Wenn
eine außenpolitische Situation zu schwierig wird, setzten westliche Regierungen
auf „Regime Change.“
Zur Not
bombt man dann auch eine Regierung wie im Irak oder Libyen einfach weg.
Umgekehrt
wird es natürlich als extremer Skandal empfunden, wenn irgendeine ausländische
Regierung auch nur zwischen den Zeilen durchblicken läßt, daß ihr eine andere Bundesregierung
lieber wäre.
Für
Griechenland gelten aber keinerlei Spielregeln, kein Anstand und keine
Diplomatie mehr.
Daß sich
ein Ministerpräsident in Athen nicht mehr devot wie in den fünf Jahren zuvor die
völlig kontraproduktive Politik aus Brüssel diktieren läßt, können Merkel,
Schäuble, Schulz und Co gar nicht fassen.
Die
wollen nicht so wie wir?
Dann müssen die eben weg!
Merkel igelte sich die letzte Woche im Kanzleramt ein, sagte nichts „zum Euro“. Der Plan war, bis heute abzuwarten. Dann würde das griechische Volk diesen aufmüpfigen Emporkömmling mit dem glatzköpfigen Motorradfahrer an seiner Seite wegfegen und einen CDU-genehmen Statthalter inthronisieren.
Dann müssen die eben weg!
Merkel igelte sich die letzte Woche im Kanzleramt ein, sagte nichts „zum Euro“. Der Plan war, bis heute abzuwarten. Dann würde das griechische Volk diesen aufmüpfigen Emporkömmling mit dem glatzköpfigen Motorradfahrer an seiner Seite wegfegen und einen CDU-genehmen Statthalter inthronisieren.
Das war
Plan A, Plan B und Plan C. Dabei standen die Platzhalter „A, B und C“
allerdings alle für „Nai“.
62% Oxi
war einfach nicht vorgesehen.
Zu blöd,
daß sich die griechischen Wähler nicht an das Berliner Drehbuch hielten!
Respekt für die mutige
Entscheidung der Griechen.
Widerständige
Demokraten haben dem riesigen Druck und den Drohungen aus der EU, nahezu aller
Spitzenpolitiker und der meisten Medien, getrotzt und unabhängig entschieden.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen: Tsipras hatte
Recht. Das griechische Volk will sich nicht alles gefallen lassen. Reformen JA
aber keine solchen, mit weiteren Spargrausamkeiten zu Lasten der eh schon
Armen.
Soviel einseitige
Einmischung vor einer Wahlentscheidung in einem Land der EU aus den anderen
Länder gab es noch nie. Kaum ein Spitzenpolitiker, der nicht die vermeintliche
Chance nutzte, die aufmüpfige griechische Regierung loszuwerden. Viele
versuchten gar mit Druck und massiven Drohungen, die Fortsetzung der
unverantwortlichen Sparpolitik zu Lasten der Armen Griechenland zu erzwingen.
Eigentlich schade. Warum dürfen Griechen nicht frei und unbeeinflußt von Außen
entscheiden, was für sie und ihr Land richtig ist?
Warum wurde ständig unterstellt, die Griechen
wüßten gar nicht, über was sie entscheiden?
So wie bisher geht es
nicht weiter. Die Sparpolitik der „Rettungsschirme“ ist trotz immenser Opfer
der griechischen Bevölkerung gescheitert.
Nicht nur in
Griechenland.
(Hans-Christian
Ströbele 05.07.15)
Nun hat
Merkel ein echtes Problem. Die Athener Regierung wird sich nicht aussitzen
lassen.
Der
Untertitel der SPIEGEL-Titelgeschichte ist vermutlich auch im Kanzleramt
gelesen worden:
Die Griechenlandkrise
stürzt die EU auch deshalb ins Chaos, weil die Kanzlerin die Dinge so lange
treiben ließ.
Weiter
heißt es dort:
Merkel hatte Tsipras
immer als einen Mann beschrieben, der zwar eine verrückte Truppe anführe, im
persönlichen Umgang aber durchaus offen und zuvorkommend sei. Es war ihre
Hoffnung, dass Tsipras am Ende den Kräften der Vernunft zum Durchbruch
verhilft. Nun sieht es so aus, als ob er Merkel das größte Debakel ihrer
Amtszeit bereite. (…) Die Kluft, die sich nun in Europa auftut, hat auch etwas
mit Merkels Politikstil zu tun, mit ihrer Eigenart, die Dinge lange treiben zu
lassen. Diese Methode funktioniert, wenn es darum geht, einen Kompromiss
auszuhandeln, und alle Beteiligten an einem guten Ergebnis interessiert sind.
Aber sie findet ihre Grenzen, wenn jemand wie Tsipras zum Äußersten
entschlossen ist. (…) Es ist schon lange klar, dass Griechenland ein Sonderfall
der Eurokrise ist. Ein Land, in dem weder das Steuersystem funktioniert noch
das Katasterwesen und das zudem so hoch verschuldet ist, dass kein vernünftiger
Ökonom noch an eine Tilgung der Kredite glaubt. (…) Merkel wusste das alles. Dennoch hat sie es
mit Rezepten versucht, die sie in der deutschen Innenpolitik angewandt hat:
zögern, verstecken, die Dinge im Ungefähren lassen. (...) Die Griechenlandkrise
hätte Führung verlangt, einen Plan, aber den wollte Merkel nicht vorgeben.
Merkel mag zwar die Macht, aber im entscheidenden Moment weiß sie nicht, was
sie damit machen soll. Sie steht nun vor den Trümmern ihrer Europapolitik. Wie
konnte es so weit kommen?
(DER
SPIEGEL 04.07.2015)
Merkel
steht jetzt auch deswegen so blamiert da, weil weite Teile der deutschen Presse
ihre Objektivität längst aufgegeben hatten und so auf Syriza eindroschen, daß
in Berlin das schiefe Meinungsbild entstand, auch in Griechenland gäbe es
breite Mehrheiten gegen Tsipras und Co.
Das OXI
von heute ist also auch ein Schlag ins Gesicht für die deutsche Journaille.
Kein Unterschied, ob
"Bild", "Zeit" oder ARD: In den deutschen Medien schwingen
sich Journalisten reihenweise zu pöbelnden Parteigängern auf, statt Fakten und
Analysen zur Griechenlandkrise zu bringen.
Es ist wir gegen die.
Es ist Vernunft gegen Wahnsinn. Es ist eine "griechische Tragödie".
Es geht um "unser Geld" (Anja Kohl), es geht um "unsere
Leute" (Sigmar Gabriel). Es ist Showdown, und die Waffen werden gezückt:
Das "Handelsblatt" zeigt Alexis Tsipras, der sich die Knarre an den
Kopf hält, und findet, dass das noch Journalismus ist.
[…]
Anja
Kohl zum Beispiel. Eine Frau, die seit Jahren nichts anderes tut, als dem Dax
das Händchen zu halten, wenn es ihm mal nicht gut geht, und den
Finanzkapitalismus anzufeuern, der im Kern die Ursache der Griechenlandkrise
überhaupt ist, wie Ana Swanson in der "Washington Post" gut
beschrieben hat.
Kohl also, die schon
2009 dafür kritisiert wurde, dass sie bei einem dubiosen Börsen-Seminar auftrat
und Veranstaltungen von DAX-Firmen moderierte, über die sie eigentlich objektiv
berichten sollte, die 2014 bei Frank Plasberg patzig wurde, als es mal wieder
um "unser Geld" ging, und die nun bei Günther Jauch auf den neben ihr
sitzenden Griechen einschimpfte und dann fauchte, "wir" hätten doch
Griechenland dies und das und alles Mögliche angeboten - als sei sie Teil des
Verhandlungsteams und nicht des Journalismus.
Oder Rolf-Dieter
Krause, der nach langen Jahren in Brüssel an einer Art Stockholm-Syndrom
leidet, nur noch in der stahlblauen Rationalität der Macht denkt und wie Kohl
sein gebührenfinanziertes Gehalt eigentlich dafür kriegt, dass er möglichst
objektiv sein sollte - diesem ARD-Krause platzte bei Plasberg heraus, man solle
doch am besten "die Jungs von Syriza zum Teufel jagen".
Oder Marc Brost, der
die ganze Titelseite der "Zeit" dafür nutzen durfte, den "lieben
Griechen" papamäßig zu erklären, sie müssten sich "gegen die Politik
wenden, die Sie erst vor fünf Monaten gewählt haben"; und zwar auf Deutsch
und auf Griechisch, damit auch ja alle verstehen, dass das nicht etwa die
Einzelmeinung eines Redakteurs ist, sondern ein Befehl der
Schreibtisch-Merkantilisten von der "Zeit". […]
Dass die
"Bild" den Schmeißt-sie-raus-Populismus noch ein wenig pimpt und zum
eigenen Referendum aufruft: eklig, geschenkt; dass aber zum Beispiel Mister Fassungslos, Frank-Walter Steinmeier, in all den
Jahren nicht offensiv davon gesprochen hat, das zwischen 77 (SPIEGEL ONLINE)
und 90 Prozent ("Guardian") der "Hilfsgelder" direkt an die
Banken gingen und nicht an die griechische Bevölkerung?! […]
Es macht
Merkels Totalversagen nicht besser, daß auch die führenden Sozialdemokraten in
dieser Angelegenheit – Sigmar Gabriel und Martin Schulz – nicht nur kein Jota
zu einer vernünftigen Lösung beitrugen, sondern ebenfalls nationalistisch und
neoliberal argumentierten.
Schulz
war es noch nicht mal zu peinlich Europa massiv über die angeblichen Zugeständnisse
Brüssels zu belügen, obwohl jeder nachlesen kann, daß der EU-Parlamentspräsident
nicht die Wahrheit sagt.
Merkels
Epigonen der Öffentlich-Rechtlichen, Wolf-Dieter Krause und Siegmund Gottlieb
jammerten schon öffentlich von den Milliardenlöchern, die nun in Schäubles
Planungen gerissen würden, wenn Griechenland nicht seine Schulden begliche.
Als ob
das nicht seit mindestens 5 Jahren klar war, daß es niemals zu einer
vollständigen Rückzahlung kommen kann.
So wie fast
nie Staatsschulden zurückgezahlt werden. Deutschland ist diesbezüglich
Vorreiter und hat nie seine Schulden abgezahlt.
Ein
weiteres Trilemma für die Kanzlerin!
·
Nun muß sie entweder vor dem Wähler offenbaren, daß sie grob fahrlässig gehandelt hat, indem sie zig Milliarden deutsches Steuergeld versenkt hat – und das obwohl es an Warnungen davor nie mangelte.
Nun muß sie entweder vor dem Wähler offenbaren, daß sie grob fahrlässig gehandelt hat, indem sie zig Milliarden deutsches Steuergeld versenkt hat – und das obwohl es an Warnungen davor nie mangelte.
·
Oder
sie gibt zu, daß ihre ganze Drohkulisse völlig verlogen war, weil Deutschland unterm Strich am meisten davon profitiert*,
daß Griechenland horrende Zinsen an deutsche Investoren abzahlt.
·
Oder,
dritte Möglichkeit, sie muß öffentlich einknicken und doch dem unausweichlichen
Schuldenschnitt zustimmen. Damit würde sie aber Varoufakis einen Sieg schenken
und gewaltigen Ärger in ihrer Partei bekommen.
Eine
Wahl zwischen Pest, Cholera und Krätze.
Merkel
steckt ganz tief in der Scheiße.
*
Es stimmt: Gerade Wolfgang Schäuble kann sich für seinen Bundeshaushalt freuen. Denn seit Beginn der Finanz- und Euro-Krise spart Deutschland Geld, nämlich Zinsen, die es für seine eigenen Kredite zahlen muss. Die Zinsen der EZB sanken im Zuge der Krise, seit Juli 2008 von 4,25 Prozent auf derzeit 0,05 Prozent. Davon profitiert Deutschland. Ein positiver Effekt – erkannt und ausgerechnet hat ihn als Erster Jens Boysen-Hogrefe vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel.
Es stimmt: Gerade Wolfgang Schäuble kann sich für seinen Bundeshaushalt freuen. Denn seit Beginn der Finanz- und Euro-Krise spart Deutschland Geld, nämlich Zinsen, die es für seine eigenen Kredite zahlen muss. Die Zinsen der EZB sanken im Zuge der Krise, seit Juli 2008 von 4,25 Prozent auf derzeit 0,05 Prozent. Davon profitiert Deutschland. Ein positiver Effekt – erkannt und ausgerechnet hat ihn als Erster Jens Boysen-Hogrefe vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel.
Jens
Boysen-Hogrefe vom Institut für Weltwirtschaft erklärt:
»Durch die
Schuld-Titel, die der Bund seit 2009 ausgegeben hat, wurden im Vergleich zum
Vor-Krisenniveau 160 Milliarden Euro eingespart.«
160 Milliarden Euro
Ersparnis, weil Deutschland seit Jahren als der sichere Hafen für
internationale Großanleger gilt. Das ist die eine, überraschende Seite. Auf der
anderen Seite bürgt Deutschland mit 85,2 Milliarden Euro für die griechischen
Hilfsmaßnahmen. Und die sind wohl verloren. Aber was würde das bedeuten?
Dazu
meint der Fachmann Hogrefe:
»85 Milliarden Euro
sind sehr viel, das sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Aber es
ist, so wie Öffentliche Haushalte aufgestellt sind, ein verkraftbarer Betrag.«
Das Fazit lautet: Gut
85 Milliarden Miese, wenn Griechenland baden geht. Dagegen 160 Milliarden Plus
seit Beginn der Euro-Krise. So gesehen profitiert Deutschland.
Deutschland
ist Profiteur der Griechen-Krise!
Das wird
auch seit fünf Jahren erklärt.
Aber wen
interessieren schon Fakten? BILD und Co lügen weiter, daß sich die Balken
biegen – und wenn noch so viele Presseratsrügen erteilt
werden.