Freitag, 19. April 2019

Self inflicted wounds Teil II


Jeden Karfreitag gibt es wieder Diskussionen um das kirchlich erzwungene Tanzverbot für alle Menschen in Deutschland – inklusive einer langen Liste mit 756 Filmen, die auf Befehl der Katholiban und Evangeliban nicht angesehen werden dürfen:

"Schnapsnase und Schlappohr" (1980)
"Das Leben des Brian" (1980)
"Louis der Spagettikoch" (1981)
"Käpt’n Blackbeard’s Spuk-Kaschemme" (1981)
"Didi Hallervorden – Alles im Eimer" (1981)
"Die Feuerzangenbowle" (1981)
"Piratensender Powerplay" (1981)
"Durchs wilde Kurdistan" (1983)
"Sunshine Reggae auf Ibiza" (1983)
"A Hard Day’s Night" (1984)
"Max und Moritz" (1985)
"Top Gun" (1986)
"Police Academy" (1988)
"Harold And Maude" (1988)
"Ghostbusters" (1990)
"Reservoir Dogs" (1992)
"Lotta zieht um" (1995)
"Meisterdetektiv Blomquist" (1995)
"Heidi in den Bergen" (2001)

[…..] Es ist aber auch eine grausame Geschichte: Ein fünfjähriges Waisenmädchen in einer gottverlassenen, zugigen Berghütte. Ohne Strom, ohne fließendes Wasser. Ein mürrischer alter Mann ohne richtigen Namen. Eine karrierewütige Großstadttante, die das Kind zwingt, der gehbehinderten Cousine als Gespielin zu Diensten zu sein.
Nein, entschieden fünf Prüfer der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) im Oktober 2001. Ein unzumutbares Machwerk. Dieser Film sei geeignet, das "religiös sittliche Empfinden an stillen christlichen Feiertagen zu verletzen". Seither darf "Heidi in den Bergen" an Karfreitag nicht mehr in öffentlichen Filmvorführungen gezeigt werden. Der Cartoonklassiker von 1975 – eine Gefahr für das seelische Wohl der Nation und seiner schützenswerten Schäflein. [….]
Es ist immer problematisch Strafgesetze aufgrund des religiös sittlichen Empfindens Einzelner zu erlassen.
Wie soll man ermessen was das eigentlich ist?
Immerhin gibt es offensichtlich auch genügend Menschen in Deutschland, deren religiös sittliches Empfinden empfindlich durch Frauen ohne Kopftuch, Ehescheidung, Küsse zwischen Männern oder Miniröcke gestört wird.
Wenn wir auf jede Empfindlichkeit mit Verbotsgesetzen reagieren, bleibt nichts mehr erlaubt.
Wenn ich nur allein daran denke was alles MEIN empfindlich sittliches Empfinden beeinträchtigt:
Nackte Füße, Sandalen, Trachten, Volksmusik, Bärte, schwarzrotgold, Schlager, Countrymusic, Blaskapellen, Schützenvereine, Fußball, Fangesänge, Hupkonzerte, Kirchenglocken, Motorradlärm, Hundegebell, Kindergeschrei, RTL-Vorabendserien, Quizsendungen, Weihnachtslieder, Loveparade, Radfahrer, Smombis, Grillen, Fischgeruch, Donald Trump, Radiowerbung, die AfD, Horst Seehofer, Jens Spahn, beige Steppwesten, Man-buns, Hipster, kurze Hosen, Zigarettenrauch, Biergärten, Imbissbuden, Feuerwerk, Rollkofferlärm, Sex-Geräusche, junge Mütter im 80.000-Euro-SUV, Repp-Musik.
Und das war nur das, was mir in einer Minute einfällt.
Wenn ich diese Liste mit 82 Millionen (Bürger in Deutschland) multipliziere, bekomme ich eine offensichtlich nicht praktikable Anzahl von Verboten.
Das kirchliche Tanz- und Filmverbot insbesondere in einer atheistischen Stadt wie Hamburg ist anachronistischer Humbug und gehört sofort abgeschafft.

(….) Heute darf ich nicht tun was ich will.
Völlig antiquierte Gesetze aus den 1950er Jahren – also der Zeit, als Frauen noch nicht ohne die Erlaubnis ihres Ehemannes arbeiten durften und Schwule ins Gefängnis gesteckt wurden – legen fest, daß man am Karfreitag nichts vergnügliches tun darf.

[….] Tanz, Konzerte und in manchen Bundesländern sogar Sportveranstaltungen: Am Karfreitag ist einiges verboten, was sonst erlaubt ist. Eine Initiative in Bochum wehrt sich dagegen - mit der Aufführung eines Monty-Python-Klassikers.
Der Karfreitag ist nicht nur ein christlicher Feier- sondern ein Trauertag, auch "stiller Tag" genannt: An so einem Tag sollen Bürger in Deutschland nicht tanzen, zu Konzerten oder Sportveranstaltungen gehen. So ist es in den Bundesländern mehr oder weniger scharf gesetzlich geregelt - die Verbotszeiten variieren dabei.
Verstöße werden mit Ordnungsstrafen geahndet, und dabei geht's manchmal gar nicht ums Tanzen oder Sport treiben: Für die Aufführung des Monty-Python-Klassikers "Das Leben des Brian" am Karfreitag hat die Bochumer Initiative "Religionsfrei im Revier" im vergangenen Jahr einen 300 Euro Bußgeld-Bescheid bekommen. Nun droht dasselbe noch einmal. [….]

Wie immer sind es die Kirchenvertreter, die sich bis zuletzt gegen den gesellschaftlichen Fortschritt wehren und damit am Ende als die Ewiggestrigen dastehen, die sich für Diskriminierungen einsetzen.

Nun wird diese anachronistische Absurdität 2015 nicht das erste mal in Frage gestellt.
Jahr für Jahr laufen mehr Menschen dagegen Sturm, treffen sich demonstrativ zum Tanzen, Singen und Filme gucken.

Das zwingt die Kirchisten dazu sich zum Thema zu äußern.
Wären sie gut beraten oder gar intelligent, wüßten sie, daß der Kampf nicht zu gewinnen ist.
Sie würden die Initiative ergreifen und öffentlich erklären, daß karfreitagliches Partyverbot zu den Dingen gehört, auf die man nicht stolz ist.
So wie die kirchliche Unterstützung für Krieg und Hitler, wie das Waffensegnen, der Widerstand gegen Frauenwahlrecht und Sklavenbefreiung.
Aber man lerne schließlich dazu und wolle nun lediglich Anregungen geben und nicht mehr mit dem Strafrecht seine religiösen Überzeugungen den Konfessionslosen aufzwingen.

Das brächte den Kirchen mit Sicherheit einen großen Imagegewinn.

Statt Klugheit bestimmen aber Platthirne wie Kässmann und Bedford-Strohm die Topetage der EKD. (….)

Das absurde Tanzverbot wird mit Sicherheit irgendwann fallen, so wie auch das Wahlverbot für Frauen, oder das Sexverbot für zwei Männer oder das Kinderarbeitsverbot irgendwann trotz des erbitterten Widerstandes der Kirchenführer irgendwann fiel.

(…..) Das ist eins dieser sonderlichen Christenprivilegien, die der Durchschnittschrist, welcher Atheisten ablehnt, gar nicht kennt.
Atheisten zahlen die Bischofsgehälter, finanzieren das Theologie Studium, geben die Gelder für christliche Heime/Kitas/Schulen und bekommen von Christen vorgeschrieben was sie in ihrer Freizeit tun dürfen.
Wir Atheisten dürfen so brisante Filme wie Mary Poppins oder Astrid Lindgrens Gebrüder Löwenherz nicht sehen und wir dürfen Ostern nicht tanzen.

[….] Die Gegner des Tanzverbots können endlich ihre vor Gericht erzwungene "Heidenspaß"-Party feiern. Pure Gaudi ist das nicht.
[….] Ein Heidenspaß kann furchtbar anstrengend sein. Zum Beispiel dann, wenn man sich jahrelang durch sämtliche gerichtliche Instanzen kämpfen muss, um eine Party mit diesem Namen veranstalten zu dürfen. Doch die Anstrengung war es den Veranstaltern wert, es geht ihnen ums Prinzip: Nämlich um Selbstbestimmung, also darum, dass sie sich von einer Religion nicht vorschreiben lassen wollen, was sie an einem bestimmten Tag zu tun und zu lassen haben. Also nun die Feier im mit gut 150 Menschen voll besetzten Oberanger-Theater. Die Menschen, die hier sind, wollen nicht nur aus Gaudi feiern. Michael Schmidt-Salomon betont sogar ausdrücklich: "Wir haben uns heute hier versammelt, weil es uns ernst, ja sogar bitterernst damit ist, den Karfreitag nicht ernst zu nehmen." [….] 

Zehn Jahre mußten sich Atheisten durch alle Instanzen klagen, um erstmalig am Karfreitag eine Veranstaltung machen zu können.

Pim Spahn, der neue Rechtsaußen und künftige Superstar der CDU, verbreitet seine eigenen Ansichten über das atheistische Pack, das es wagt sich der Kirche  zu widersetzen. Alles Kriminelle, genau wie andere Schwerverbrecher. (…..)

Statt aber ihre Privilegien zu genießen, so lange sie bestehen, bemühen sich Kirchisten glücklicherweise unfreiwillig selbst darum diese zu schleifen, indem sie mit besonders dümmlichen und rücksichtslosen und arroganten Aussagen vorpreschen.
Hardcore-Katholik Wolfgang Thierse ist dafür immer gut, der auch diese Woche mal wieder eifrig damit beschäftigt war seiner Partei und seiner Kirchen möglichst stark zu schaden.

[….] Tanzverbot-Streit in der SPD: Thierse kontert Kühnert scharf
Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat die Forderung von Juso-Chef Kevin Kühnert kritisiert, das Tanzverbot an Karfreitag abzuschaffen.
Er sei erstaunt darüber, was Kühnert für wichtig halte und welche Interessen er bedienen wolle, sagte Thierse den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Donnerstag. "Bisher wusste ich nicht, dass die SPD eine Spaßpartei ist", sagte Thierse. Der 75-Jährige ist Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken.
Kühnert hatte gefordert, das Tanzverbot am Karfreitag abzuschaffen. Er würde keine Party in einer Kirche anmelden, sagte Kühnert. Doch "wer an dem Tag in die Disko gehen will, sollte das auch tun können". Die Entscheidung, an Karfreitag feiern zu gehen, müsse jedem selbst überlassen werden.
Julis über Tanzverbot: „Relikt aus vergangenen Tagen“
Auch die Jungen Liberalen in Hamburg sprachen sich dafür aus, das Tanzverbot abzuschaffen. Es sei "ein Relikt aus vergangenen Tagen", erklärten sie am Donnerstag. Wer Karfreitag in Stille verbringen wolle, könne sich gegen das Feiern entscheiden. Dem Rest der Bevölkerung müsse es aber möglich sein, an diesem freien Tag zu tun, worauf er Lust habe. [….]

Danke Thierse für diesen effektiven Versuch die SPD weiter in die Einstelligkeit zu treiben.
Dies wäre eigentlich die Stunde einer funktionierenden Parteiführung das senile Relikt zurück zu pfeifen, aber bekanntlich sitzt im Chefsessel ja auch eine Hardcore-Religiotin.

(…..) noch unsanktioniert vom Staat Jugendliche sexuell missbrauchen und anschließend den Täter schützen, fügen sich die deutschen Volksvertreter anachronistischen Absurditäten wie dem österlichen Tanzverbot oder Filmverbot.

Darf am Karfreitag, wenn ChristInnen der Kreuzigung Jesu Christi gedenken, getanzt werden? Nein, sagt das Gesetz in vielen deutschen Bundesländern.

Als Angehöriger der 99%-Mehrheit der Hamburger, die nie zum Gottesdienst gehen, fordere ich ein Bet-Verbot an allen Nicht-Ostertagen.
Die Gebete von messianischen Pröbstinnen stören mein humanistisches Empfinden nämlich genauso sehr, wie es den Glauben der praktizierenden Hamburger Christen stört, wenn ich am Karfreitag ein Tänzchen aufs Parkett lege oder womöglich sogar einen Louis de Funès-Film gucke.

Doch nicht nur Feiern ist verboten - auch bestimmte Filme. Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) hat im Januar eine Liste von Kinofilmen herausgegeben, die zwischen 1980 und 2015 keine Freigabe für die stillen Feiertage erhielten. Ein Verbot bestimmter Filme findet sich sogar im ein oder anderen Feiertagsgesetz, in NRW etwa, wo es bis zum Karsamstag um 6 Uhr zumindest offiziell verboten ist, Filme zu zeigen, die nicht vom Kultusministerium anerkannt sind.
[…]  Darauf finden sich auch Kinderfilme wie "Mary Poppins", "Heidi in den Bergen" und "Lotta zieht um". Daneben: Titel wie "Horrorsex im Nachtexpress" (FSK 18), aber auch Klamauk wie "Louis, der Schürzenjäger" (mit Louis de Funès) und "Didi und die Rache der Enterbten" (mit Didi Hallervorden).

Als SPD-Freund sind Verbündete wie Nahles oder Thierse natürlich ein Elend.
Müssen die ausgerechnet in meiner Partei rumlungern?
Als Atheist ist es umso erfreulicher, daß sich in der RKK und EKD weitüberwiegend Doofe tummeln, die eifrig daran werkeln ihre Vereine der Lächerlichkeit preis zu geben.

Das Kirchenmitglied Micky Beisenherz fasst zusammen:

[…..] Die Marke Christentum rangiert irgendwo zwischen Deutscher Bank und Monsanto.
Da braucht es nicht einmal mehr eine Netflix-Doku.
Sicher, der Islam hatte PR-technisch auch schon bessere Zeiten, aber die Katholische Kirche arbeitet fleißig daran, auch den treudoofsten Beitragszahler mit der Nase in das modrige Weihwasserbecken zu drücken.
"Na, gefällt Dir DAS, ha?!“
Und jede Woche kommt irgendein Neuer unter seinem Stein her gekrochen, um den Ruf der Organisation zu beschädigen.
Womöglich ist es unschicklich, einen fast 92-jährigen Wirrkopf zu zitieren. Andererseits war Joseph Ratzinger mal Papst und in seiner Funktion als Konzernchef und Aufsichtsratsvorsitzender der Katholiken verantwortlich für einen derart kapitalen Haufen großen Unrechts, dass sogar die Chefs von Nestlé sich beschämt abwenden.
The Artist formerly known as Benedetto jedenfalls erklärt sich den jahrzehntelangen, tausendfachen Missbrauch von Kindern in der Katholischen Kirche mit der institutionellen Hilflosigkeit ob der moralischen Erosion der damaligen Gesellschaft:
So kann man das natürlich auch sehen.
Die Erläuterung, warum sich dann vor allem Kirchenvertreter von dieser Entwicklung animiert gefühlt haben, bleibt er schuldig.
Vor allem aber bestätigt eine so zynische wie weltfremde Aussage, dass Ratzinger immer schon ein seelenloser Hostien-Bot war, dessen einziges Bejubelungsmerkmal als Papst es war, dass er Deutscher ist.
Zumindest den BILD-Lesern hat das immer gereicht.
Damals, als Ratzinger, komplett überfordert vom Missbrauchsskandal (oder dessen immer komplizierterer Vertuschung), als Papst zurücktrat, versprach er "künftig für die Welt verborgen" zu bleiben.
Wäre nett gewesen, hätte er sich darangehalten.
Was für eine jämmerliche Gestalt.
Ratzinger. Tebartz van Elst. Kardinal Meißner (bei dem ich es stets bedauert habe, dass er die Ehe für alle nicht mehr mitbekommen konnte).
Sie alle sind die Infantinos, die Blatters, die Berlusconis des Katholizismus.
Dubiose Gestalten, die einen förmlich zum Amt treiben, um sich endlich als Beitragszahler austragen zu lassen.
Selbst der einst so gehypte Franziskus setzt vermehrt auf den klerikalen Markenkern, wenn er Homosexualität als Modeerscheinung bezeichnet oder Abtreibung als Auftragsmord.
Wie man auf die Art Neu-Abonnenten gewinnen will, während die Stammkunden wegsterben, bleibt mir schleierhaft. [….]