersetzungen bleibt, sondern der ganze Nahe Osten in
Flammen gesetzt wird.
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Oppositionelle ließ Salman auf einen Schlag köpfen.
Offensichtlich
will er unter allen Umständen Härte und Entschlossenheit zeigen.
Das saudische
Königshaus hat Angst, dass es ihm so ergehen könnte, wie es Hosni Mubarak in
Ägypten erging oder Baschar al-Assad in Syrien. Es hat Angst vor einem
Machtverlust, der vor zehn Jahren noch unvorstellbar schien. Die Folge: Das
Königshaus schlägt um sich.
Diesmal
hat er sich aber nicht irgendwelche harmlose Schwule oder atheistische Blogger
ausgesucht, nach denen kein Hahn kräht, sondern mit Nimr Baqir al-Nimr einen
berühmten Ayatollah abgemurxt. Er war ein betont friedlicher Mann und um
die Perfidie perfekt zu machen wurde dessen 17-Jähriger Neffe Ali Mohammed
Baqir al-Nimr ebenfalls verhaftet und zum Tode verurteilt.
Das Schicksal des
Predigers droht auch drei weiteren Dissidenten, darunter dem Neffen Al-Nimrs.
Die jungen Männer hatten gegen die Unterdrückung der schiitischen Minderheit
durch die Regierung demonstriert und waren dafür 2012 festgenommen worden. Zu
diesem Zeitpunkt waren sie allesamt jünger als 18 Jahre. Ein Scharia-Gericht
verurteilte Ali al-Nimr dennoch zum Tode. Er soll enthauptet und seine Leiche
anschließend auf einem Kreuz öffentlich zur Schau gestellt werden. Da ein
Einspruch vor Kurzem zurückgewiesen wurde, kann das Urteil jederzeit
vollstreckt werden.
Aber
zunächst einmal versetzte der Tod al-Nimrs Schiiten weltweit in Rage.
Und
womit?
Mit Recht.
Mit Recht.
Politisch brisant ist
vor allem die Exekution des schiitischen Geistlichen und Oppositionellen Nimr
Baqir al-Nimr. Der 56-jährige Ayatollah führte die Proteste der schiitischen
Minderheit im Jahr der arabischen Revolutionen 2011 an. Dabei sprach sich al-Nimr,
dessen Name "der Tiger" bedeutet, wiederholt gegen gewalttätige
Proteste aus. Der BBC sagte er, er ziehe "das Brüllen des Wortes gegen die
Obrigkeit den Waffen vor". "Die Waffe des Worts" sei
"stärker als Kugeln." Nun ist das Brüllen des Tigers verstummt.
Man
fragt sich schon, was im Kopf des greisen Salman, der gerade aufgrund des
Ölpreisverfalls ein gigantisches 100-Milliarden-Dollar-Haushaltsloch zu
verkraften hat, vorgeht, daß er mit allen Mitteln einen Konflikt mit dem Iran
vom Zaun brechen will.
Vermutlich
hofft er, der seinen Staat eher mit dem Vatikan als mit anderen Ländern
vergleicht, weil er sich als Hüter der heiligen Stätten Mekka und Medina
vorkommt, daß sich die 85% der Muslime, die Sunniten sind, im Zweifelsfall auf
seine Seite schlagen, wenn es zum Krieg mit der schiitischen Macht Iran kommt.
Aber die
Strategie ist äußerst gewagt, denn vorher könnte der gesamte Nahe Osten in
Trümmer gelegt werden und selbst wenn Saudi Arabien über den Iran siegte, ist
nicht unbedingt sicher, daß in dem Chaos Salmans Dynastie nicht gleich mit entsorgt
wird.
Die 15%
schiitischen Bürger Saudi Arabien leben ausgerechnet konzentriert in den
wichtigsten Ölförder-Regionen.
Ob die
Riader Gerontokratie gut beraten ist, diese Leute jetzt bis aufs Blut zu
reizen?
Die Schiiten sehen sich in einer Position der Stärke. Sie haben das Sagen in Iran, im Irak und im Libanon, teilweise in Syrien und im Jemen. Warum nicht auch in Saudi-Arabien, durch eine Loslösung der Ölregion, als eigener Schiitenstaat?
Hingegen die
Saudi-Herrscher, diese beinharten Sunniten. Für sie läuft es schlecht. Der
König vergreist sehr, sehr öffentlich, während sein Sohn und mögliche
Nachfolger hitzköpfig und unerfahren schattenregieren. Die sozialen Spannungen
in dem früher märchenhaft reichen Land steigen parallel zum Schwinden der Öleinnahmen.
Sunnitische Al-Qaida- und IS-Extremisten verüben Bombenterror. Außenpolitisch
ist die Bilanz ebenso miserabel, den Saudis gehen die Freunde aus. […] Schließlich die horrende Zahl an Menschenrechtverletzungen und
Hinrichtungen, seien es Kriminelle oder Oppositionelle: Saudi-Arabien wird
wahrgenommen als ein Nordkorea mit Wüste, aber ohne Atombombe.
Die Angst vor dem
Erstarken der Schiiten-Vormacht Iran mag das brutale Vorgehen des Saudis gegen
die schiitische Opposition erklären; töricht bleibt die Exekution des Scheichs
dennoch. Dass die saudische Botschaft in Teheran wenige Stunden nach den
Hinrichtungen in Brand gesteckt wurde, spricht für sich: Iran will das
Schicksal des saudischen Schiiten-Führers politisch ausschlachten und Punkte
gegen Riad machen.
Ich weiß
auch kein Patentrezept, wie man die Irren von Riad zur Raison bringen kann.
Aber wenn man betrachtet, wie die EU Russland sanktioniert und daß die USA auch
schon wieder den Iran wegen eines Raketentests sanktionieren, hat Saudi-Arabien
schon lange einen Wirtschaftsboykott verdient.
Ja, das
Königshaus ist steinreich und ein wichtiger Importeur. Aber ohne daß Öl und
Gas abgekauft werden, bekommt das Land auch keinen Dollar in die Kasse.
So ein
Boykott würde sicher in der Praxis nicht funktionieren, da sie Haupt-Ölabnehmer
mittlerweile in Asien sitzen und China wird sich kaum nach Lage der
Menschenrechte richten.
Aber man
muß auch nicht ganz so devot wie Merkel und Obama gegenüber dem König in Riad
auftreten und ihn auch noch nach Kräften aufrüsten.