Heute herrscht immer noch große Begeisterung in der medialen Szene. Olaf Scholz scheiterte mit seinem Vorhaben, die Strafzölle auf günstige E-Autos auf China zu verhindern.
So verständlich der Wunsch ist, sich aus der erpresserischen ökonomischen Umklammerung Chinas zu lösen, so wichtig ist es andererseits, die Fähigkeiten deutscher Wirtschaftskapitäne realistisch einzuschätzen.
Ein merkantilistischer Wirtschaftskrieg gegen China würde nämlich aus einer Position der Schwäche geführt. Die Wahrheit des Jahres 2024 lautet: Wir brauchen die viel dringender, als die uns.
Die Chinesische Wirtschaft kann einen Exporteinbruch nach Deutschland überleben. Wenn Berlin auf alle Einfuhren aus Xis Reich 1.000 % Strafzoll erhebt, würde das zwar etwas weh tun, wäre aber leicht zu kompensieren.
Deutschland überlebt einen Importstopp aus China hingegen auf keinen Fall. Mit dem Stolz der selbsternannten großen Export-Nation Deutschland, wäre es ganz schnell vorbei, ohne Computerchips, Solarzellen, Kommunikationstechnik, seltene Erden oder Windkraftanlagen. Dabei wird China in schnellen Schritten immer unabhängiger von Europa, indem es zunehmend die Güter selbst produziert, die es vorher importieren musste. Das dummerhafte Deutschland macht es genau umgekehrt und gibt immer mehr Knowhow aus der Hand, so daß wir immer abhängiger von Importen aus China werden.
[…] Nicht nur der Wert der nach China exportierten Güter sinkt, auch deren Anteil an den deutschen Exporten. Die Gründe dafür sind erstens, dass deutsche Unternehmen vermehrt in China produzieren und zweitens, dass China inzwischen viele der früher aus Deutschland bezogenen Waren nun selbst herstellt. Zum Beispiel Autos. Bei den Exporten ist also eine schrittweise Entkopplung des Westens von China zu erkennen. Anders bei den Importen: Während die USA weniger im Reich der Mitte kaufen und dieser Trend weiter nach unten deutet, „sind die EU und China immer stärker aufeinander angewiesen“, so das Peterson Institute (PIIE) in Washington. Tatsächlich wuchsen die Einfuhren der EU aus China zwischen 2019 und 2023 um elf Prozent. Auch die Abhängigkeit von chinesischen Vorleistungen scheint in diesem Zeitraum zugenommen zu haben. „So ist das Verhältnis von Vorleistungsgütern, die Deutschland aus China importiert, gemessen an der Produktionsmenge Deutschlands von vier Prozent auf knapp sechs Prozent gestiegen“, errechnet die Commerzbank. [….]
Aber wieso sind wir so doof, essentielle Fähigkeiten der Wirtschaft absterben zu lassen und statt dessen darauf zu vertrauen, in China einkaufen zu können?
Es steht schließlich außer Frage, wie wichtig Masken, medizinische Hygieneprodukte, Klugtelefone, Lithiumbatterien und Medikamente für Deutschland sind und wie dumm wir dastehen, wenn China nicht mehr liefert.
Die Gründe für diese Maximal-Eselei der deutschen Industrie bestehen in ihrer Kurzsichtigkeit und Gier. Die Gewinnmargen auf Atemmasken, oder Hustensaft waren zu klein. Die Produktion ist kein Hexenwerk, aber unsexy. Sollen das doch die Chinesen und Inder für uns machen, sich mit den Lohnkosten und Umweltproblemen abärgern, während wir richtig abkassieren, indem wir ihnen ultrateure Designermode und brutal übermotorisierte Luxusautos zu Mondpreisen verticken.
Spätestens seit der Pandemie, muss jedem Deutschen klar sein, was Apotheker und chronisch Kranke schon lange vorher wußten: Wir leiden unter erheblichem Medikamentenmangel.
Aber weil das Deutschland hier ist, haben wir es geschafft, die Situation seit der harten Erkenntnis Anfang 2020, noch deutlich zu verschlimmern.
[….] Angesichts von derzeit 500 nicht verfügbaren Medikamenten haben die deutschen Apotheker vor einer längerfristigen Lieferkrise gewarnt. „Das zeigt, dass wir in einer wirklich dauerhaften Lieferkrise stecken und dass wir hier noch keine Entwarnung haben“, sagte Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Zum Ende des Monats September waren nach Daten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 500 Medikamente nicht lieferbar.
„Wir haben aktuell immer noch viele Lieferengpässe“, sagte Overwiening. Auch in den vergangenen Jahren hatte es Lieferengpässe gegeben, betroffen waren vor allem Schmerzmittel und Antibiotika, aber auch Fiebersäfte für Kinder. Gründe waren unter anderem der Abriss von Lieferketten und eine erhöhte Nachfrage. Das daraufhin vom Bundestag beschlossene Lieferengpassgesetz hat offenbar bislang noch keine echte Remedur gebracht.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte führt eine Datenbank, in die Hersteller Lieferengpässe für versorgungskritische Arzneimittel eintragen. Ein Lieferengpass ist laut BfArM eine über zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer üblichen Auslieferung oder eine deutlich erhöhte Nachfrage, die das Angebot übersteigt. […..]
(dpa, 29.09.2024)
Die Erkenntnis ist doppelt peinlich. Erstens gelten Industrie-Konzernchefs als konservativ, finanzieren CDU, CSU und FDP. Sollten sie sich dann nicht auch national verpflichtet fühlen, ihr Heimatland zu versorgen?
Zweitens galt Deutschland über Jahrzehnte als „Apotheke der Welt“. Hier waren die größten Pharma- und Chemie-Konzerne, BASF, Bayer und Hoechst, ansässig, die die wichtigsten Medikamente entwickelten.
Die drei größten deutschen Chemie-Konzerne waren gleichzeitig auch die drei Größten der Welt. Mehr Weltmarktführung geht nicht.
[….] LAST May, BASF, the West German chemical giant, capped a major acquisition drive by laying out $1 billion for the American ink and paint maker, Inmont. Earlier this year, Hoechst, another industry leader, snapped up Rosenthal Technik, the technology arm of the Rosenthal porcelain group. At about the same time, Bayer, the third of Germany's chemical giants, announced ambitious plans to boost its drive into the United States pharmaceuticals market, including the construction of a multimillion-dollar research center near New Haven.
West Germany's Big Three chemical companies - the world's three largest until 1981, when Du Pont acquired Conoco and grabbed first place by total sales - are on the move. For the last two years they have enjoyed their biggest earnings boom since the mid-1970's. And unlike their American counterparts, who are staggering under the combined burdens of the strong dollar, fierce foreign competition and weakening demand, the West German companies have money to burn. [….]
Inzwischen sind sie weitgehend zerschlagen. International abgehängt.
Erst auf Platz 20 erscheint die deutsche Merck KGaA; Bayer folgt auf Platz 24.
Was auch immer in den Köpfen der raffgierigen deutschen Pharmakonzern-Manager vorging; inzwischen haben sie es geschafft, schon an der Versorgung Deutschlands mit gewöhnlicher Kochsalzlösung zu scheitern.
[….] Medikamentenmangel Auch Kochsalzlösung wird knapp
Es ist ein gängiges und einfach herzustellendes Präparat - trotzdem wird Kochsalzlösung knapp. Krankenhäuser und Arztpraxen haben laut einem Bericht derzeit Versorgungsprobleme. Und die könnten noch einige Zeit andauern.
Ein Engpass bei Kochsalzlösungen wird zum Problem für Kliniken und Arztpraxen. Laut einem Medienbericht ist nun auch das Präparat, das für für Infusionen, Spülungen und Operationen benötigt wird, von Lieferengpässen betroffen. "Es gibt zurzeit viel zu wenig Kochsalzlösung. Was in den Klinken schon seit Monaten ein großes Problem ist, erreicht jetzt auch die Versorgung ambulanter Patienten", sagte Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, der Rheinischen Post.
Zahlreiche Hersteller von Kochsalzlösungen könnten auch Apotheken nicht mehr ausreichend beliefern. "Kochsalzlösungen kosten nur wenige Cent in der Produktion, sind aber unersetzbar in der Versorgung der Patienten", sagte Preis. "Deshalb dürfen solche Lieferengpässe eigentlich gar nicht auftreten." Die Politik müsse "dringend mehr Verantwortung" übernehmen, forderte er. Im Gespräch mit dem WDR warnte Preis vor konkreten negativen Folgen für die Patienten: "Es besteht die Gefahr, dass Operationen verschoben werden müssen." Kochsalzlösung werde als Träger für Medikamente gebraucht. Aber sie werde auch zum Freispülen von Kathetern und Operationsfeldern benutzt und zur Behandlung von Wunden.
Kochsalzlösungen gehören seiner Darstellung nach zur Daseinsvorsorge wie Strom, Gas oder Trinkwasser. "Und Daseinsvorsorge ist eine zentrale Aufgabe des Staates. Der Staat muss mehr Verantwortung übernehmen." [….]
Es ist hohe Zeit für alle Pharma-Lobbyisten und Konzernbosse geschlossen zurückzutreten, auf die Knie zu fallen und ein „mea maxima culpa“ anzustimmen.
Die konservativen Konzernherren, Merz und Lindner können offenkundig keine Wirtschaftspolitik und sollten stattdessen unbedingt auf den Grünen Wirtschaftsminister hören.
[…..] Deutliche Worte findet die Bundesregierung in ihrer China-Strategie. Sie warnt vor einer Politik der Regierung in Peking, die „wirtschaftliche und technologische Abhängigkeiten schaffen“ wolle. Etwa bei seltenen Metallen, Lithiumbatterien, Photovoltaik oder pharmazeutischen Wirkstoffen seien diese heute bereits vorhanden. Um die ökonomische Souveränität der deutschen Wirtschaft wiederzugewinnen oder zu erhalten, fordert die Regierung ein „De-Risking“, also eine bessere Risikostreuung. „Das Ziel ist dabei, ausgewogene Partnerschaften in Asien auf- und auszubauen, ohne sich gegenüber China zu verschließen.“ Konkret bedeutet das: Deutsche und europäische Firmen brauchen neue Partner.
Zum Beispiel Vietnam. Dort arbeitet seit einem Jahr eine neue Fertigungsstätte der Firma RRC Batterien. Das Unternehmen aus dem saarländischen Homburg produziert unter anderem Stromspeicher für Roboter, Drohnen, Geräte der Medizin- und Verteidigungstechnik. Das neue Werk diene der „Diversifizierung unserer Lieferanten- und Produktionsbasis in China und Taiwan“, erklärt RRC. Mit Hilfe von Vietnam „können wir mögliche Störungen in der Lieferkette besser abfedern und eine kontinuierliche und zuverlässige Belieferung sicherstellen“. […..]
(Berliner Morgenpost, 04.10.2024)