Montag, 6. Mai 2019

Gute Reiche, schlechte Reiche


Nein, so sozialistisch bin ich nicht, daß ich jemand grundsätzlich seinen Reichtum missgönne.
Ich vermute sogar, daß ein gewisses Maß finanzieller Heterogenität der Gesellschaft notwendig ist, um die Ökonomie nicht zum Erliegen zu bringen.
Superreiche schaffen tatsächlich auch Arbeitsplätze, indem sie sich Wünsche erfüllen, die besonderes Kunsthandwerk erfordern, teure Uhren kaufen, Intarsien in ihre Möbel schnitzen lassen, Gartengestalter einstellen, Designer, Coiffeure, Stylisten, Innenarchitekten, Personal-Trainer, Hauslehrer, Sekretäre, Chauffeure, Köche, Patisseure, Caterer, Steuerberater, Advokaten einstellen.
Vermutlich würden weite Teile der Kunstszene ohne Mäzenatentum zu Grunde gehen.

Es gibt die moderne Sage, nach der Rolls Royce-Fahrer in China und den USA bewundert werden. Indem sie ihren Reichtum ausstellen, inspirieren sie den gewöhnlichen Trottel auf der Straße dazu sich anzustrengen, härter zu arbeiten, damit sie sich auch einmal so ein schönes Auto leisten können.
In Deutschland verstecke man seinen Rolls Royce lieber in der Garage und fahre mit dem Smart  einkaufen, weil man für ein Luxusauto gehasst wird. Die Karre wird einem derartig missgönnt, daß sie mutwillig von Passanten zerkratzt wird.

Ich kann mich mit beiden Versionen nicht anfreunden, habe es aber diesbezüglich auch leicht, da mich Autos nicht interessieren.
Die meisten Dinge, die allgemein als Luxus und erstrebenswert angesehen werden, sind zufälligerweise für mich irrelevant. Ich habe noch nie einen Designeranzug getragen, eine Cohiba geraucht, im VIP-Bereich eines Konzerts gesessen, einen Sportwagen besessen, eine Rolex gekauft, die 1. Klasse eines Fluges gebucht, einen 100 Jahre alten Wein getrunken, einen Diamantohrring eingesetzt, in einem 5*-Hotel genächtigt, mit einer 5.000-Euro-Prostituierten geschlafen, Koks durch einen Geldschein geschnüffelt oder ein mit Blattgold überzogenes Steak gegessen.
Insofern wäre es ein leichtes Vergnügen für mich Sozialist zu sein, aber in Wahrheit gibt für mich genauso wie für die meisten Menschen einige Dinge, die ich lieber in der Luxusversion als in der einfachsten Funktionalen verwende.
So besitze ich zwei sehr teure Füller mit goldener Feder, achte bei Lebensmitteln immer mehr auf die Qualität als auf den Preis, trage keine Unterwäsche mit Kunstfaseranteil, verwende in der Küche gut funktionierende scharfe Messer.
Ein besonderes Faible habe ich auch für hochwertiges Papier, sowie „Heimtextilien“; meine Geschirrhandtücher, Bettwäsche und Badelaken sind von bester Qualität.
Dabei könnte man allerdings bezweifeln, ob das wirklich Luxus ist, oder ob hier eher der Spruch „nur Reiche können es sich leisten billige Klamotten zu kaufen“ zutrifft, weil meine guten Schweizer Halbleinen-Tücher zwar deutlich teurer als das Zeug von IKEA sind, aber dafür auch ein Leben lang halten.
Eine allgemein verbindliche Regel kann ich nicht ableiten, wieso mir bei einigen wenigen Dingen Luxus wichtig ist und ich für anderes nur Kopfschütteln übrig habe.
Hätte ich unendlich viel Geld, um Gutes zu tun und immer noch etwas übrig, wüßte ich durchaus ein paar Dinge, die ich gern kaufen/haben/besitzen würde.
Der gute Mann ist übrigens zwar schon 99 Jahre alt, aber noch sehr fit. Womöglich könnte ich ihn sogar beauftragen extra für mich zu malen.
Selbstverständlich wird höchstens einer von 1000 diesen Wunsch nachvollziehen können, aber seit ich vor ca 30 Jahren das erste mal seine Originale in einer Retroperspektive sah, bin ich ihm verfallen.
So ist Kunst; sie ergreift einen und lässt den nächsten völlig kalt.
Kunst ist weitgehend auf ein paar sehr Reiche angewiesen und ein bißchen Reichtum ist für jeden wichtig, um sich seine persönlichen Luxusmomente ermöglichen zu können.
Ab und zu benötigt jedes Gehirn einen Endorphinausstoß seines Belohnungszentrums.
Also, ja, ich bin für Reichtum und Ungleichheit.

Das ist aber noch lange kein Grund, um Reichen und Superreichen Privilegien einzuräumen, sie sogar besser zu stellen als Normalverdiener.
Es darf nicht sein, daß Reichtum automatisch Macht gegenüber der Legislative und Exekutive bedeutet.
Wer seine Millionen durch Nichtstun und Däumchendrehen verdient, weil ein gewaltiger Milliardenberg an der Börse jeden Tag etwas abwirft, darf nicht mit 25% Kapitalertragssteuer deutlich weniger vom Finanzminister belangt werden, als jemand, der für sein Geld auch arbeiten muss.
Im Gegenteil; diese Art des Reichtums, die einem ohne eigenes Zutun in den Schoß fällt, weil man erbt, Immobilien besitzt oder Aktienpakete hält, sollte als „leistungsloser Wohlstand“ klar höher besteuert werden als Arbeitseinkommen, das die Krankenschwester oder der Lascher oder die Marktfrau verdient.

Susanne Klatten und ihr Bruder verdienen einfach durch ihre Papiere mehr als drei Millionen Euro pro Tag hinzu.

[…..] Die Geschwister Stefan Quandt und Susanne Klatten erhalten von BMW in Kürze 1,12 Milliarden Euro aufs Konto. Der Autokonzern hat im vergangenen Jahr 8,7 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Nach dem Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat sollen 30 Prozent davon als Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet werden.
Stefan Quandt besitzt 25,8 Prozent der Stammaktien und erhält nach der Hauptversammlung 622 Millionen Euro Dividende, seine Schwester Susanne Klatten bekommt für ihre 20,9 Prozent der Anteile 504 Millionen Euro. Für jeden Tag des zurückliegenden Jahres erhalten die Großaktionäre zusammen also 3,07 Millionen Euro. [….]

Schön für sie, aber kein Grund für den Staat sie auch noch mit besonders niedrigen Steuersätzen zu belohnen

Kevin Kühnert ist ein Depp, weil er ohne Absprache mit dem Willy-Brandt-Haus etwas herausposaunt, ohne daran zu denken, daß seine These natürlich radikal zugespitzt vor dem Wahlkampf seine Partei in einen Hühnerhaufenmodus versetzt.
Deutsche mögen keine Veränderungen und so sackt die SPD kurz vor der Europawahl dank Kühnert gleich dramatisch ab.

[….] SPD sackt nach Kühnert-Debatte deutlich ab. 
In der Woche nach einem heftig diskutierten Interview mit Juso-Chef Kühnert muss die SPD Federn lassen. Bei allen Zustimmungswerten im RTL/n-tv Trendbarometer verliert die Partei deutlich. Zulegen können zwei Parteien.
Nach der Debatte um die Äußerungen des Juso-Chefs Kevin Kühnert fällt die SPD im RTL/n-tv Trendbarometer um zwei Punkte auf 15 Prozent. Für die Partei ist es der schlechteste Wert seit sieben Wochen. Kühnert hatte sich in einem Interview mit der "Zeit" am 1. Mai offen gezeigt für eine "Kollektivierung" von Großkonzernen wie BMW und dem dahinterstehenden Gedanken einer "Überwindung" des Kapitalismus. In der Folge entbrannte eine heftige Debatte um seine Äußerungen. [….]

Ein typischer Kühnert. Er hat ein gutes Herz, ist aber nicht der Hellste. Das zeigte er schon während der Debatte um die Groko, als er ebenfalls nur seinen Gefühlen folgte und die Realpolitikignorierte.
Er hatte keinen Plan, konnte keine Alternative nennen und verkündete nur vehement, was er nicht will.
Das ist zu wenig.
Ja, selbstverständlich ist es völlig richtig Frau Klatten höher zu besteuern, den Steuerflüchtlingen nachzustellen, eine Millionärssteuer einzuführen.
Aber das muss konzertiert und durchdacht vorgetragen werden.
Argumente gäbe es genug.

(….) Warren Buffett zahlt weniger Steuern als seine Sekretärin Debbie Bosanek; geschätztes Jahreseinkommen: 50.000 Dollar, für die sie etwa 36 Prozent Steuern zahlt. Ihr Boss zahlt gute 14%.
Multimillionär Mitt Romney zahlte 12,9% Steuern auf seine 22 Millionen Dollar Kapitaleinkünfte.

Das ist so offensichtlich ungerecht, daß amerikanische Millionäre schon seit Jahren regelrecht darum betteln mehr Steuern zu zahlen.

[….] "Erhöht die Steuern für Millionäre". Das fordern nicht etwa linke Aktivisten, sondern 80 Vermögende aus New York. Unter anderem unterzeichneten George Soros, Steven Rockefeller und Abigail Disney den offenen Brief, der am Dienstag veröffentlicht wurde.
Das Schreiben ist an den demokratischen Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, gerichtet. Aus Sicht der Unterzeichner sollten Top-Verdiener mehr für Schulen, Straßenbau oder Programme für Arme und Obdachlose bezahlen. […..]

Andere Superreiche denken stattdessen lieber an ihr eigenes Wohl und spenden für Konservative.
Für ihr intensives Däumchendrehen und konzentriertes Chillen wuchs beispielweise das Vermögen der Susanne Klatten, geborene Quandt, im vergangenen Jahr um zwei Milliarden Euro.

Susanne Klatten gewinnt zwei Milliarden Dollar hinzu
[….] Schwer genervt ist Susanne Klatten, 54, wenn sie immer nur als die reichste Frau Deutschlands tituliert wird. "Das beschreibt den Menschen nicht, das beschreibt nur einen Status", klagte die Multimilliardärin im vergangenen Sommer in der Zeit. [….] Umso besser läuft es bei BMW. Gemeinsam sind die Geschwister - ihre Mutter Johanna ist vor zwei Jahren gestorben - Großaktionär. Die Dividende wird erneut angehoben, und die Quandt-Erben bekommen alleine etwas mehr als eine Milliarde Euro ausgeschüttet. Auch viele andere Beteiligungen laufen gut, zur Freude Klattens. Gerade wurde wieder die Liste der reichsten Menschen der Welt veröffentlicht, berechnet von dem auf die Superreichen spezialisierten US-Magazin Forbes. Für Susanne Klatten reicht es in der Hitliste auf Platz 38, ihr Vermögen wird jetzt auf 20,4 Milliarden Dollar taxiert, immerhin knapp zwei Milliarden Dollar mehr als 2016. Der jüngere Bruder Stefan Quandt liegt mit 18,3 Milliarden Dollar auf Platz 47. [….]

Ich bin übrigens gar kein Linksradikaler, der Frau Klatten und Herrn Quandt alles wegnehmen will. Reichtum an sich stört mich nicht. Ich halte es durchaus für möglich, daß anständige Menschen, die sozial denken mit moralisch akzeptablen Methoden sehr reich werden.
Meinetwegen kann Frau Klatten gern Milliardärin bleiben.
Es stört mich nur, wenn Superreiche steuerlich besser gestellt werden als Normalverdiener, daß es offensichtlich möglich ist mit einem Heer von Anwälten und Steuerberatern die Abgabenlast gen Null zu drücken.
Für Einkommens-Multimillionäre sollte eine staatlich festgelegte Mindeststeuerquote gelten, von der nichts abziehbar ist.
 (Stichwort „Buffett-Steuer“)

Es ist darüber hinaus schon recht ekelhaft, wenn wiederholt der Eindruck entsteht, die Quandt/Klatten-Familie erhielte ihren jährlichen Geldsegen insbesondere durch ihre Finanzierung der CDU.

[….] Eine Spende mit Geschmäckle: 690.000 Euro überwies die BMW-Eignerfamilie Quandt der CDU, Kanzlerin Merkel erstritt Schonung für deutsche Autokonzerne bei EU-Abgasnormen. [….] Die drei Mitglieder der Quandt-Familie haben laut der Bundestagsverwaltung der CDU am vergangenen Mittwoch insgesamt 690.000 Euro an Spenden zukommen lassen. Gemeinsam halten sie 46,7 Prozent der Anteile an BMW. Die Spenden fallen zeitlich mit einer brisanten politischen Entscheidung zusammen. Die Bundesregierung kämpft seit diesem Sommer dafür, strengere Abgasnormen für Autos in Europa später einzuführen als ursprünglich geplant. Mit Erfolg: Am Montag verhinderte die Bundesregierung bei einem Treffen der EU-Umweltminister vorläufig eine Einigung. Davon profitieren insbesondere deutsche Oberklasse-Hersteller wie BMW, aber auch Daimler, Audi oder Porsche. [….]

Jedes Jahr überweist die Quandt-Sippe sechsstellige Summen an CDU und CSU und; oh Wunder; die Steuer- und Umweltschutzgesetze bleiben kontinuierlich sehr Quandt-freundlich. (….)