Montag, 2. Februar 2015

Planen für die Zeit danach.



Können Atheisten eigentlich abergläubisch sein? Oder besser gesagt abergläubig?
Aberglaube ist für mich ein bewußt ironisiertes rudimentäres, ererbtes Verhalten aus dem Elternhaus.
Es ist eine nette Reminiszenz, wenn ich jemand darauf hinweise jetzt lieber ganz schnell auf Holz zu klopfen. Natürlich ist das nicht wirklich ernst gemeint.
Aber, wer weiß? Ich mag beispielsweise nicht zu siegessicher sein, weil mein Aberglaube mir oktroyiert, daß sich das rächt.
Also vermeide ich es lieber über die in knapp zwei Wochen stattfindende Hamburger Bürgerschaftswahl zu schreiben.
Es ist durchaus drin, daß die SPD ihre absolute Mehrheit hält und die CDU von ihrem schlechtesten Ergebnis aller Zeiten, 21,9% am 20.02.2011 (das war ein Verlust von 20,7 Prozentpunkten) übernächsten Sonntag sogar noch ein Stück absackt.
Zu offensichtlich sind die Erfolge der SPD. Olaf Scholz gelingt all das, woran CDU und Grüne in den zehn Jahren zuvor gescheitert waren.
Die Hamburger CDU hatte so dermaßen versagt, daß in diesen Wochen sogar Wirtschaftsverbände und Handelskammer nicht nur zur Wahl der SPD aufrufen, sondern sich sogar ausdrücklich eine absolute SPD-Herrschaft wünschen.
Ein einmaliger Vorgang, der offenbar mit Olaf Scholz‘ erfülltem Versprechen vom „ordentlichen Regieren“ zusammen hängt.

Es war so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz. Aus Bürgerschaftswahlen hielt sich Hamburgs Wirtschaft bisher raus. Zwar starteten die Branchenverbände schon immer allgemein gehaltene Wahlaufrufe, sie stellten sogar klare Forderungen an die künftige Regierung, wer auch immer diese bildete.
Doch zu gewünschten Regierungskonstellationen äußerten sie sich nicht. Und wenn doch, dann favorisierten sie eher Regierungen mit Beteiligung von CDU und FDP. Das ist in diesem Jahr anders. Nach dem Vorsitzenden des Hamburger Industrieverbands, Michael Westhagemann, hat nun auch der Chef des Groß- und Außenhandelsverbands AGA, Hans Fabian Kruse klar Flagge gezeigt. Beide wünschen sich eine Fortsetzung der SPD-Alleinregierung – und teilen das auch öffentlich mit. […]"Es wäre gut, wenn Bürgermeister Olaf Scholz seine Alleinregierung fortsetzen könnte." Es sei immer besser, wenn Entscheidungen schnell und ohne große Kompromisse gefällt werden können, so Kruse, der auch Geschäftsführender Gesellschafter der internationalen Handelsgruppe Wiechers & Helm ist.

Der Senat funktioniert eben wieder, ist verlässlich und ansprechbar, während vorher unter der CDU nur Peinlichkeit, Chaos und Desinteresse herrschte. Bürgermeister von Beust chillte mindestens vier Tage die Woche in seiner Partybude auf Sylt, während seine planlosen Adepten im Rathaus das gesamte Tafelsilber vertickten.

Die urbane CDU hat wenige Freunde in der Welt. Sie regiert nur noch zwei der 20 größten deutschen Städte – Dresden, wo bekanntlich die Uhren 500 Jahre nachgehen und Nummer 17; Wuppertal.

1. Berlin  3,5 Millionen Einwohner. Müller SPD

2. Hamburg 1,8 Millionen Einwohner. Scholz SPD

3. München 1,4 Millionen Einwohner. Reiter SPD

4. Köln 1 Million Einwohner. Roters SPD

5. Frankfurt am Main 680.000 Einwohner. Feldmann SPD

6. Stuttgart 610.000 Einwohner. Kuhn Grüne

7. Düsseldorf 590.00 Einwohner. Geisel SPD

8. Dortmund 580.000 Einwohner. Sierau SPD

9. Essen 570.00 Einwohner. Paß SPD

10. Bremen 550.000 Einwohner. Böhrnsen SPD

11. Dresden 520.000 Einwohner. Orosz CDU

12. Leipzig 520.000 Einwohner. Jung SPD

13. Hannover 520.000 Einwohner. Schostok SPD

14. Nürnberg 510.000 Einwohner. Maly SPD

15. Duisburg 490.00 Einwohner. Link SPD

16. Bochum 370.000 Einwohner. Scholz SPD

17. Wuppertal 350.000 Einwohner. Jung CDU

18. Bonn 320.000 Einwohner. Nimptsch SPD

19. Bielefeld  320.000 Einwohner. Clausen SPD

20. Mannheim 310.000 Einwohner. Kurtz SPD

Die letzten Kommunalwahlen gingen für die Konservativen in den Großstädten allesamt desaströs aus.
Im März 2014 gab es für die CSU eine heftige Klatsche; insbesondere bei den Stichwahlen in den größten Städten.

Nachdem die CDU nun auch noch ihre Regierungsbeteiligung in Thüringen verlor, gibt es nur noch fünf Landesverbände der CDU in Regierungsverantwortung. Zählt man die CSU mit, sind es sechs von sechzehn.
Die SPD hingegen kann außer in Bayern und Hessen überall mitregieren; also in 14 von 16 Bundesländern.

Ein Alptraum für die Kanzlerin.

Hinter den sagenhaften Umfragewerten für die Merkel-CDU im Bund, verbirgt sich ein einziges Unions-Desaster. Die zweite und dritte Ebene ist ihr komplett weggebrochen.

Daß Wahl in Hamburg ist, merkt man daran, daß die FDP mal wieder aus nicht bekannten Spenderquellen mit Millionen geflutet wird, so daß sie die Stadt mit Plakaten überziehen kann. Plakate, die allerdings rein gar nichts mehr mit der Partei oder gar Politik zu tun haben, sondern eine reine Pin-Up-Kampagne für sexy Suding sind. Die FDP-Mitglieder treten weiterhin entsetzt aus der Partei aus.
Verbände, Wirtschaft und jeder, der nur halbwegs bei Verstand ist, wünscht sich einen SPD-Sieg. Bei einer Direktwahl bekäme Bürgermeister Olaf Scholz 73%, während der CDU-Spitzenkandidat bei 13% läge. Medien bezeichnen Wersichs Kampagne als „im freien Fall!“

Eine Lanze für das konservative Lager brechen eigentlich nur noch die richtig rechten Zeitungen „Hamburger Abendblatt“, „Welt“ und „BILD“.
So kurz vor der Wahl jedenfalls.
Alte Beißreflexe ausleben.

Mit etwas Abstand benutzt die Abendblatt-Chefredaktion im Zusammenhang mit der CDU auffällig oft die Vokabel „Dilemma“.

Die CDU steckt im Profil-Dilemma.
Im Jahr 1990, dem Jahr der deutschen Wiedervereinigung, die von dem christdemokratischen Bundeskanzler Helmut Kohl vorangetrieben worden war, hatte die Regierungspartei CDU fast 790.000 Mitglieder. Im Dezember 2013 waren es noch gut 468.000. […]
Doch diese mangelnde Profilierung hat nun zur Folge, dass sich viele traditionelle Wähler, gerade auch an den Rändern der jeweiligen Volkspartei, nicht mehr ausreichend genug vertreten sehen. Die Entstehung der Partei AfD etwa ist Symptom dafür. Das Thema Europaverdrossenheit wird von den großen Parteien kaum politisch wirksam umgesetzt. Es ist nicht verwunderlich, dass in der CDU angesichts fast der Halbierung ihrer Mitgliederzahlen und der Tatsache, dass keine einzige der zehn größten deutschen Städte noch von einem christdemokratischen Bürgermeister regiert wird, über eine Schärfung des Profils nachgedacht wird. […] Doch ein Patentrezept für die CDU wird es kaum geben können. Schon deshalb nicht, weil die Klientel sich in Stadt und Land erheblich unterscheidet. Die CDU leidet auch deshalb unter einer "urbanen Schwäche", weil sich das Kernprofil der Partei ungeachtet aller Modernisierungsbemühungen der Kanzlerin weiter an herkömmlichen Familienmodellen orientiert. […] Eine "Schärfung" des Profils, in welche Richtung auch immer, kann Wähler an die Partei binden oder sie zurückgewinnen. Sie birgt jedoch das Risiko in sich, andere Wähler abzuschrecken. Aber zumindest weiß der Bürger dann wieder besser, wofür eine Partei wie die CDU überhaupt steht.

Das Funke-Blatt diagnostiziert aber nicht nur ein Profil-Dilemma, sondern auch ein Personal-Dilemma bei seiner Lieblingspartei.

[…] Angela Merkel und das Personal-Dilemma der CDU
Der Union geht es schlechter, als es die Umfragen vermuten lassen. Hinter Angela Merkel mangelt es an Persönlichkeiten
[…] Die Union hat derzeit ein paradoxes Problem: In Umfragen liegt sie wie festgenagelt bei über 40 Prozent, die SPD weit abgeschlagen bei rund einem Viertel der Wähler. Viele langjährige Unions-Mitglieder hingegen fremdeln immer stärker mit dem Kurs der Merkel-Union. Die Sozialdemokratisierung der Partei sind sie mangels Alternativen oft widerwillig mitgegangen, ihre Kehrtwende in der Einwanderungspolitik aber verstehen die Anhänger der alten Kohl-/Dregger-/Strauß-Union längst nicht mehr. […] Vielleicht spekuliert der 59-Jährige [Friedrich Merz] schon auf die Zeit nach Angela Merkel, die aber noch auf sich warten lassen dürfte. Auf der einen Seite zeigt sich die Kanzlerin, 60, wenig amtsmüde, auf der anderen Seite aber entzaubern sich die wenigen potenziellen Nachfolger wie Thomas de Maizière und Ursula von der Leyen in ihren mühsamen Ressorts.
Wer immer eines Tages die Union führen soll, er muss nicht nur in die großen Schuhe der Vorgängerin schlüpfen, sondern auch eine Partei führen, die inhaltlich gespalten und politisch verunsichert ist. Die CDU sollte die derzeitigen Umfrage-Ergebnisse genießen, sie könnten schon bald Geschichte sein.

Die engsten Mitarbeiter Merkels merken sehr genau was ihnen blüht, wenn ihre alles überstrahlende Mentorin eines Tages mal keine Lust mehr haben sollte:
Der Rücksturz in die Bedeutungslosigkeit.
Sie fürchten eine Abwicklungsphase wie sie die desorientierten FDP-Epigonen Ende 2013 durchmachen mußten.
Wer noch zu jung für die Rente ist, setzt sich ab.
Die Kanzleramtsratten verlassen das Schiff.

Merkels Sprecher Ulrich Wilhelm, geb. 1961 wurde  BR-Intendant.
Merkels Finanzberater (Chef der Abt. IV) Weidmann, geb. 1968, setzte sich ab zur Bundesbank.
Merkels Kanzleramtschef Pofalla, geb. 1959, griff sich einen siebenstelligen Job beim Staatskonzern Bahn.
Merkels Staatsministerin Hildegard Müller, geb. 1967, wurde Lobbyisten als Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft.
Merkels Staatsminister Eckart von Klaeden, geb. 1965 wurde Chef-Lobbyist der Daimler AG.

Und heute wird gemeldet:

Katherina Reiche, geb. 1973, ultrafromme, homophobe CDU-Staatssekretärin wirft ebenfalls hin.

Die 60-Jährige Kanzlerin mag noch einige Jahre regieren. Aber die nachfolgende Generation ihrer Partei, die Gruppe der 40-50 Jährigen weiß was dann kommen wird: Das blanke Nichts.
Sie suchen schreiend das Weite. Bloß weg aus der Politik, weg von Merkel.
Merkel schrumpfte erfolgreich SPD und FDP.
Sie schrumpfte beide Parteien, weil die sich auch gerne schrumpfen ließen.

Übersehen wurde, daß Merkel gerecht ist und ebenso ihre CDU wegschrumpft.