Die Übergänge zwischen Rechtsradikalismus, Rechtsextremismus und Rechtspopulismus sind fließend. Eine strafrechtliche Bewertung mögen Juristen vornehmen.
Betrachtet man den RechtsXmus moralisch, stößt man auf ein Paradoxon. Es gab schon viele rechtsextremistische Regierungen und immer hatten sie extrem negative Effekte. Rechtspopulismus führt zu Gewalt gegen Minderheiten, schürt Unfrieden, agitiert außenpolitisch aggressiv und kriegstreiberisch, zerstört Demokratie, vernichtet die Umwelt und auch rechte Ökonomie funktioniert nicht. Gleichwohl halten sich Rechte manisch für die „Wertkonservativen“, denen Werte so wichtig wären, während Linke gegen Familie, Nation, Religion und Anstand agierten.
Wolfgang Brosche, der leider verstorbene, mutige Kämpfer wider die Homophobie und den Pegida-Sumpf charakterisierte in seinem Aufsatz über den „Homonationalismus“ sehr schön den Antrieb der Rechtsextremen.
[….] Die angeblich neue Rechte ist die alte. Der lärmende Aufwand, den sie betreibt, um ihre Ansprüche, Antriebe und Ziele zu rechtfertigen oder zu verschleiern mag andere Formen haben als vor 85 Jahren, seine Stoßrichtung führt jedoch genau wie damals ins Antizivilisatorische nach unten. Tatsächlich bietet die Rechte – auch wie damals – keine wirklich politischen Ziele, nichts Konstruktives, keine Bewältigungsversuche der sozialen, politischen, ökonomischen und ökologischen Probleme der Gegenwart, sondern nur Destruktion: Zerstörung, Gewalt, gigantische Fresssucht und letztendlich todessehnsüchtige Vernichtung dessen, was die Rechten nicht verstehen, geschweige denn meistern können. Die neue wie die alte Rechte legen eine barbarische Dummheit und ein gewalttätiges Unvermögen an den Tag, dessen End-Ziel die Beseitigung der Gegner, der „Anderen“, die mörderische Lust, der Lust-Mord ist. Das Pauken-Getöse um angeblich alte Werte, Traditionen, Patriotismus und Nationalismus ist nur Tarnung. Es geht tatsächlich um das primitive „Wir oder sie“, eine Maxime, vor deren endgültiger Konsequenz ihre Vertreter immer weniger zurückschrecken. [….]
(Wolfgang Brosche, 21.05.2017)
Rechtsextremisten
suchen sich die Schwächsten als Opfer, Linksextremisten die Stärksten. (….) Da Rechtsextrem im Gegensatz zu Linksextremen
grundsätzlich amoralisch und feige agieren, sind ihre Opfer ausschließlich
unter den Schwachen zu finden:
Schwule, Flüchtlinge, Behinderte, Obdachlose.
Opfer, für die sich auch der Staat offensichtlich kaum interessiert.
Man stelle sich nur mal vor durch rechtsextreme Gewalt wären im Jahr 2016 schon 1.800 Gewalttaten gegen Millionäre verübt worden. Dann wäre aber Alarm im Bundesinnenministerium.
Der Wertekompass des Innenministers befindet sich also offensichtlich in gewaltiger Schieflage.
Wird gegen Arme und Schwache Gewalt ausgeübt, weil Rechte meinen damit ihren Werten zu frönen, stört es den wertkonservativen de Maizière scheinbar wenig.
Erst die Folgen der Folgen der Folgen, wenn statt der humanistischen Werte auch Sachwerte betroffen sind, wenn Arbeitgeber um ihre Profite bangen, alarmiert die Bundesregierung. (…..)
(Werte im wahrsten Sinne, 25.09.2016)
Der derzeit bestehenden rechtsextremen Herrschaftsformen – Russland, Türkei, Brasilien, Ungarn – sollten abschreckendes Beispiel sein. Niemand bei Verstand kann ernsthaft behaupten, die rechtsnationale antiökologische Politik Johnson-Englands oder Trump-Amerikas habe positiv für die Einwohner gewirkt.
Wieso sollte also in Italien auch eine rechtsfanatische Meloni-Berlusconi-Regierung gewählt werden? Wieso sollten Merz und Söder ungeniert rechtspopulistisch blinken?
Man sollte doch annehmen, daß nach sieben Monaten Ukraine-Krieg, der Rechtspopulist Putin einigermaßen unsympathisch sein sollte. Wieso kippen die demokratischen EU-Staaten wie die Dominosteine in die putineske Richtung?
Wahlsieger Orbán hat genug von den Anti-Putin-Sanktionen und will sie bis Ende des Jahres aufheben.
[….] Endspurt im italienischen Wahlkampf: »Wenn die Rechten gewinnen, wird Putin zum glücklichsten Mann der Welt«
In Italien warnt der sozialdemokratische Spitzenkandidat Enrico Letta vor einem Wahlsieg der Postfaschistin Giorgia Meloni. Er sagt: Dann ist der europäische Motor »kaputt«. [….]
Auch Sachsens Ministerpräsident Kretschmer von rechten CDU-Flügel beharrt immer wieder auf Putinfreundlichkeit, will die Sanktionen gleich aufheben. Gerade trat Schweden aus Angst vor Putin der NATO bei, da wählen sie rechtsextrem. Ausgerechnet das liberale Schweden, wendet sich nun den Putin-Themen Homophobie, Nationalismus und Religiosität zu.
Wieso? Wieso engagieren sich diese Politiker für eine so offensichtlich schlechte Sache, wie Rechtsextremismus?
Die Antwort ist leider einfach: Rechtspopulismus funktioniert. Homo Sapiens ist eine ethisch eher verkommene Art, die sich für ausgrenzende, aggressive Ansichten begeistert. Es erfordert eine hohe zivilisatorische Anstrengung, sich aus dem primitiv-menschlichen „wir gegen die“-Denken zu lösen. Solidarität, Internationalismus, Klimaschutz, ökologisches Handeln, Tierschutz und Nachhaltigkeit sind die richtigen, aber auch die schwierigeren Antworten. Dafür ist die Mehrheit der Menschheit nicht klug genug.
Moral ist anstrengend. Amoral und Pauschalisierungen sind einfach. Nicht nur der deutsche Michl, sondern vermutlich die meisten durchschnittlichen Bürger dieses Planeten, erwärmen sich eher für die einfachen Lösungen – auch wenn sie offensichtlich falsch sind.
Links zu sein, fordert dem Menschen etwas ab, Toleranz muss erlernt werden. Rechts zu sein, geht anstrengungslos, dafür reicht auch der halbe IQ.
Vergleicht man Linksextremismus und Rechtsextremismus, gibt es sehr klare Unterschiede. Während sich die Rechten gewalttätig gegen Minderheiten, Schwache, Verletzliche, Ausgegrenzte und Friedliche wenden, versuchen Linke eben diesen Personenkreis zu schützen und wenden sich, wenn überhaupt, gegen die Starken.
Wenn ich also auch Gewalttätigkeit in JEDER Form ablehne, so ist die moralische Bewertung doch eindeutig: Rechts ist komplett amoralisch, Links nicht.
Das Aggressionspotential von Rechts- und Linksextremen ist völlig unterschiedlich, wenn man nicht gerade als Symbol einer gewaltigen Wirtschafts- oder Staatsmacht auftritt. Wie so viele Menschen erlebte ich (insbesondere als Teenager) Situationen, in denen ich vor rechten Skinheads weglaufen mußte, oder zumindest einen großen Bogen machen mußte. Einmal wurde ich als 18-Jähriger von Nazis in einer Bahn verprügelt (mit glimpflichen Ausgang. Der Schock war größer.)
Wenn man sich hingegen in einer ausdrücklichen „linken Gegend“ bewegt, wie es sie in Berlin-Kreuzberg zumindest in den 80er Jahren gab und beispielsweise im Hamburger „Karoviertel“ oder „der Schanze“ (früher Hafenstraße) immer noch gibt, ist der große Unterschied, daß man dort eben nicht um seine körperliche Unversehrtheit fürchten muß.
Man kann sogar schwarz oder offensichtlich schwul sein. Die linke Szene ist tolerant, die Rechte ist per Definition intolerant und agitiert gegen alles „Fremde“. (…..)
(CDU unterirdisch, 30.08.2015)
Bedauerlicherweise, aber nicht überraschend, wählen die Politiker der C-Partei stets den ethisch falschen Kurs.
[….] Markus Söder hat die nächste Verwandlung abgeschlossen: Er beendet seinen Flirt mit den Grünen und wendet sich der eher konservativen Kernwählerschaft zu. Ein Blick auf die Umfragen zeigt: Bisher scheint der Kurs zu funktionieren. [….]
(Andreas Glas, SZ, 24.09.2022)
[….] Angeführt von Parteichef Friedrich Merz verliert sich die CDU immer öfter in Kulturkämpfen. Das ist nicht nur albern, sondern auch gefährlich. [….] Es [war] Merz, der CDU-Chef, Oppositionsführer und möglicher Kanzlerkandidat, der das Gendern auf dem Parteitag am vergangenen Wochenende auf die Agenda setzte. Als es darum ging, wie die Gesellschaft künftig zusammenleben soll, verlangte er, dass sich Universitäten und der öffentlich-rechtliche Rundfunk »an die allgemein anerkannten Regeln« der deutschen Sprache zu halten hätten. Vier Tage später will Lanz wissen, welche Regeln er genau meint. Merz sagt, dass der »Rat für deutsche Sprache« die Regeln festlege und verlautbart habe, »dieses Gendern« sei damit nicht zu vereinbaren. Das Gremium, das eigentlich »Rat für deutsche Rechtschreibung« heißt, hat jedoch nichts davon gesagt. Im Gegenteil: Vergangenes Jahr »bekräftigte« er »seine Auffassung, dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden und sie sensibel angesprochen werden so[….] CDU und CSU sollten sich auch davor hüten, von Rechtsaußen geschürte Kampagnen zu befeuern. Doch genau das tut Merz. Beim Parteitag kritisierte er Robert Habeck für ein Kinderbuch, dass der Grüne mit seiner Frau geschrieben hatte. Darin geht es auch um ein kleines Mädchen, das das »große Abenteuer« eines nächtlichen Stromausfalls erlebt. Man sei hier nicht in »Bullerbü«, so Merz, sondern die viertgrößte Industrienation der Welt. Als ob der Wirtschaftsminister Habeck das nicht wüsste. Das Kinderbuch hatte zuerst eine AfD-nahe Wochenzeitung thematisiert, bald twitterte der Ex-Online-Chef des russischen Staatsmediums RT DE dazu, bevor es vom gefeuerten Chefredakteur der BILD skandalisiert wurde und sein altes Blatt einen Text dazu machte – wenige Stunden bevor Merz am Rednerpult über das Buch lästerte. Derlei billiger Spott hilft den Extremen. Wer deren Themen, Ressentiments und Witzchen übernimmt, ohne zu differenzieren und ohne Lösungen anzubieten, macht sie größer – und schwächt sich selbst. Eigentlich hatte die Union das bereits gelernt, insbesondere Markus Söder, der mit einem rechtspopulistischen Kurs bei der bayerischen Landtagswahl 2018 abschmierte. Knapp vier Jahre später verfällt auch er immer häufiger wieder in alte Muster. [….]
(SPIEGEL-Leitartikel von Ann-Katrin Müller 16.09.2022)
Es mag für das einzelne menschliche Individuum bedauerlich sein, wenn wir uns, während der Achtmilliardste Mensch geboren wird, nun selbst vernichten, weil wir entweder einen Atomkrieg anzetteln oder aber von nationalen Egoismen und Gier nach Reichtum verblendet, in einer klimatisch-ökologischen-pandemischen Multipest untergehen.
Aber die Art Homo Sapiens insgesamt ist außer Kontrolle geraten, führt ihre parasitäre Existenz auf der Erde in so einem Vermehrungsexzess, daß der Wirt dabei getötet wird.
Die Evolution kann so eine Spezies nicht gewinnen lassen und so mendeln wir uns eben aus der Erdgeschichte aus. Wenn man noch nicht mal so reiche und gebildete Nationen wie die USA oder England oder Deutschland dem bösartigen Konservatismus widerstehen können, sehe ich schwarz, und zwar dunkelschwarz.
[….] Wer die Schöpfung schützen will, könnte die Energiewende am radikalsten vorantreiben. Wer den Wohlstand bewahren will, könnte die Ungleichheit am dringlichsten bekämpfen. Wer Zukunftskompetenz beweisen will, könnte eine postfossile Verkehrspolitik vorantreiben. Wer sich auf christliche Nächstenliebe beruft, wer will, dass Menschen frei und selbstbestimmt leben, könnte die Rechte von trans Personen als erste verteidigen. Stattdessen infantilisieren die Parteigranden Friedrich Merz und Markus Söder ihre Werte, verstümmeln und entstellen das, was bürgerlich und konservativ heißen könnte, und führen ins demokratisch-intellektuelle Nirwana eines Kulturkampfs, der die Kultur, die zu verteidigen er behauptet, kaum mehr kennt. Sie imitieren das historische Versagen anderer konservativer Parteien, ob in den Vereinigten Staaten oder im Vereinigten Königreich, in Frankreich oder Italien, die nur noch zwischen Banalität und Bösartigkeit zu pendeln vermögen, aber keine substantiellen politischen Konzepte mehr anbieten, ja, keinerlei stabiles Regierungshandeln mehr versprechen können, weil sie jene Institutionen und Regeln, die es dazu braucht, selbst destabilisiert haben. [….] Sobald die konservativen Parteien sich von rechtspopulistischen, neofaschistischen Bewegungen oder Figuren treiben lassen, sobald sie das Rationale als definitorischen Gegner ausmachen, leiten sie ihren eigenen Niedergang ein. Der rechte Rand diktiert die Themen, die langfristig die Mitte ihres bürgerlichen Gewissens und ihrer aufgeklärten Prinzipien beraubt, es reichen dann schon Trigger-Begriffe, keine Argumente, "Genderideologie", "Zwangsgebühren", "Sprachpolizei", und so begeben sich die konservativen Parteien ins Abseits eines Diskurses, der sie immer weiter von sich selbst entfernt. [….] Es herrscht Krieg in der Ukraine, die Inflation steigt unkontrolliert, die Klimakatastrophe bedroht Freiheit und Schöpfung - aber Merz und Söder sorgen sich um einen Stern. [….]