Dieser
Özil, von dem sie jetzt alle sprechen, hat offenbar die deutsche
Staatsbürgerschaft, anderenfalls könnte er nicht für die
Fußballnationalmannschaft spielen.
Damit
ist er deutlich deutscher als ich; denn von einem deutschen Pass bin ich weit
entfernt.
Daher
muss ich mir auch nicht vorwerfen lassen noch nie im meinem Leben die deutsche
Nationalhymne mitgesungen zu haben. Ich bin ja kein Deutscher.
Und
genau wie Özil respektiere ich andere Regierungschefs.
Es gibt
sogar welche, die ich dezidiert lieber mag als Angela Merkel, der ich auch noch
nie mit nacktem Oberkörper die Hand gegeben habe: Justin Trudeau, Emmanuel Macron, Pedro Sánchez.
Noch
eine Parallele zwischen Özil und mir: Gelegentlich spreche und/oder schreibe
ich englisch, wenn ich politische Aussagen treffen möchte.
Manche
deutsche Errungenschaften gefallen mir allerdings ausnehmend gut. Die habe ich voll
in meinen Lifestyle integriert:
Linsensuppe, die Süddeutsche Zeitung und Vollkornbrot beispielsweise.
Andere
urdeutsche Bräuche der Eingeborenen werden mir aber nicht nur ewig fremd
bleiben, sondern ich weigere mich ausdrücklich mich dahingehend zu integrieren.
Das
mache ich nicht mit und verachte es sogar:
Deutsche
Volksmusik, Krachlederne, Eisbein, Saumagen, Weihnachtsmärkte, AfD, Schuhplattlern,
Kölner Karneval, Weiberfastnacht, Glühwein, Tatort, Pantoffeln, beige
Funktionskleidung.
Je
deutscher, patriotischer und nationalistischer die Bräuche, desto widerlicher
erscheinen sie mir.
Was tun
so richtig deutsche aktive Patrioten eigentlich typischerweise?
Die
Apotheose des wehrhaften Deutschtums ist eindeutig Lutz Bachmann.
Siegfried
Däbritz, einer seiner besten Freunde, richtete 2014 den Polterabend für
Bachmanns Hochzeit mit seiner „Vicky“ aus.
[….]
Däbritz, Security-Unternehmer und
Pensionsbetreiber aus Meißen, präsentiert sich bei Schießübungen und spielt in
der Footballmannschaft "Suburbian Foxes". Däbritz war Gast bei der
Hochzeit der Bachmanns, er ist auch auf unzähligen Fotos in den Facebook-Alben
des Paares zu sehen. Ein stämmiger Mann mit Kinnbart und Glatze, der gern ein
T-Shirt trägt, auf dem das Wort "Gutmensch" rot durchgestrichen ist.
Anlässlich der Hochzeit der Bachmanns regte er eine
"Heißwachs-Arschritzen-Enthaarung für Lutz" an und kümmerte sich
offenbar um kreative Ideen für den Polterabend. [….]
Noch so
etwas Deutsches, das in meinem Erfahrungsschatz fehlt:
"Heißwachs-Arschritzen-Enthaarung für Lutz"
"Heißwachs-Arschritzen-Enthaarung für Lutz"
Bachmann
saß auch jahrelang im Knast, ist vielfach vorgestraft und mehrfacher Justizflüchtling.
Auch da
kann und will ich nicht mithalten.
Dräbitz
ist immer noch in Sachsen aktiv und war der Einpeitscher der Menge, die
angesichts der Seenotrettungsaktionen im Mittelmeer „ABSAUFEN!
ABSAUFEN! ABSAUFEN!“ skandierte.
Ich bin
wohl schrecklich undeutsch, wenn ich mich immer noch dafür einsetze ertrinkende
Menschen zu retten und sich als guter Gastgeber zu zeigen.
[……]"Dass Menschen im 21. Jahrhundert völlig
schamlos, bei hellem Tageslicht, auf einem der berühmtesten Plätze Dresdens
rufen, dass Menschen absaufen, also sterben sollen, offenbart ein wirklich
unvorstellbares Ausmaß an Werteverlust.
Werte übrigens, auf
denen dieses Land fußt, die im Grundgesetz verankert sind. [….]
Nein,
ich bin so gar nicht auf der Seite des patriotisch-deutschen Heimatministers
Seehofer, der alles dafür tut, Menschen in Not nicht zu retten, sogar aktiv
dazu beiträgt sie außerhalb Deutschlands zu Tode kommen zu lassen.
[…..] Ende einer dramatischen Rettung, die große
Wellen schlägt: Josefa aus Kamerun, die am Dienstag von spanischen Helfern aus
dem Meer gezogen worden war, kam am Sonnabend mit dem Rettungsschiff „Open
Arms“ auf Mallorca an. Die 40-Jährige war nach ihrem stundenlangen
Überlebenskampf im Wasser immer noch schwach und musste zu einem Krankenwagen
getragen werden. […..] Während Josefa
in einem Krankenhaus versorgt wurde, erhoben ihre Retter von der Hilfsorganisation
„Proactiva Open Arms“ schwere Vorwürfe. Die libysche Küstenwache habe die Frau
und mindestens zwei weitere Flüchtlinge im Meer zurückgelassen, weil sie sich
geweigert hätten, nach Libyen zurückgebracht zu werden. Ihr Boot sei versenkt
worden. Josefa überlebte, weil sie sich an ein Stück Holz klammern konnte, eine
Frau und ein kleiner Junge ertranken. […..] Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die dramatische Lage im Mittelmeer,
die sich durch den rigiden Kurs der italienischen Regierung zuspitzt. Rom
erschwert dabei nun auch die Rettung von Flüchtlingen durch die sechs Schiffe
der EU-Mission „Sophia“, an der auch die Bundeswehr beteiligt ist. […..] Die
EU-Schiffe unter italienischem Kommando sind eigentlich zum Kampf gegen die
Schleuserkriminalität vor der libyschen Küste unterwegs, sie nahmen aber seit
2015 auch rund 49.000 in Seenot geratene Flüchtlinge auf und brachten sie in
italienische Häfen.
Doch Italien will
diese Menschen nicht mehr aufnehmen, Anfang der Woche drohte die Regierung der
EU-Kommission schriftlich, italienische Häfen für „Sophia“-Schiffe zu sperren.
Das Entsetzen ist groß: „Dass Italien nicht einmal Schiffe einer gemeinsamen
offiziellen, auf Bitten Italiens eingerichteten und verstärkten Mission einlaufen
lassen will, wenn sie Flüchtlinge an Bord haben, ist der Tiefpunkt der
Menschlichkeit“, sagte der EU-Außenpolitiker Elmar Brok. [….]