Mittwoch, 18. März 2020

Es geht viel schlimmer


Mir kann niemand unterstellen irgendwelche Sympathien für Angela Merkel zu hegen. Ich lehne ihre Politik seit 1990 kategorisch ab.
Meiner Ansicht nach trägt sie große Schuld an dem Auseinanderfall Europas, daran, daß die EU auch bei Corona und angesichts der Zustände auf Lesbos nicht in der Lage ist mit einer Stimme zu sprechen.
Anders als Brandt, Schmidt, Kohl und Schröder hat sie sich nie für die EU erwärmt, nie Initiativen gezeigt. Sie verhielt sich engstirnig, populistisch und unsolidarisch bei der Finanzkrise 2008/09. Sie stimmte weder Flüchtlings- noch Energiepolitik mit Brüssel ab, sie drückte deutsche Sonderwünsche (keine CO2-Abgabe durch), verhinderte gemeinsame Wirtschafts- und Klimapolitik.
Nach ihrer heutigen Corona-Ansprache werden die sozialen Netzwerke mit in Herzchen-Emojis eingebetteten MUTTI-Versalien geflutet.
In diese Jubelarien werde ich niemals einfallen.

Aber es bricht mir auch kein Zacken aus der Krone, wenn ich zugebe immerhin froh zu sein nicht in Brasilien, GB oder der USA zu leben.
Ich stimme also meinem FB-Freund Norman zu:

[…..] Es ist intellektuell befriedigend eine Regierungschefin zu haben, die in ganzen Sätzen sprechen kann. Die sich der Wissenschaft nicht verschließt, und, bei aller Kritik, in diesen Stunden ihr Bestes tut, um die straffen Maßnahmen von Bund und Ländern zu erklären, dessen Einschränkungen wohl für jeden von uns völliges Neuland darstellen. Die Vorstellung, wir hätte eine Flachpfeife an der Spitze wie die USA, wäre in dieser Krise geradezu mörderisch (Im wahrsten Sinne des Wortes). […..]

Nachdem die sagenhaften Fehlleistungen Trumps gestern an dieser Stelle Gegenstand waren und nun sogar die schlimmsten Hetzer von FOX-News umdenken…..


…. glaubt der irre Boris von London immer noch, er könne sich eher um seine eigenen Popularitätswerte kümmern und müsse keine drastischen Maßnahmen wie im Rest Europas ergreifen.

[…..] Die Straßen in London waren übers Wochenende überraschend belebt. Während Länder rund um die Welt den Notstand ausriefen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, gibt sich die britische Regierung betont gelassen: Bislang will sie weder Schulen noch Läden schließen, und ob größere Anlässe stattfinden, ist den Veranstaltern überlassen. […..] Die Briten [sollen]  durch die Verbreitung des Coronavirus eine sogenannte „Herdenimmunität“ erlangen: Wenn ein Großteil der Bevölkerung am Virus erkrankt und dadurch immun wird, könnte das Virus auf längere Frist besser bekämpft werden. […..] Ein Epidemiologe, der in Harvard unterrichtet, schreibt im „Guardian“, er habe den Vorschlag der britischen Regierung zunächst für Satire gehalten. Herdenimmunität sei in diesem Fall nicht relevant, da es sich nicht um eine Impfung handle, sondern um eine richtige Pandemie, die tödlich enden kann. „Die Sterberate mag relativ gering sein, aber ein kleiner Bruchteil einer sehr großen Zahl ist dennoch eine große Zahl“, schreibt er. [……]

Schon lange bevor Boris Johnson Politiker wurde, pflegte er als Journalist wie gedruckt zu lügen. Pardon, nein, er log nicht nur, weil Lügner immerhin noch eine gewisse Beziehung zur Realität pflegen. Johnson ist wie auch Trump ein Bullshitter.

[….] Das Gegenteil von Wahrheit ist "Bullshit", wie es der Philosoph Harry Frankfurt genannt hat. Bullshit in diesem Sinne bedeutet, die Wahrheit zu missachten. Das unterscheidet den Bullshitter vom Lügner: Der Lügner hat immerhin so viel Respekt vor der Wahrheit, dass er bewusst die Unwahrheit sagt, sagt Frankfurt. Dem Bullshitter hingegen ist sie schlichtweg egal: Er behauptet einfach irgendetwas. Hauptsache, es nützt ihm im Moment. […..]

Eine Virus-Pandemie per bullshitting zu bekämpfen dürfte aber selbst einem mit absoluter Mehrheit wiedergewählten Großpopulisten wie dem britischen Premierminister nicht gelingen.
Gut möglich, daß sich die Briten schneller als gedacht zurück in die EU sehnen werden, wenn Lebensmittelversorgung und Gesundheitssystem bei ihnen zusammenbricht.

[…..] Britische Epidemiologen rund um den obersten medizinischen Berater der Regierung, Chris Whitty, verfolgen das Konzept der "Herden-Immunität", nach der Ansteckungen nicht verhindert werden sollen, um schnellstmöglich eine flächendeckende Immunisierung der Bevölkerung gegen das Corona-Virus zu erreichen. […..]  Wenn mindestens 60 Prozent der Bevölkerung das Virus gehabt hätten und wieder gesundet seien, sei auch das Risiko einer zweiten Welle im Winter geringer.
So soll unter anderem verhindert werden, dass das ohnehin chronisch überforderte nationale Gesundheitssystem (NHS) zusammenbricht. Großbritannien ist mit 4000 Intensivbetten und 5000 Beatmungsgeräten im internationalen Vergleich unterversorgt. […..]

Im Chor der Bullshitter-Regierungschefs werden allerdings sowohl der Ami als auch der Brite von dem Brasilianer übertroffen.
Der fanatisch Wälder-abholzende Faschist Jair Bolsonaro wird nicht ohne Grund von Trump über den grünen Klee gelobt.
Der Mann ist in jeder Hinsicht toxisch.

[…..]  Bolsonaro […..] trottete […..] die Rampe des Palasts hinunter und nahm ein Bad in der Menge. Bolsonaro schüttelte Hände. Er umarmte Leute. Er schnappte sich die Smartphones Dutzender Anhänger und knipste Selfies. Nicht einmal eine Maske trug er dabei. 
Als "Attentat auf die öffentliche Gesundheit" bezeichnete Rodrigo Maia, der Präsident des Kongresses, den Auftritt. Bolsonaro hätte sich eigentlich in Isolation befinden sollen. Nach einem Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump in dessen Golfresort Mar-a-Lago waren in der vergangenen Woche 13 Mitglieder seiner Delegation positiv auf Corona getestet worden, unter anderem sein Kommunikationschef, der designierte Botschafter in Washington und ein Senator, der erklärte, nach seiner Rückkehr den halben Kongress umarmt zu haben. […..]
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Bolsonaro Erkenntnissen der Wissenschaft verweigert. Er leugnet den Klimawandel. Als im vergangenen Jahr der Amazonas-Regenwald in Flammen stand, bestritt er, dass dies an einer zunehmenden Abholzung des Waldes liegt.
Jetzt spricht er im Hinblick auf das Coronavirus von einer "Fantasie" und einer - von den Medien geschürten - "Hysterie". Sein Land, glaubt er, werde ohne größere Schäden durch diese "kleine Krise" kommen. […..]