Als Erbe der VHS-Cassetten meiner Vorgänger-Generation
verfüge ich über ein großes Archiv Scheibenwischer-Aufzeichnungen.
Das war über Jahrzehnte ein MUSS. Man freute sich auch jede
Ausgabe und diskutierte anschließend noch Tage darüber.
Für mich waren es die goldenen Helmut-Kohl-Zeiten.
Natürlich hatte man immer zu lachen, aber die besten Nummern
waren natürlich die Aufklärerischen, bei denen einem das Lachen im Hals stecken
blieb. Dazu gab es die zweite Ebene des außerordentlich geistreichen Sprachwitzes.
Metaphern und feinsinnige Andeutungen, die so geballt waren, daß man stets
Notizen machte aus Furcht alles zu schnell wieder zu vergessen.
Kohl und Strauß eigneten sich hervorragend, um imitiert zu
werden. Thomas Freitag war ein besonders guter Kohl und Matthias Richling
tauchte mit seinen Politiker-Parodien im Schweibenwischer auf.
Grundsätzlich bin ich aber gar kein Fan von reinen
Parodisten, da das nur eine oberflächliche Humorebene bedient.
In einem Text über bekannte Politiker seinen Sprachduktus
auch mal zu imitieren sind perfekte Highlighter, aber die sollten nicht allein
die Show tragen.
Meine Eltern, die aus den USA schon seit Jahrzehnten
brillante Standup-Comedy kannten, wunderten sich immer über des fehlen dieses
Genres in Deutschland.
In den 90ern gab es erste Versuche mit Latenighttalk, aber
dafür gab es weder das Publikum noch genügend geeignete Autoren.
RTL Samstag Nacht war eine Neuerung, von November 1993 bis Mai 1998 gab es
wöchentliche Comedy, die teilweise dadaistische Aspekte hatte. Es gab in
Gestalt Wigald Bonings Überschneidungen mit der damals noch sensationell guten
NDR-Satire-Sendung Extra Drei.
Vor einem Vierteljahrhundert guckte ich RTL Samstag Nacht
ganz gern und fand es mutig von RTL den damals noch neuen Komödianten Spielraum
zu geben.
Natürlich war viel Blödsinn dabei.
Ich erinnere mich bei den Auftritten Tanja Schumanns immer
vorgespult zu haben, weil ich sie völlig unlustig fand.
Mit der Zeit wandelte sich der satirische Anspruch in reine
Comedy und immer mehr zotenreißende Rüdiger Hoffmanns, Atze Schröders, Michael
Mittermaiers tauchten auf, die für ein breites unpolitisches Publikum geeignet
waren.
Unglücklicherweise schwappen diese Witzbolde auch gelegentlich
in die Kabarett-Sendungen und zogen das Niveau deutlich hinab.
Die verbliebenen richtig guten Kabarettisten zogen sich
zurück oder starben.
Bruno Jonas, Dieter Hildebrandt, mein All-Time-Favorite Georg
Schramm sagte „die Anstalt“ ab. Urban Priol verlor den Biss, macht nun
Jahresrückblicke. Riechling gibt es noch, er kann auch immer noch gut sein,
verliert sich aber leider in endlosen Parodien.
Ich schätze immer noch Hagen Rether und Wilfried Schmickler.
Aber auch die sieht man seltener.
Politische Comedy, wie sie Oliver Welke macht und wie es sie
auch heute noch bei Extra Drei gibt, ist eine gute Sache. Sie erreicht ein
größeres Publikum, klärt auf. Aber es ist ein anderes Genre als das
intellektuelle scharfzüngige Kabarett der 1980er und 1990er Jahre.
Es gibt dort allerlei Klamauk, Interviews und platte Gags,
die ich in dem Zusammenhang nicht schätze.
Ich glaube, das politische Kabarett ist tot, weil es so viel
flachere Konkurrenz durch Comedy bekommen hat und (oder deswegen?) gibt es
leider kaum noch wirklich gute Kabarettisten.
Die ZDF-Sendung „die Anstalt“, die ich mit Schramm und Priol
niemals verpasste und leidenschaftlich genoss, kann ich noch nicht mal mehr
kritisieren, weil sich die Version mit Claus von Wagner, Till Reiners und Max
Uthoff schon seit Jahren nicht gesehen habe. Ich finde alle drei unlustig und
oberflächlich.
Einst erwartete ich viel von Florian
Schröder, 41, der schon in den 1990 als junger Satiriker in
Kabarettsendungen auftrat.
Dann schwappte er aber auch immer mehr in den Comedy-Bereich,
so daß ich seine Sendungen nicht mehr ansehen mochte.
Nun aber hat er Mann etwas wirklich Mutiges und partiell
Großes getan.
Wie einst Gerhard
Schröder, der 1999 als rotgrüner Kanzler Hassfigur der stramm konservativen
Landwirtschaftslobby war und dennoch mit breiter Brust beim Bauerntag einmarschierte,
wagte sich auch Florian Schröder 21
Jahre später ins Feindesland.
Er trat bei den Stuttgarter Querfront-Covidioten auf,
für die er alles symbolisiert, was die Aluhüte bekämpfen.
Dazu gehört Rückgrat!
Natürlich wurde Schröder ausgebuht und wird bei den fanatischen
Querfrontlern vor Ort nichts erreicht haben.
Aber es geht um die noch Unentschlossenen, die „stillen
Mitleser“, die womöglich erst noch in die Querfront hineingezogen werden
könnten.
Schröder ist in ihre Info-Blase vorgedrungen und hat
vielleicht ein paar von Ihnen zum Nachdenken gebracht.