Montag, 7. Mai 2012

Bayerische Analnachschau




Leider habe ich keine sehr große Begabung für Akzente und andere krankhafte deutsche Idiome.

Ich mag aber Neologismen und höre immer genau hin, wenn ein neues deutsches Wort zu lernen ist, das es in meinem hochdeutschen Umfeld nicht gibt.

Ich Fischkopp war erst zweimal in meinem Leben in Bayern. 
Aber bei diesen seltenen Gelegenheiten konnte ich schon reichliche Eindrücke davon gewinnen, welch Sprachschatz es dort noch zu heben gibt.

Heute lief mir ein besonderes verbales Kleinod über den Weg.

 Die „Analnachschau“.

Obwohl die drei Glieder, aus dem dieser Begriff zusammengesetzt ist, einzeln auch in Hamburg zu verstehen sind, erklärt sich das Gesamtwort nicht von selbst.

 - „anal“ (= das Rektum betreffend),
 - „nach“ (=Präposition, „hinter“)
 -  „Schau“ (schwierig…, könnte ein Komparativ sein „sieh hin“, ein Adjektiv „schick, hübsch“ oder ein Substantiv „Ausstellung, Show“)

Handelt es sich bei „Analnachschau“ also um einen Backstage-Bereich hinter einer Arsch-Ausstellung?

Oder müssen nach einer Vernissage die Hintern der Künstler bewertet werden?

Man weiß es nicht.

Wenn ich dieses Wort bei „Kathnet“ oder „Kreuznet“ entdeckt hätte, wüßte man natürlich, daß es sich um etwas Sexuelles handeln müßte, da die Katholiban in der Regel außer Penissen und Analverkehr nichts interessiert.

Aber „Analnachschau“ las ich in der Süddeutschen Zeitung.

Ich will auch niemanden länger auf die Folter spannen.

„Analnachschau“ ist das was Bayerische Polizisten aus willkürlichen Launen heraus mit unbescholtenen Bürgern machen, die sie zufällig in der U-Bahn oder einem Geschäft auflesen.
 
Und dann geht es los:

Den Polizisten aufs Revier folgen, die vergebliche Bitte, einen Anwalt anrufen zu dürfen, splitternackt ausziehen, breitbeinig hinstellen, bücken, Analnachschau, vor den Augen der Beamten die Vorhaut des Penis zurückziehen.

Analnachschau ist also eine "Inaugenscheinnahme des Intimbereichs" mit beträchtlicher "Kontrolltiefe".

Es gibt einen unschuldigen, nicht vorbestraften 27-Jährigen Mann in München, dem diese Prozedur sogar schon zehnmal widerfahren ist.
So ein Bayerisches Praeputium muß gewaltig sein, wenn Polizisten immer wieder kontrollieren wollen, was sich darunter verbirgt. Was da alles hineinpassen könnte?

Zwei Streifenbeamte steuern auf ihn zu. Polizei. Ausweiskontrolle. Doch den Ausweis hatte Bäumler nicht dabei. Also mit aufs Revier in der Altstadt, die Identität überprüfen. Doch damit war Bäumler nicht entlassen.
Es folgte eine intensive Personenkontrolle: Komplett ausziehen in der Haftzelle, Po aufspreizen, die Vorhaut am Penis zurückziehen. "Ich wollte einen Anwalt anrufen, das durfte ich nicht."

Bayerische Polizisten dürfen das tun. 
Es liegt in ihrem Ermessen ("Das machen wir immer so.") und dazu muß der Delinquent noch nicht mal Schwarzafrikaner sein.
 Der hier Beschriebene „sieht eigentlich wie ein durchschnittlicher junger Mann aus: 27 Jahre, braunes Haar zum Stiftelkopf gestutzt, blaue Augen, Sakko. So sitzt er im Cafe, wirkt eher schüchtern und verschämt.“

(Was ist denn ein Stiftelkopf? Wieder so ein Bayerisches Wort, welches jedes Rechtschreibprogramm hysterisch rot unterkringelt…)

Unser penibel Anal-Betrachteter erreichte es 2007 diese Behandlung von einer Richterin rügen zu lassen. 
Aber was interessiert das die Bayerische Polizei? 
Es scheint eher so zu sein, daß Menschen, die versuchen sich rechtlich gegen solche Methoden zu wehren, einer perfiden Rache der Polizei ausgesetzt sind.

Ob am Ostbahnhof, in Milbertshofen, in Schwabing, Kolumbusplatz, Stachus oder Giesing: Bäumler wurde immer herausgefischt. Einmal im Sommer 2010 auf dem Bahnhofsvorplatz. Er sollte seine Taschen ausleeren und auf einen Streifenwagen legen.
"Auf dem Revier können wir das machen, aber nicht hier draußen", sagt er. Daraufhin habe ihn ein Beamter gepackt, auf das Polizeiauto geknallt und ihm Handschellen angelegt. Er habe zu parieren, gab ihm der Polizist unmissverständlich zu verstehen, "sonst machen wir noch viel mehr mit dir".


Nachdem weitere Männer von derartigen Polizeimethoden berichteten, wollen die Bayerischen Grünen im Landtag einen Bericht zur Kontrollpraxis der Münchner Polizei verlangen. 
Unverschämt. 
Das prallt am Innenminister Joachim Herrmann wirkungslos ab.

Aus dem bayerischen Innenministerium heißt es dazu, die jüngst bekannt gewordenen Vorkommnisse seien "Einzelfälle" und die dort angewandte Härte für Münchens Polizei "gänzlich unüblich". Die Fälle würden seitens des Polizeipräsidiums München "konsequent aufgearbeitet".
 
Ein Einzelfall war es auch den 33-jährigen Murat S. dazu zu zwingen, „sich nackt auszuziehen und sich nach Drogen durchsuchen zu lassen - ohne "den Hauch eines Anfangsverdachtes"

Der Vorname "Murat" deutet eigentlich nicht auf ein besonders ausgeprägtes Praeputium, unter dem er Waffen oder Joints verstecken könnte. Aber gut, daß die Polizei mal genau nachgesehen hat.