Ein paar
Prozentpunkte weniger bei der Bayernwahl in einer Woche wären zwar glanzlos für
den neuen Ministerpräsidenten, hätten aber den Vorteil für den
Machthungrigen endlich Parteichef Seehofer als Sündenbock zu entsorgen und
zum Alleinherrscher aufzusteigen.
Söder
selbst galt als ungefährdet, weil es keine Alternative zu ihm gibt.
Sollte
etwa der eine Generation ältere Herrmann nach dem MP-Job greifen, nachdem er
als Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl 2017 das mieseste Ergebnis aller
Zeiten geholt hatte?
Oder
Ilse Aigner, die im Kampf um die Seehofer-Nachfolge schon das völlige Fehlen
von Machtbewußtsein bewies und immer nur absteigt? Von der Bundesministerin
über die Landesministerin mit Aufstiegschancen zur Landesministerin unter „ferner
liefen“?
Nein,
das sah ganz gut aus für Söder.
Nun aber
brechen die CSU-Umfragewerte derartig ein, daß schon eine Zahl in den hohen
30ern ein Achtungserfolg wäre. Es könnten aber auch 33 oder 34% werden.
Aus der
staubigen Gruft des Franz Josef Strauß im Schatten der Klosterkirche von Rott
am Inn hört man heftiges Rotieren.
Wie
konnte das nur geschehen?
Interessanterweise
ist das keine rhetorische Frage für die CSU-Altvorderen, sondern sie verstehen
es wirklich nicht. Bayern gehe es doch so gut und ihre CSUler wären doch so
großartig. Wieso also nicht 55+x%,
wie das unter FJS in Stein gemeißelt schien?
[….]
24 Jahre lang war [Scharnagl] Chefredakteur der Parteizeitung
"Bayernkurier", des Zentralorgans der CSU. Auf dem Tisch liegt die
Kopie eines "Bild"-Artikels über Strauß und ihn von 1985. "Was
ich denke, schreibt Scharnagl", lautet die Schlagzeile. Ein Strauß-Zitat.
Scharnagl nimmt die Uhr in die Hand, die Strauß so oft trug, eine silberne Omega,
Modell Speedmaster Professional. Nach Strauß' Tod bekam er sie von dessen
Kindern zum Geburtstag geschenkt. Sie blieb stehen bei fünf vor halb sieben.
Scharnagl schießen
Tränen in die Augen. "Ich muss da immer ankämpfen, dass es mich nicht zu
sehr berührt. Es ist da eine tiefe Traurigkeit", sagt er. "Ich muss
mit Strauß immer noch fertig werden, mit dem Verlust, nach 30 Jahren."
Zusammen sind sie um die Welt gereist, haben als Vertreter Bayerns die Großen
dieser Erde getroffen. Deng Xiaoping, der beim Treffen einen Spucknapf neben
sich stehen hatte. "Der hatte eine Art zu spucken, dass sich der Napf
gedreht hat." Einmal im Jahr fuhren sie privat für ein paar Tage mit dem
Geländewagen über die Alpen bis nach Südfrankreich. "Das war die verlorene
Zeit, die wir gesucht haben."
[…..]
(DER
SPIEGEL Nr 41, 06.10.2018, s.16)
Wie
konnte die Staatspartei zur Satireveranstaltung werden?
Während FJS als CSU-Chef in der Hauptstadt gefürchtet wurde, lacht man Seehofer aus.
Während FJS als CSU-Chef in der Hauptstadt gefürchtet wurde, lacht man Seehofer aus.
Es sind
aber nicht nur die zwei Deppen Söder und Seehofer, die Straußens Partei in den
Abgrund reißen.
Die CSU
verfängt auch deswegen nicht mehr so gut bei den Bayern, weil sich selbst das
bizarre Alpenvolk irgendwie weiterentwickelt, während die CSU ideologisch stehenbleibt.
Die von
ihr Regierten halten Umweltschutz nicht mehr für eine sozialistische Teufelei
und sind gelegentlich sogar bereit einen Schwulen erst mal leben zu lassen,
statt ihn sofort zu lynchen.
Nicht
mehr alle Bayern stehen treu zur Kirche nachdem Kindesmissbrauch in beinahe
allen großen bayerischen katholischen Einrichtungen publik wurde.
Und noch
erstaunlicher: Es soll sogar Bajuwaren geben, die Frauen als echte Menschen
betrachten, die sogar eigene Meinungen haben dürfen. Potzblitz.
In der
CSU ist dieser Unsinn noch völlig verpönt. In der CSU-Parteiführung spielen
Frauen keine Rolle, die CSU schickte keine einzige MinisterIN in die Bundesregierung
und selbstverständlich ist das gesamte Führungspersonal des gewaltigen
Heimat-Innen-Superministerium des Parteichefs Seehofer 100% männlich.
Diese
Weiber- und Umwelt-affinen Multikulti-Bayern sind eigentlich gar keine echten
CSU-Bayern, sondern verkappte Saupreißen. Aus anderen Bundesländern dahergelaufene
Artfremde, die nicht wissen was sich an der Wahlurne gehört.
Früher
hätte man solche windigen Typen mit Forken und Mistgabeln vertrieben oder aber
politisch auf Linie gebracht, indem sie beim Pfaff, beim Wirt, sowie im
Trachten-, Schützen, Sanges- und Heimatverein assimiliert werden.
Aber
jetzt gibt es ja dieses Neuländer „Internet“ und da holen sich die Bayern dreist
ihre eigenen, nicht von der CSU vorgegebenen Informationen.
Der olle
FJS war vermutlich moderner als Söder heute.
Er hätte
sich an die Spitze der Bewegung gesetzt, jedes Kuhdorf an Breitbandinternet
angeschlossen und vor zehn Jahren schon in Anbetracht der drohenden Wohnungsnot
gewaltige soziale Bauprojekte aus dem Boden gestampft – das meint zumindest
FJS-Biograph Peter Siebenmorgen im neuesten SPIEGEL.
Das ist
eine hypothetische Aussage. Nicht hypothetisch, sondern blanke Realität ist
hingegen, daß Seehofer und Söder beim schnellen Internet, bei den Verlegungen
von Stromtrassen, beim Kita-Ausbau und insbesondere im sozialen Wohnungsbau
total versagt haben.
Sie
dachten, es wäre bayerisch genug einfach so weiter zu wurschteln wie immer.
Ein paar
Reminiszenzen an die 50er Jahre („Kruzifixzwang“) und dazu ein paar Nazi-artige
Sprüche, wie sie FJS auch in seinen Bierzeltreden donnerte.
Die mit
CSU-Anhängern vollgestopften Bierzelte johlen auch immer noch begeistert auf,
wenn Söder gegen Multikulti hetzt.
Die
Majorität der Bayern hat sich allerdings gewandelt.
Und die
richtig Rechten, die ewig Gestrigen, werden sogleich zur AfD weitergereicht.
Die
bayerische AfD-Kandidatiin Ebner-Steiner kann ihr Glück und die Doofheit der
CSU-Spitze gar nicht fassen. Seit Monaten macht die kostenlose AfD-Werbung und
pumpte die gauländer Braunen mit heißer Hetze-CSU-Luft in die Zweistelligkeit.
[….]
Es sei nicht nur die Flüchtlingspolitik,
die die Leute zur AfD treibe, sagt sie und spricht dann über die großen und
kleinen Skandale örtlicher CSU-Politiker[….] Die CSU habe überall ihre Spitzel, sagt Ebner-Steiner. Sie kenne
Bedienstete der Stadt Deggendorf, die nicht an ihrem AfD-Stand stehen bleiben
dürften. "Für diese Leute ist es wie ein Befreiungsschlag, wenn sie jetzt
heimlich AfD wählen können. Die sagen: Jetzt muss mal Schluss sein mit den
Amigos und der sozialen Kontrolle." Dieses Empfinden habe sich über Jahre
angestaut. Das Fass zum Überlaufen gebracht habe dann die Flüchtlingspolitik.
Auch da, sagt
Ebner-Steiner, verstehe sie die CSU nicht. "Man kann die AfD so leicht
bekämpfen, aber sie tun es einfach nicht." Vor allem Horst Seehofer mache
alles falsch. "Der ist für uns wie ein Pressesprecher. Der macht
Wahlwerbung für uns." Sein Satz, die Migrationsfrage ist die Mutter aller
Probleme, sei großartig für die AfD. "Er hebt das Thema immer wieder hoch.
Und jeder weiß, dass die AfD dieses Thema dominiert. Ich versteh nicht, dass
die das nicht kapieren."
[….]
(DER
SPIEGEL Nr 41, 06.10.2018, s.20)