Mittwoch, 5. Oktober 2022

Merz und Strunz im Sumpf

Da wundere ich mich wirklich über mich selbst. Wie können mir immer noch solche Gedanken durch den Kopf schießen? Erwarte ich etwa immer noch irgendetwas anderes, von der politischen Rechten?

Aber in der Tat, ich bin schockiert über den mangelnden Anstand der Konservativen. Wie können Christdemokraten nur so unanständig mit Menschen umgehen? Wie kann man nur so unbarmherzig sein; seinen Nächsten so sehr hassen?

Man sollte doch meinen, die derzeitigen Megakrisen, die durch christdemokratisches Versagen drastisch verschärft wurden (sabotierte Energiewende, Putin-Abhängigkeit, Entsolidarisierung Europas, marode Schulen, lahmstes Internet Europas, nicht einsatzfähige Bundeswehr), sollten den CDU-Chef etwas kleinlauter werden lassen. Man könnte doch meinen; selbst einem konservativen Multimillionär mit mehreren Privatflugzeugen, sollte das Wohlergehen seines Volkes, seiner Wähler interessieren.

Aber nein, Friedrich Merz ist nicht nur als Oppositionschef ein Totalausfall, sondern offensichtlich auch nicht gewillt, sein völkisches AfD-Gedankengut zu zügeln. Er weiß nicht was Anstand ist; oder noch schlimmer: Er weiß schon, wie unanständig seine Hetze gegen Ukrainische Kriegsflüchtlinge ist, verbreitet sie aber dennoch. Vielleicht ist es eine gezielte Strategie, um Xenophobe zur CDU zu locken; vielleicht dient das alles als taktisches Spiel, um eine blau-schwarz-braune Koalition vorzubereiten. Möglicherweise verachtet Merz aber auch generell Ausländer, so wie er schließlich auch Arme verachtet.

Seine widerlichen Attacken auf die Menschen in der allergrößten Not („Sozialtourismus“) waren nicht nur erlogen, sondern brachten ihm sogar Kritik in der eigenen Partei ein, die bei ihrem Chef völlig zutreffend „eine übliche Methode der Rechtspopulisten“ diagnostizierte.

Merz legt dennoch sofort nach.

Deutschland leidet unter massiven Arbeitskräftemangel, braucht dringende massive Zuwanderung. Merz lügt dazu, unter der Last der Ukrainer, breche die deutsche Infrastruktur zusammen.

[….] Merz:  Diese Bundesregierung will offenbar die Zuwanderung erheblich ausweiten, statt sie in geregelte Bahnen zu lenken. Das dürfen wir nicht verschweigen, aber das gehen wir in der richtigen Tonlage an.  [….] Wir sollten die Hilferufe der Kommunen nicht ignorieren. Dieses Jahr sind so viele Menschen zu uns gekommen wie seit 2015 nicht mehr. In Deutschland leben nun mehr als 84 Millionen Menschen, mehr als je zuvor. Darauf ist die Infrastruktur dieses Landes schlicht nicht ausgerichtet.

T-online: Wir haben nicht den Eindruck, dass die deutsche Infrastruktur vor dem Zusammenbruch steht.

Merz:   Die Kommunen leiden ganz erheblich unter der Last der Zuwanderung und können sie kaum noch bewältigen. Wir müssen ernsthaft darüber reden, was wir zu leisten in der Lage sind und was nicht mehr. Der Präsident des Landkreistages sagt es ganz richtig: Wir setzen die falschen Anreize.  Deutschland nimmt sehr viele Menschen auf. Im europäischen Vergleich ist das soziale Netz, das wir spannen, aber auch sehr groß. Mit der zukünftig "Bürgergeld" genannten Sozialleistung lohnt es sich auch für Zuwanderer häufig nicht mehr, eine einfache Tätigkeit aufzunehmen. Und genau das zieht die Menschen aus vielen Ländern erst richtig an, es schafft einen sogenannten Pull-Faktor.

T-online: Man sollte also den Menschen nicht helfen? [….]

(T-online.de, 04.10.2022)

Der konservative Parteiführer verbreitet immer wieder gewollt menschenfeindliche Thesen. Er will Vorurteile und Migrantenhass schüren. Einfach erbärmlich.

Unterstützung findet er dabei von den Organen des antiseriösen Verlages, der die Lügenpostille BILD herausbringt und in Führungspositionen sowohl Christian Lindners Ehefrau, als auch seine Ex-Ehefrau beschäftigt.

Verlags-Teileigner und Verlagschef Döpfner ließ seine Mitarbeiter für einen Wahlsieg Trumps beten. Sein lange Jahre wichtigster Mann, BILD-Chef Julian Reichelt, missbrauchte Mitarbeiterinnen und wechselte mittlerweile ins faschistoide Verschwörungstheoretiker-Lager. WELT-Chef Ulf Poschardt verbreitet nicht nur rechtes und antisolidarisches Gedankengut, hetzt gegen Holocaustüberlebende, sondern ist auch Covidiot. Ein durch und durch widerliches Verlagshaus, für das bezeichnenderweise auch Bischöfin Käßmann ihren wöchentlichen Unsinn schreibt.

Bleibt noch der aktuelle BILD-Chef Strunz, („Populismus ist Viagra einer erschlafften Demokratie“), der ganz Merz in großen Lettern gegen die Schwächsten und Verzweifelten hetzt.

[….] Claus Strunz ist Wiederholungstäter. Der „Boulevard-Journalist“, wie Wikipedia ihn schmeichelhaft einordnet, fiel schon mehrfach durch Hetze gegen Geflüchtete oder ein entsprechendes Framing auf, sodass man häufig meinen könnte, er schreibe aus internen AfD-Chats ab. Dieser Eindruck dürfte den „Klassensprecher aller Populisten“ (Übermedien) nicht grämen, schließlich ist Strunz seit 2021 „Bild“-Moderator und verantwortlich für jenes Schmuddelangebot, das den gewohnten Krawalljournalismus der Springer-Postille in Textform über den Bildschirm jagt. [….]

Entsprechend adressiert er auf Twitter die Wutbürger:innen, also jene, die ihre Zustimmung dann bekunden, wenn nach unten getreten werden kann. Ordentlich Stimmung gegen Menschen zu machen, die am allerwenigsten zu melden haben, und sie dann noch gegen eine andere Gruppe auszuspielen, war der „Bild“ aber halt noch nie zu billig.

So hetzt Strunz lustig vor sich hin, wenn er von einem „zweiten 2015 – nur schlimmer“ orakelt, um Rentner:innen zu instrumentalisieren, die angeblich demnächst potenziell „wegen hoher Energiekosten zu Hause erfrieren oder verhungern“. Ansonsten wären da noch Familien, die „pleitegehen“, während, Achtung, „illegale Einwanderer in warmen Unterkünften warmes Essen bekommen“. Das nun gefährde „den sozialen Frieden“. Aha.

Jetzt sind wir also wieder mal bei den „illegalen Einwanderern“. Das alles wird orchestriert von einem Artikel, der – „Und jetzt auch noch die Russen?“ [….]

(FR, Katja Thorwarth, 29.09.2022)

Ekelhaft, daß so ein Verlag Milliardenumsätze macht, daß die Deutschen das freiwillig lesen, daß sie die CDUCSU als stärkste Partei wollen.

Aber nicht überraschend.