Dienstag, 23. November 2021

Geduld am Ende.

Das stimmt schon, so schlecht wie Angela Merkel war noch kein Bundeskanzler, wenn es um Personalentscheidungen ging. Jung, Köhler, Wulff, Klöckner, Scheuer, Spahn, Glos, Kristina Schröder.

Merkel steht auch für Endlos-Verhandlungen, die mit windelweichen Formulierungen ausklingen, aus denen jeder alles und nichts lesen kann. Ihre Jamaika-Verhandlungsführung Ende 2017 war ebenso katastrophal, wie die Tatsache, daß sie überhaupt sechs Monate bis zur Bildung einer nächsten Regierung im März 2018 brauchte.

Verglichen mit dem halben Jahr Merkel-Gewürge 2017/2018, funktioniert die Ampel-Regierungsbildung geradezu blitzartig.

Leider lässt sich die Situation so gar nicht vergleichen, weil damals die alte auch die neue Kanzlerin sein würde. Es gab kein Macht-Vakuum; die alte Koalition war auch die neue Koalition. Im November 2021 befindet sich Merkel schon halbwegs im Ruhestand. Wir werden nicht nur einen neuen Kanzler bekommen, sondern die nächste Regierung wird mit 99%iger Wahrscheinlichkeit von anderen Parteien getragen.

Neben den vielen Großkrisen wie Klima, Belarus und EU-Chaos, tobt in Deutschland eine tödliche Pandemie. Die Lage entgleitet, weil seit Monaten keine adäquaten Entscheidungen mehr getroffen werden.

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz liegt am heutigen 23.11.2021 bei 399,8.

Im Bundesland Sachsen beträgt die Inzidenz 970!

Die Intensivstationen sind voll, die Krankenhäuser beginnen mit der Triage, müssen also Menschen zum Sterben verurteilen, die sie mit vollen Kapazitäten retten könnten.

Insgesamt starben in Deutschland bisher 99.433 Menschen an Covid 19, davon 309 Personen innerhalb der letzten 24 Stunden.

Alle 4,6 Minuten stirbt in Deutschland ein Mensch an einer Infektionskrankheit, gegen die es a) einen Impfstopf gibt, der b) auch noch leicht und und kostenlos zur Verfügung steht.

Was für ein gewaltiges Politversagen des zuständigen Gesundheitsministers.

Schon allein die sofortige Ablösung Spahns ist Grund genug, um die Ampelregierung sofort antreten zu lassen. Zwei volle Monate nach der Bundestagswahl herrscht aber nichts als Stillstand.

Aber nicht nur bewegen sich die Herren und Damen nicht, lassen sich nicht in die Karten gucken – nein, es ist offensichtlich auch die große Hasenfüßgkeit ausgebrochen. Alle wollen Bella Figura machen und nicht mit den unangenehmen dringenden Aufgaben betreut werden. Der einzige Kandidat, der kann und möchte, Karl Lauterbach, wird aus Quoten- und Proporz-Gründen wohl nicht zum Zug kommen. Alle anderen machen sich in die Hose, weil man in dem Job schlechte Presse bekommen könnte.

[….]  Die Verhandlungen über die Ampelkoalition sind kurz vor dem Abschluss, noch wird wohl auch darüber gefeilscht, welche Partei und dann welcher Politiker oder welche Politikerin dieses Ressort übernehmen wird. Aber eines kann man nach Wochen der Gespräche sagen: Keine Partei will das Gesundheitsministerium.  Währenddessen rollt die vierte Coronawelle, die Welt steckt mitten in einer Pandemie, die Schätzungen zufolge womöglich bald 20 Millionen Menschen getötet haben wird, allein 100.000 in Deutschland. [….] Keine Partei beansprucht den Posten, der mindestens in der ersten Hälfte dieser Legislaturperiode mit großen Herausforderungen verbunden ist, der aber auch so viele Möglichkeiten bietet, Einfluss zu nehmen, wie keine andere. [….] In der FDP weckt das Gesundheitsressort schlechte Erinnerungen an die schwarz-gelbe Koalition von 2009 bis 2013 – an deren Ende die Partei erstmals aus dem Bundestag flog. [….] So sehr die Liberalen also die Ampeldebatte über das neue Infektionsschutzgesetz dominieren und so sehr sie sich mit ihrem Widerstand gegen Corona-Schutzmaßnahmen profiliert haben: Die Pandemie möchten sie lieber nicht selbst managen müssen. Viel besser gefällt ihnen die Vorstellung, aus dem Bundesjustizministerium vor Einschränkungen von Freiheitsrechten zu warnen. [….] Die Grünen würden sich ebenfalls lieber vor der Aufgabe drücken. Von sich aus spielt das Gesundheitsministerium in ihren Planspielen keine Rolle, und dass es ihnen die Umstände am Ende aufzwingen könnten, das versuchen sie noch zu verhindern. Dabei können sie in Gesprächen bitter klagen über die Haltung der FDP in der Pandemie, und sie bekommen ordentlich Druck aus den eigenen Reihen, sich nicht von den Liberalen treiben zu lassen – und doch lassen die Grünen es darauf ankommen, dass der künftige Koalitionspartner bald die Gesundheitspolitik prägen könnten. [….]  Karl Lauterbach würde gern Minister werden, nur die SPD will nicht, dass Lauterbach Minister wird. Er gilt in den eigenen Reihen als Einzelkämpfer, mit dem Absprachen schwer möglich seien. [….]

(SPON, 23.11.2021)

Unterdessen erscheinen schon Vermissten-Anzeigen.

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, sagt Hermann Hesse. Im Falle der Ampel ist das offensichtlich leider sehr unangenehme schwarze Magie.