Antisemitismus
ist natürlich grauenvoll und absolut verwerflich.
Die Bibel ist die Wurzel des Übels. Noch im Neuen
Testament, der „Frohen Botschaft“ heißt es:
14 Denn, Brüder,
ihr seid den Gemeinden Gottes in Judäa gleich geworden, die sich zu Christus
Jesus bekennen. Ihr habt von euren Mitbürgern das Gleiche erlitten wie jene von
den Juden. 15 Diese haben sogar Jesus,
den Herrn, und die Propheten getötet; auch uns haben sie verfolgt. Sie
missfallen Gott und sind Feinde aller Menschen; 16 sie hindern uns daran, den Heiden das
Evangelium zu verkünden und ihnen so das Heil zu bringen. Dadurch machen sie
unablässig das Maß ihrer Sünden voll. Aber der ganze Zorn ist schon über sie
gekommen. (1, Thess, 2)
Antisemitismus ist tiefsitzend und omnipotent.
Eingeschrieben in die Abrahamitische DNS kann er sich quasi jederzeit
bahnbrechen.
Aber
rein wissenschaftlich betrachtet erscheint mir Antisemitismusforschung
hochinteressant zu sein.
Üblicherweise
geht Hass auf Minderheiten immer mit einem sozialen Komplex umher.
Jemand fürchtet
um seine soziale Stellung, sein finanzielles Auskommen, seine bürgerliche
Identität.
Xenophobie,
Misogynie, Homophobie sind immer auch die Kehrseite der eigenen vollen Hosen.
Nur wer
sich gerade selbst eingekotet hat, fürchtet daß „die Ausländer“ einem den Job,
die Juden das Geld, die Türken die Frauen, die Schwulen die Exklusivität der
Ehe oder die Frauen die eigene Vormacht wegnehmen.
Je
angstfreier und selbstbewußter man ist, desto gelassener blickt man auf andere,
bzw neue Mitspieler.
Der verheiratete
heterosexuelle Mann, der sich seiner selbst sicher ist, wird nicht davon
bedroht, daß irgendwo ein homosexueller Mann auch eine Beziehung führt.
Die
Besonderheit der Juden als Ziel eines fremdenfeindlichen Reflexes ist, daß sie
schon in der Theorie Praxis wird.
Antijudaismus
tritt auch bei völliger Abwesenheit von Juden auf.
Antisemitismusforscher
haben ein geschlossen antisemitisches Weltbild bei 20-30% der ostdeutschen Jugendlichen
gefunden, obwohl dort praktisch überhaupt keine Juden leben.
Bei
ausführlicheren Befragungen gaben die Judenfeinde auch offen zu persönlich noch
nie einen Juden getroffen zu haben.
Homosexuell
oder weiblich zu sein ist genetisch bedingt und kommt überall auf der Welt
gleichmäßig vor.
Mit hoher
Wahrscheinlichkeit weiß man auch im kleinsten Dorf gerüchteweise irgendetwas
über einen Schwulen. Zumindest der Verdacht taucht immer auf.
Mit
Juden verhält es sich anders. Es gibt durchaus Landstriche, in denen gar keine
Juden leben und dennoch werden sie dort genauso gehasst wie Schwule oder
Schwarze.
Auch
wenn gar keine Juden vorhanden sind wittert man als „sekundärer Antisemit“
überall dubiose jüdische Einflüsse.
Brandenburgische
und sächsische Jugendliche, die noch nie in ihrem Leben einen Juden gesehen
haben geben ungeniert an, daß sie keinesfalls einen Juden als Nachbarn haben
möchten.
Ich möchte
immer dem überzeugenden Giordano-Satz zustimmen, daß Deutsche den Juden niemals
den Holocaust verzeihen werden.
Jeder Jude
erinnert sie demnach an diese Schmach, an diesen absoluten Tiefpunkt der Moral.
Daher will man a priori lieber nichts mit ihnen zu tun haben. […….] Sekundärer
Antisemitismus ist es auch über die Jüdin Lea Rosh herzuziehen, weil man sie
als zickig oder nervend empfindet.
Nun ist jeder frei Lea Rosh nicht zu mögen
(ich allerdings finde sie großartig); das (sekundär) antisemitische daran ist
aber aus seiner Antipathie heraus zu schließen, daß sie Jüdin sein müsse.
Denn sie ist KEINE Jüdin.
Ein sekundärer Antisemit ist politisch nicht
up to date und hat den Komplex überall Tabus zu wittern.
Er poltert sofort mit „man wird doch noch
sagen dürfen, daß….“ los, obwohl es nichts und niemanden gibt, der ihn daran
hindert.
Selbstverständlich kann man die Israelische
Regierungspolitik lang und breit kritisieren, ohne auch nur einen Hauch von
Antisemitismus zu bemühen.
Um
Minderheitenhass der dümmsten Art abzubauen hilft tatsächlich eine
Konfrontationstherapie.
Laut der
letzten Zahlen des statistischen Bundesamtes sind Migranten immer noch extrem
unterschiedlich in Deutschland verteilt.
In
Ostdeutschland gibt es große Landstriche mit einem Ausländeranteil von um die
ein Prozent und dort fürchten sich die Deppen vor „Überfremdung“, wählen weit
überdurchschnittlich NPD, respektive AfD.
Die
Bundesländer mit den höchsten Ausländeranteilen, Hamburg und Berlin, haben ein
viel geringeres rechtes Wählerpotential.
Vielleicht
bräuchte es also in Brandenburg und Sachsen nur eine Aufstockung des Migrantenanteils
in der Bevölkerung um 1.500 bis 2.000 % und die Ossis wären weitgehend von
ihrer Fremdenfeindlichkeit geheilt?
Aber wie
sollte man das organisieren?
Nicht
nur die Ossi-Jugendlichen, sondern auch die amtierenden
Ossi-Politverantwortlichen sind sagenhaft verblödet.
Seit Monaten
werden landein, landauf Zahlen präsentiert, daß wir nicht nur in Zukunft
unbedingt Einwanderung nach Deutschland benötigen, sondern daß jetzt schon
Migranten überdurchschnittlich zum Wohlstand beitragen, weil sie
überdurchschnittlich oft in die Selbstständigkeit gehen und Arbeitsplätze
schaffen und weil sie durch ihre Altersstruktur über
sozialversicherungspflichtige Jobs besonders viel in die sozialen
Sicherungssysteme einzahlen, während sie als Rentner wenig entnehmen.
Zuwanderer
aus Osteuropa sind zudem deutlich besser gebildet als der Durchschnittsdeutsche
und daher unverzichtbar für die hiesige Wirtschaft.
Sächsische
Minister sollten sich also aus vielerlei Gründen darum bemühen möglichst viele
von den kostbaren Migranten in ihr unterausländerisches Bundesland zu holen.
Aber
auch bei ihnen ist die Entklugung viel zu weit fortgeschritten. Sie bedienen
lieber ultrarechte, latent völkische Ideologien.
Sachsens
Innenminister Markus Ulbig (CDU) will jetzt spezielle Polizei-Sondereinheiten
bilden, um gegen die kriminelle Asylantenflug vorzugehen. Ausgerechnet in dem
Bundesland, in dem es mit am wenigsten Migranten überhaupt gibt.
Sachsens Innenminister
Markus Ulbig macht Stimmung gegen Flüchtlinge. […] Schon ab Dezember sollen in Sachsen künftig spezielle Polizeieinheiten
für straffällige Asylbewerber zuständig sein. „Wir beginnen mit dem Modell in
Dresden und wollen sie dann im ganzen Land einsetzen“, sagte Innenminister
Markus Ulbig (CDU) der Dresdner Morgenpost. […] „Es darf nicht sein, dass einer, der kein Recht auf Asyl hat und dann
noch schwer straffällig geworden ist, durch das Zusammentreffen von
Strafprozessordnung und Ausländerrecht am Ende mit einer Art Bleiberecht
belohnt wird“, erklärte Ulbig. […] Der
sächsische Flüchtlingsrat hält Ulbigs Äußerungen für gefährlich und falsch. Die
Kriminalitätsrate sei selbst nach Angaben der sächsischen Polizei im Umfeld von
Flüchtlingsunterkünften nicht gestiegen, so Sprecher Marko Schmidt. „Ulbig
schürt Ängste“, sagte Schmidt der taz. Die Polizei sollte besser zunehmende
rechtsmotivierte Übergriffe auf Asylbewerber aufklären.
Ulbig bediene die
Argumentation der sogenannten „Patriotischen Europäer gegen Islamisierung des
Abendlandes“ (Pegida), die seit Wochen in Dresden Stimmung gegen Asylbewerber
machen, so Schmidt. Für den Montagabend hat die islamfeindliche Initiative
bereits zum sechsten Mal zu einer Demonstration durch Dresden aufgerufen. […] Scharfe Kritik an Ulbigs Vorhaben kam am Montag von den sächsischen
Linken. Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag, Rico Gebhardt,
kritisierte Ulbigs Zungenschlag als befremdlich. Es handele sich um das
Gegenteil von Willkomenskultur. „Es ziehen keine zugereisten marodierenden
Banden durchs Land, sondern es müssen Asylbewerberheime rund um die Uhr vor
befürchteten Übergriffen ,einheimischer' Täter geschützt werden“, so Gebhardt. […]
Ulbig strebt derzeit eine Kandidatur als
Oberbürgermeister von Dresden an. Die Wahl soll Anfang Juni 2015 stattfinden.
Die oppositionellen Grünen vermuten darin auch das Motiv für Ulbigs Äußerungen:
„Fremdenfeindlichen Einstellungen Vorschub zu leisten, gehört nicht zu den
Aufgaben eines Innenministers. Und Oberbürgermeister-Wahlkampf auf niedrigstem
Niveau genauso wenig“, sagte Petra Zais, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion.
[…]
(taz,
24.11.14)
Herr
Ulbig stellt damit die Moral seiner Partei wieder einmal zur Schau, verhält sich
widerlich und menschenverachtend.
Aber
eben auch saudumm.
Die zügig steigende
Zahl von Asylbewerbern verunsichert Anwohner allüberall. In Sachsen ist diese
Verunsicherung besonders groß, ein nur scheinbar paradoxer Grund dafür liegt im
geringen Ausländeranteil an der Bevölkerung. […] Wenn
Minister Markus Ulbig nun trotzdem spezielle Polizeieinheiten ankündigt, dann
muss man darin ein aktionistisches Zugeständnis an jene Rechtsaußen erkennen,
die noch glauben, einer so komplexen Herausforderung wie der Asylpolitik sei
mit einfachen Antworten zu begegnen. […]
(Cornelius Pommer, SZ vom 25.11.2014)