Dienstag, 12. Juni 2012

Die famose Koalition - Teil II



Hauptmeldungen am heutigen Abend:
Willkommen in Jahr vier nach der Weltfinanzkrise von 2008.
Frau Merkel als Führerin einer der größten und mächtigsten Wirtschaftsnationen dieses Planeten hat es geschafft all die Jahre auszusitzen, ohne die kleinste Regulierung des Spekulantenirrsinns in Gang zu setzen.
Investmentbanker sind nach wie vor in der ungeheuer privilegierten Lage Billionen über den Globus verschieben zu können, ohne auch nur Promillesteuersätze zahlen zu müssen. 
Dabei reißen sie immer wieder Banken und Versicherungen und Staaten in den Abgrund, die dann mit Steuergeld gerettet werden müssen. 
Steuergeld, das unter anderem aus der Mehrwertsteuer stammt, die jedes Mal zuschlägt, wenn ein Bäcker ein Brötchen oder ein Kiosk-Besitzer ein Kaugummi verkauft. 
Die Kleinen können von so einer Steuerfreiheit, wie die Investmentmilliardäre genießen, nur träumen.

In Merkels Kanzleramt wird heute und morgen um den sogenannten „Fiskalpakt“ geschachert - und zwar in einem parteipolitischen Karo, wie es kleiner nicht mehr geht.

Die Unterhändler hatten sich auf ein Modell geeinigt, in dem sich alle Positionen irgendwie wiederfinden konnten und das den Weg zur erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit für den Fiskalpakt frei zu machen schien. Aber seit am Wochenende einige Koalitionäre eine Einführung der Steuer vor der Bundestagswahl als unrealistisch bezeichneten, kühlen sämtliche Beteiligte wieder kräftig ihr parteipolitisches Mütchen. Der Bösewicht ist, wie sollte es anders sein, immer der jeweils andere.

Dabei werkelt die Merkel hier an einem Nebenschauplatz herum
Die Sache wird ohnehin in Brüssel entschieden.

Wenn die Leute hierzulande die Nase voll haben von Europa, sollen sich die deutschen Politiker, bitte schön, nicht beklagen. Denn daran tragen sie eine gehörige Mitschuld. Während man um den Bestand des Euro und mithin der ganzen Gemeinschaft bangen muss, fechten Regierung und Opposition einen grotesken Streit um den Fiskalpakt aus. Grotesk deshalb, weil dieser Zwist inzwischen fast nichts mehr mit Europa, dafür aber sehr viel mit innerparteilichen Verwerfungen und taktischen Interessen vor der Bundestagswahl 2013 zu tun hat.  […]  Überraschend schnell erklärten sich Union und FDP vergangene Woche bereit, eine solche Abgabe einzuführen. Das freute die SPD-Spitze, die sich rühmte, der Regierung ein Zugeständnis abgetrotzt zu haben. In der CDU/CSU und insbesondere bei den Liberalen waren dagegen einige regelrecht erbost über den Schwenk ihrer Oberen. Deshalb erweckten nun führende Schwarze und Liberale den Eindruck, es handele sich um kein Zugeständnis, weil die Steuer, wenn überhaupt, erst in ferner Zukunft käme. Man habe die Roten über den Tisch gezogen, nicht umgekehrt, lautet die auch von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla verbreitete Botschaft. Dessen Aufgabe, wohlgemerkt, besteht darin, Probleme zu lösen, nicht neue zu schaffen. Und was macht die SPD-Spitze? Das, was sie gut kann: sie regt sich auf.
(Susanne Höll, SZ, 12.06.12)

Während SchwarzGelb also das tut, was es am besten kann, nämlich dem anderen etwas zu missgönnen und Fortschritte zu blockieren, greift Merkel in Brüssel dort in die Speichen, wo es wirklich weh tut.

Bei einem Thema bleibt sich die mäandernde Kanzlerin nämlich treu - dem Klima, dessen Schutz sie mit allen Mitteln verhindern will. 

Auf Intervention des obersten Auto-Lobbyisten und früheren CDU-Ministers Wissmann hatte Merkel bereits eine Europaweite CO2-Abgabe für PKWs mit drecksschleuderischen Motoren verhindert.

Jetzt schlägt die Kanzlerin der Energiewende wieder zu und stellt in Europa die Weichen auf Energieverschwendung. 
Auch ihr Vizekanzler setzt geradezu manisch auf Energieverbrauch.
Regeln zur Strom-Einsparung will die Energie-Oligopolisten-hörige CDU-Chefin auf gar keinen Fall.

Wenn in Brüssel über eine Richtlinie verhandelt wird, die Europa zu mehr Ehrgeiz beim Energiesparen verpflichten soll, könnte man meinen, dass Deutschland sich mit aller Macht dafür einsetzt - ist doch Energieeffizienz ein Grundpfeiler der Energiewende. Aber weit gefehlt.
[…] Seit einem Jahr streiten die EU-Institutionen über eine Richtlinie, die das Energiespar-Ziel greifbar machen soll. […] Bislang hat sich Deutschland in den Verhandlungen enthalten, und derweil hartnäckig versucht, möglichst viele Energiespar-Vorschriften im Entwurf zu kippen.
Das ist absurd und peinlich. […]
Kein Wunder, dass auch hierzulande das Sparziel in weiter Ferne liegt; der Energieverbrauch geht zu langsam zurück. Die 1,5 Prozent Energieeinsparung jährlich, die Brüssel nun per Richtlinie vorschreiben will, hätte sich Deutschland genau wie viele weitere geplante Verpflichtungen im eigenen Interesse längst selbst vornehmen sollen.
Aber das Wirtschaftsministerium schaltete von vornherein auf stur, statt konstruktiv an den Schwächen der Brüsseler Energiespar-Richtlinie zu arbeiten. Lange schwieg Deutschland in den Verhandlungen, weil Norbert Röttgen als Umweltminister anders als Rösler für die Richtlinie war. Erst der neue Umweltminister Peter Altmaier gab Rösler nach. […] Dabei ist die Position schlicht falsch, denn gerade die deutsche Wirtschaft könnte auf dem Markt für Energieeffizienz-Produkte viel gewinnen; ganz abgesehen von den Milliarden, die sich bei den Energieimporten sparen ließen.
(Marlene Weiss 12.06.12)