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Sonntag, 7. September 2025

Zukunft brauchen wir nicht

Ezra Klein und Derek Thompson, linksliberale Stars unter den US-Journalisten, legen den Bestseller »Der neue Wohlstand: Was wir für eine bessere Zukunft tun müssen« (Originaltitel: »Abundance«) vor und fragen im SPIEGEL-Gespräch, was nun einmal auf der Hand liegt, wenn man an die Zukunft denkt, in einem Land, das so offensichtlich, wie Deutschland alle Weichen falsch stellt.

[….] Klein: Aber mich interessiert gerade etwas ganz anderes: Was ist eigentlich mit Europa los? Wo ist euer Starlink (ein Satelliten-Internetzugangsdienst, angeboten von Elon Musks Firma SpaceX –Red.), wo ist euer Tesla, was ist mit eurer Wirtschaft passiert?  [….]

(DER SPIEGEL 37/2025, 06.09.2025)

Nun, das kann man erklären. Deutschland hat durchaus innovative Phasen, in denen es technisch international vorn mitspielt. Zum Beispiel während der Schröder/Fischer-Regierung in der Windkraft und Solar-Branche. Aber das geschieht immer nur unter SPD-Kanzlerschaften, die eher selten sind und vom Urnenpöbel gern durch bräsige Technik- und Zukunftsfeindlichkeit mit CDU-Kanzlern ersetzt wird.

Die deutschen Christdemokraten sind traditionell ökonomisch vollkommen ahnungslos und schlagen den genau falschen Weg ein.

Drei Beispiele:

Kupfer statt Glasfaser Dank des Kohl/Merkel-Kabinetts.

(….) Der weise und weitsichtige Bundeskanzler Helmut Schmidt beschäftigte sich schon in den späten 1970er Jahren mit modernen Kommunikationstechniken und kam zu dem Schluß; ein modernes Glasfasernetz könne Deutschland enorme Wettbewerbsvorteile liefern.

[…..] Altkanzler Schmidt wollte Glasfaser-Spitzenreiter werden. [….] Die sozialliberale Koalition unter Bundeskanzler Helmut Schmidt hat bereits Anfang der Achtzigerjahre beschlossen, alle alten Telefonleitungen durch schnellere Glasfaser zu ersetzen. Das geht aus bisher unveröffentlichten Dokumenten einer Kabinettssitzung vom 8. April 1981 hervor, die der WirtschaftsWoche vorliegen.  „Sobald die technischen Voraussetzungen vorliegen, wird die Deutsche Bundespost aufgrund eines langfristigen Investitions- und Finanzierungsplanes den zügigen Aufbau eines integrierten Breitbandglasfasernetzes vornehmen“, heißt es in einem Sitzungsprotokoll, das unter dem Aktenzeichen B 136/51074 im Bundesarchiv liegt. Wäre der Plan durchgezogen worden, könnte die Bundesrepublik heute das beste Glasfasernetz der Welt haben.  Fünf Wochen nach der Kabinettssitzung legte der damalige Bundespostminister Kurt Gscheidle (SPD) dem Bundeskabinett einen 30-Jahres-Plan vor. Ab 1985 sollte die Bundespost in jedem Jahr ein Dreißigstel des Bundesgebiets mit Glasfaser verkabeln. „Für den Ausbau ist bei einem jährlichen Investitionsvolumen von drei Milliarden Mark ein Zeitraum von 30 Jahren zu veranschlagen“, erklärte der Postminister damals. [….]

(Wirtschaftswoche, 04.02.2018)

Was dann aber kam, ist bekannt: Helmut Kohl wurde 1982 Bundeskanzler, acht Jahre saß in seinem Kabinett eine promovierte Physikerin als Ministerin: Angela Merkel.   Mit diesem Glasfaserzeug könne man nichts anfangen, befanden die beiden CDU-Größen.

Wichtiger wäre es gegen den „Rotfunk“ (CDU-Postminister Schwarz-Schilling über die ARD-Regionalsender) vorzugehen und Kohl ultrakonservativen Amigo und Millionenspender den Aufbau eines konservativen Privatfernsehens aufzubauen.

Sat1 als „geistig-moralische Wende“ – darauf ist Schwarz-Schilling auch heute noch stolz.

[….] Die sozialliberale Koalition unter Helmut Schmidt hatte bereits 1981 Pläne für einen bundesweiten Glasfaserausbau beschlossen. Ein Jahr später kam Helmut Kohl an die Macht, legte die Pläne aufs Eis und förderte lieber das Kabelfernsehen. 35 Jahre Jahre später gibt es immer noch kein flächendeckendes Glasfasernetz. [….] 1982 wurde Helmut Kohl Kanzler einer schwarz-liberalen Koalition und der hatte andere Pläne. Statt Glasfaserausbau gab es Kabelfernsehen.

2017 warten viele Menschen noch immer auf den versprochenen Breitbandausbau. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland beim Glasfaserausbau fast am Ende.

 Der Deutschlandfunk berichtete vor wenigen Tagen in der Sendung Hintergrund über die Motivation, warum die Union auf Kabelfernsehen setzte. Dort erklärte der damalige Post-Minister Schwarz-Schilling (CDU):

    „Das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen war in dieser Zeit mit einer absoluten linken Schlagseite versehen.“ Das Kalkül der Union: Wenn man schon nicht Sendungen wie „Monitor“ und „Panorama“ beeinflussen kann, dann soll es zumindest Konkurrenz von außen geben: durchs Privatfernsehen, eingespeist in die Kabelnetze. Also wurde die Bundesrepublik aufgebuddelt, und es wurden von der Bundespost Kupferkabel verlegt. Die kosteten damals weniger als ein Drittel der Glasfaser. [….]

(Netzpolitik.org 04.01.2018)

Selbst Ende der 1990er Jahre wehrte die CDU-FDP-Regierung hartnäckig alle Investitionen in die digitale Infrastruktur ab.

Legendär wurde eine Wahlkampfdiskussion im Jahr 1994 mit Helmut Kohl, als er vom Microsoft-Deutschland-Chef gefragt wurde, was der in Sachen "Datenautobahn" zu tun gedenke, aber noch nicht einmal den Begriff verstand, sondern von Autostraßen fabulierte – immerhin 13 Jahre nachdem sein Vorgänger schon ein entsprechenden Kabinettsbeschluss gefasst hatte. (….)

(40 Jahre schlafen, 28.06.2020)

Die Altmaier-Delle. 

Aus ideologischer Verblendung und/oder kurzfristiger Raffgier wollen Merz, Spahn und Reiche uns in den Hitzetod treiben. Nach dem Ende der ersten und einzigen rotgrünen Bundesregierung 2005, sorgte Merkels Lieblingsminister Altmaier in der Westerwelle-Merkel-Horrorregierung ab 2009 dafür, 60.000 Topjobs in der Windenergiebranche und 100.000 Jobs in der Solarbranche zu vernichten, um wieder auf billiges klimaschädliches russisches Gas zu setzen und sich in die Abhängigkeit von Putin zu begeben. Das passiert, wenn man Schwarz und Gelb wählt, Urnenpöbel.


[….] Die Reaktion insbesondere unionsgeführter Regierungen der vergangenen Jahrzehnte war verlässlich die gleiche: erst mal bremsen (egal, ob die anderen das auch tun). Deutschland setzte auf Kupferkabel statt Glasfaser, das mobile Internet galt lange als etwas alberne Spielerei, das Smartphone auch. Die Digitalisierung der Verwaltung steht als Ziel in jedem Koalitionsvertrag. Immer wieder.

Beim Thema künstliche Intelligenz war es das Gleiche: spätestens mit dem Sieg von AlphaGo gegen den Go-Meister Lee Sedol im Jahr 2016 hätte eigentlich klar sein müssen, dass gerade eine neue Ära der Technikgeschichte begonnen hat. Exemplarisch für die Bräsigkeit deutscher Regierungen im Umgang mit Transformationsprozessen war ein Satz des damaligen Wirtschaftsministers Peter Altmaier, gesprochen im Jahr 2018 bei einem der zahllosen, stets folgenlosen »Digitalgipfel«: Er freue sich auf eine Zukunft, scherzte Altmaier damals, in der ihm ein in Deutschland hergestellter Digitalbutler das Bier aus dem Kühlschrank hole. So stellen Unionsminister oft die Zukunft dar: wie die Vergangenheit, nur noch ein bisschen bequemer. [….] Unionsgeführte Regierungen reden immer viel von Strategie und Veränderungswillen und tun gleichzeitig möglichst viel dafür, den armen Deutschen die Veränderung möglichst lang vom Leib zu halten. Verbrenner retten! Gasheizung erhalten! Man versucht jetzt, das absolut unausweichliche Ende des Verbrennungsprozesses als zentraler Energiequelle zu ignorieren, zu vertagen, zu bremsen, zu verschieben. Das wird sich ebenso rächen wie bei den Themen Digitalisierung, Internet, künstliche Intelligenz. Denn die anderen warten nicht. [….] Huch, Elektroautos! Huch, Batteriespeicher! Huch, Wärmepumpen! Huch, billiger Strom aus Sonne und Wind! Huch, China! Huch, exponentielles Wachstum!

Man kann gerade live beobachten, wie eine unionsgeführte Regierung erneut versucht, die Fehler der Vergangenheit sehenden Auges zu wiederholen. Die Parallelen sind verblüffend. Aber die geopolitischen Gefahren womöglich noch größer.

Konkret zeigt sich das an der Kommunikation der Wirtschaftsministerin: Katherina Reiche (CDU) hat in den ersten zehn Wochen ihrer Amtszeit zum Thema Energiewirtschaft praktisch ausschließlich Dinge gesagt und getan , die fossilen Geschäftsmodellen nutzen und Elektrifizierung und erneuerbaren Energien schaden sollen. Gas wird billiger, Strom bleibt teuer, Gasheizungen sollen so lang wie möglich weiterlaufen, der Vorrang für grünen Wasserstoff wird gekippt, in der Nordsee soll Gas gefördert werden, und Reiche will so viele Gaskraftwerke bauen lassen, dass die EU zweifellos intervenieren wird.

Ende August soll ein von Reiches Ministerium in Auftrag gegebener »Monitoringbericht« erscheinen. Er wurde dem Anschein nach mit einem sehr konkreten Ziel bestellt: den Ausbau der erneuerbaren Energien abzubremsen, weil der angeblich zu schnell gehe und damit zu hohe Kosten verursache. »Überzogen« hat Reiche diesen Ausbau schon einmal genannt, jetzt braucht sie Argumente dafür, dass sie damit recht hatte. [….]

(Prof. Christian Stöcker, 17.08.2025)

Maximale Planungsunsicherheit zu Gunsten überholter Uralttechnologien.

Die Schwarzen reagieren mit geradezu nekrophiler Todessehnsucht auf die Herausforderungen der Zukunft und verweigern stoisch moderne Lösungen. Stattdessen klammern sie manisch an 100 Jahre alten, gescheiterten Konzepten (Atomkraft, Otto-Motor) fest. Durch CDUCSU wurde Deutschland technisch international abgehängt. Aus US- oder asiatischer Sicht sind wir nur noch Lachnummern.

[…] Diese populistische Dummschwätzerei des bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder ist verantwortungslos. Denn sie schadet der deutschen Wirtschaft, vornehmlich der Autoindustrie. Und die hat schon genug Probleme.

Kurz vor dem Start der Internationalen Automesse in München tat sich Söder mit einem 10-Punkte-Plan hervor. Mit dem will er die für Deutschland so wichtige Autoindustrie retten, dürfte aber bei Realisierung genau das Gegenteil bewirken. Mit den meisten dieser zehn Punkte will Söder zurück in die Vergangenheit und das Verbrenner-Auto retten. Damit, das dürfte das Kalkül des Populisten Söder sein, möchte er den Geschmack der meisten deutschen Autofahrer treffen. […] „Stopp des Verbrennerverbots“, „CO₂-Zahlungen aussetzen“, „’Unrealistische‘ CO₂-Ziele neu formulieren“, „Keine Fahrverbote für Verbrennerautos“, „Kein Zwang zu Elektroautos“ – Fünf dieser zehn Punkte enthalten eigentlich dasselbe. […] Experten sind sich einig, dass Deutschland die Entwicklung hin zur E-Mobilität lange Zeit verschlafen hat und jetzt mit großer Verspätung zur Aufholjagd ansetzt. Der Grund dafür lag vor allem darin, dass die Politik hierzulande keinen eindeutigen Kurs vorgegeben hat. Immer wieder wurde – zu Zeiten der Ampel von der FDP – gebremst. Keinesfalls wollte man eindeutig auf die Entwicklung von Elektro-Fahrzeugen setzen. Der Verbrenner sollte unbedingt bleiben. […] So wurden Hersteller wie Verbraucher verunsichert. Andere Länder, allen voran China, setzten hingegen mit Entschlossenheit und zielstrebig auf die E-Mobilität. Dort wurden inzwischen Elektroautos und Batterie-Technologien entwickelt, die deutschen Produkten überlegen sind. Der schleppende und zögerliche Umstieg auf die Elektromobilität hierzulande gefährdete und vernichtete schon tausende Arbeitsplätze in der deutschen Autoindustrie. Und jetzt kommt Söder daher und fängt das Spielchen schon wieder an. […]

(Christoph Lütgert, 07.09.2025)

Man darf C-Politiker unter keinen Umständen ins Bundeskanzleramt lassen. Aber durch die systematische Verblödung, die in unseren völlig maroden und unterfinanzierten Bildungsanstalten herrscht, halten Urnenpöbel und weite Teile der Presse Unionspolitiker hartnäckig und wider jede Realität für „wirtschaftskompetent“. Das bricht bedauerlicherweise nicht nur Deutschland das Genick.

[….] Klein: Dass ihr so schwach seid, ist auch schlecht für uns, für die Vereinigten Staaten.

Thompson: Es gibt viel zu wenige sogenannte Sputnik-Momente, herausragende technologische Innovationen, denen dann alle nacheifern. Eigentlich müssten wir, der Westen, uns durch Chinas Erfolge herausgefordert fühlen – oder eher: bedroht. Stattdessen sieht es so aus, als hätten wir unseren Staat in Ketten gelegt. Auch für Trump scheint die Konkurrenz mit China kein Anreiz zu sein. Wenn wir Trumps Gerede vom »Goldenen Zeitalter« ernst nehmen, das jetzt mit ihm als Präsident anbrechen soll, landen wir wieder beim Öl. […]

Klein: Nichts ist unvermeidlich, alles kann passieren. Trump war ein schlechter Präsident, er hat dieses Land schlecht regiert von 2017 bis 2021. 2024 wurde er dann von noch mehr Menschen gewählt. Fest steht: Trump muss bekämpft werden, wir müssen ihn schwächen, ihn besiegen. Wir wissen nicht, wo dieses Land in zwei oder in vier Jahren stehen wird. Aber die Geschichte lehrt, wie man hier sagt: Wenn die Dinge erst mal schlecht stehen, kann es noch schlimmer kommen. In dieser »Schlimmer«-Phase befinden wir uns gerade. […]

(DER SPIEGEL 37/2025, 06.09.2025)

Dienstag, 10. Juni 2025

Außenpolitische Stilfragen

Wenn man als Kind für den Deutschunterricht einen Aufsatz schreibt, wird man für plumpes Aneinanderreihen und Wiederholungen gemaßregelt. Mit 11 Jahren begreift man es noch nicht, aber es klingt schlecht, wenn in jedem Satz „und dann“ vorkommt. Ich erinnere mich noch an meine latente Unzufriedenheit, wenn mir „Stil“ angekreidet wurde, weil mir der Begriff, anders als Grammatik- oder Rechtschreibfehler, so schwammig vorkam. Es gibt keine allgemein bekannten Eselsbrücken, nach denen ein Grundschüler guten Stil lernt.

Ein Problem stellt sich immer, egal, ob ein Romancier über seinen Helden, ein Sportkommentator über einen Tennisspieler, oder ein Journalist über Politiker schreibt: Es klingt miserabel, denselben Namen ständig zu wiederholen. Daher verwendet man Umschreibungen. Statt immerzu „Merz“, streut man auch „der Sauerländer“, der „Merkel-Konkurrent“, „CDU-Chef“, „Bundeskanzler“ ein. Für einen Roman-Autoren birgt das freilich auch Risiken, da er einen viel längeren Text bewältigen muss, aber auch viel mehr Ebenen zur Verfügung hat, um Umschreibungen zu ersinnen. Diese können nämlich auch zu kreativ oder abwegig werden, so daß dem Leser unangenehm auffällt, wie jemand krampfhaft versucht, denselben Terminus zu oft zu verwenden. Das ist auch schlechter Stil.

In der Politik, verwendet man weniger Ausweich-Worte, neigt aber dazu, sie völlig synonym zu verwenden, auch wenn erheblich unterschiedliche Topoi definiert sind. Schreibt man über den Krieg in der Ukraine, tauchen außer „Wladimir Putin“ die Begriffe „Moskau, Russland, Kreml, die Russen, russischer Präsident“ auf, die alle dasselbe meinen, aber nicht synonym sind. Natürlich ist Putin nicht Russland; das weiß aber auch der Leser und versteht, wie es in dem Zusammenhang gemeint ist.

Niemand versteht es als volksverhetzend gegenüber 130 Millionen Russen, wenn sie in einem Text sprachlich mit Putin gleichgesetzt werden.

Bei Israel funktioniert das allerdings weit weniger gut, weil der Staat, die Staatsbürgerschaft und das Judentum kollidieren. Bei der völlig legitimen Kritik am Vorgehen der gegenwärtigen Israelischen Regierung schwingt leicht einmal völlig illegitimer Antisemitismus mit.

Verkompliziert wird die Sache wegen der besonderen deutschen Geschichte, der Verwirrung um die genaue Definition, was eigentlich Antisemitismus ist und schließlich auch den fälschlichen Antisemitismus-Vorwurf, der aus Netanjahus Kabinett leider oft kommt, um legitime politische, moralische und rechtliche Kritik zu diskreditieren.

Daher sollte man unbedingt vermeiden, um des flüssigeren Lesens Willen, die Begriffe „Netanjahu, israelische Regierung, Israel, die Juden, Jerusalem, israelische Armee, Israelis“ synonym zu verwenden. Sie sind sehr unterschiedlich. Daher habe ich auch mehrfach in diesem Blog versucht, sie auseinander zu klamüstern

(….) Aber abgesehen von Raphaels persönlichem Martyrium; auch wenn sie keinerlei Bezug zum Hamas-Massaker hätte: Es ist die Paradedefinition von Antisemitismus, einer Person, wegen ihres Jüdisch-Seins zu drohen und sie aufgrund ihrer zufälligen Zugehörigkeit zu einem Kollektiv zu verurteilen. Hier verschwimmt alles: Judentum, Israel, Gaza, Netanyahu-Regierung, Ethnie, Religion.

Marcel Reich-Ranicki, 1920 im polnischen Włocławek geboren, hatte einen säkularen polnischen Vater (David Reich) und eine deutsche Mutter (Helene Auerbach). Er besuchte die deutsche Schule in Polen und zog 1929 mit seinen Eltern als kleines Kind nach Berlin. 1938 deportierte man ihn nach Polen, ab 1958 lebte er wieder dauerhaft in Deutschland. Eine Verbindung zu Israel hatte er gar nicht. Reich-Ranicki gehörte aber auch nicht zur jüdischen Religion, weil er immer Atheist war.

„Gott ist eine literarische Erfindung. Es gibt keinen Gott. […] Ich kenne keinen. Hab ihn nie gekannt. Nie in meinen Leben!“

(MRR)

Kein Israeli, kein Angehöriger des Judentums und dennoch zweifellos Jude, obwohl es gar keine „menschlichen Rassen“ gibt. Er gehörte nicht zu der Ethnie, nicht zu der Religion und nicht zu dem Nationalstaat (Israel), empfand sich aber eindeutig als Jude. Die Beispiele Marcel und Teofila Reich-Ranicki zeigen die Perfidie des Antisemitismus: Aufgrund nicht existenter, ausgedachter Zugehörigkeiten, wurden ihre gesamten Familien, ihre Eltern, alle Geschwister, alle Verwandte ermordet.

Yuval Raphael ist genauso wenig für den Gazakrieg und die Netanyahu-Regierung verantwortlich, wie Annalena Baerbock für Adolf Hitler oder ich für Donald Trump.

Menschen, die ihre außerordentlich berechtigte Kritik an Bibis inzwischen offenkundig genozidalen Krieg ausdrücken, indem sie einzelne Israelis und/oder Juden in Berlin, Malmö oder Basel angreifen, gehört meine ganze Verachtung.
Das ist Antisemitismus! Und es ist ebenfalls antisemitisch zu behaupten, man dürfe Israel nicht kritisieren, weil es die klassischen Stereotype aus der Nazizeit bedient: Es gäbe mächtige internationale jüdische Seilschaften, die so etwas verböten.

Selbstverständlich darf man Kritik üben.

(….)   Viele Rechtsextreme, viele Idioten und leider auch zu viele engagierte Linke, blamieren sich, seit die Hamas am 07.Oktober 2023 mehr als 1.400 Israelis massakrierte und rund 250 Menschen als Geiseln verschleppte, mit verstörenden Aussagen.

Möglicherweise gab es schon beim Jom Kippur-Krieg 1973, oder dem Sechstagekrieg von 1967 so abwegige deutsche Meinungen dazu. Aber glücklicherweise gab es damals noch kein Internet, so daß nicht jeder Depp seine irrelevanten Ansichten publizierte.

Ich möchte 20 Axiome zur Nahost-Meinungsäußerung in Deutschland nennen, die ich mir nicht etwa gerade selbst ausdenke, sondern seit Jahrzehnten rauf und runter gebeten werden. Aber offensichtlich dennoch immer weniger gehört werden.

1.   Niemand ist gezwungen sich zu positionieren.

2.   Niemand muss Nahost-Experte sein.

3.   Kritik an Israelischer Politik ist nicht verboten.

4.   Politisches Handlungen der Jerusalemer Regierung zu kritisieren, ist nicht antisemitisch.

5.   Einzelne Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland für Netanyahus Handlungen zu beschimpfen, ist antisemitisch.

6.   Die Hamas ist nicht identisch mit den Palästinensern.

7.   Ein nach 1945 geborener Deutscher ist nicht Schuld am Holokaust.

8.   Die Deutschen Bürger sind aber dafür zuständig, den Holocaust nicht zu vergessen und ihn nicht zu wiederholen.

9.   Für die historischen Leiden des jüdischen und des palästinensischen Volkes ist Deutschland sehr stark mitursächlich und sollte deswegen auf internationaler Ebene nicht ausgerechnet am Lautesten kritisieren und den moralischen Zeigefinger schwenken.

10.Hamas-Terror, der zum Beispiel beinhaltet, die deutsche Geisel Shani Louk, nackt zur Schau zu stellen, sie zu vergewaltigen, foltern, köpfen, zu zerstückeln und mit solchen Taten im Netz zu prahlen, ist eben nicht mit den Aktionen Israelischer Soldaten zu vergleichen.

11.Wenn man auf Social Media Israel beschimpft und dafür seinerseits kritisiert wird, bedeutet das nicht „man darf ja gar nichts mehr sagen“.

12.Meinungsfreiheit in Deutschland bedeutet nicht das Recht, seine Meinung immer widerspruchslos kund zu tun.

13.Wenn deutsche Juden nur unter besonderem Schutz in Schulen oder Synagogen gehen können, ist das nicht ihre Schuld, sondern eine elende Schande für die deutsche Gesellschaft.

14.Empathie für die getöteten Kinder im Gaza-Streifen zu empfinden, bedeutet nicht, israelfeindlich zu sein.

15.Empathie für die von der Hamas gefolterten und getöteten Israelis zu empfinden, bedeutet nicht, alle Palästinenser zu hassen.

16.Die internationale Gemeinschaft verlangt nicht von Fritze Meier in der Fußgängerzone von Buxtehude, eine Lösung des Nahostkonfliktes aus dem Ärmel zu schütteln.

17.Nicht jeder Deutsche muss über historisches Fachwissen verfügen.

18.Wer historische Vergleiche bemüht, sollte aber die Fakten kennen.

19.Deutsche Rechtsradikale, die mit ihrem extremen Hass auf Migranten und Muslime Stimmungen machen, sind nicht automatisch Israel-Freunde.

20.Die Kriegsverbrechen Putins rechtfertigen selbstverständlich nicht, 80 Jahre rückwirkend den deutschen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. (….)

(Historisch aufgeladene Zeiten, 04.11.2023)

Selbstverständlich wird auch Kritik geübt. Insbesondere in Israel selbst gibt es seit vielen Jahren massive deutliche öffentliche Kritik an Bibis Vorgehen. In Parteien, in der Presse, in der Zivilgesellschaft, sogar in Geheimdiensten und Armee. (…)

(Israel-Fragen, 17.05.2025)

Im SPIEGEL meldete sich zu dem Thema letzte Woche eine Kolumnistin des Hauses zum Thema.

[…] In politischen Debatten werden Länder oft wie Personen behandelt. Das kann gefährlich werden. Besonders im Umgang mit Israel ist sprachliche Präzision wichtig.  [….] Vor einigen Tagen stolperte ich über eine Umfrage, die der »Tagesspiegel« beim Meinungsforschungsinstitut Civey in Auftrag gegeben hat. Eine Frage lautete: »Welchen politischen Kurs wünschen Sie sich von Deutschland gegenüber Israel?« Die Befragten konnten sich zwischen drei Antworten entscheiden: »Distanzierung«, »Gleich«, »Annäherung«.

Ich versuchte, mir vor Augen zu führen, wie sich »Deutschland« von »Israel« distanzieren könnte. Es stellte sich kein Bild dazu ein, aber eine inhaltliche Aussage ergab sich dennoch, und die ist nun wirklich problematisch. Deutsche sollten sich nämlich nicht von Israel als Staat distanzieren, sondern sollten immer für ihn eintreten. Erst, wenn diese Prämisse gilt, kann etwa ein deutscher Bundeskanzler sich von bestimmten Handlungen eines israelischen Regierungschefs distanzieren. […] Gerade im Fall Israel zeigt sich also, dass es falsch sein kann, Orte mit ihren Regierungschefs gleichzusetzen. […] Wir sollten also differenzieren zwischen diesem Ministerpräsidenten und seinem Land, und wir sollten uns auch endlich das Wort »Israelkritik« abgewöhnen. […] »Netanyahukritik« wäre zwar eine Wortneuschöpfung, aber ich schlage den Begriff jetzt mal als bessere Alternative vor.  [….]

(Susanne Beyer, 01.06.2025)

Eine Art Entsprechung des Beyerschen Wunsches nach sprachlicher Differenzierung, lieferte heute London, aka Starmer, aka UK, aka die britische Regierung, aka England, aka das Vereinigte Königreich.


Sie wirft nicht alles in einen Topf, sondern adressiert präzise.

[…] Großbritannien und weitere Länder verhängen »mit sofortiger Wirkung« Sanktionen gegen zwei rechtsextreme israelische Minister. Das geht aus einer Erklärung des Außenministeriums hervor. […] Demnach werden die Vermögenswerte des Ministers für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, und von Finanzminister Bezalel Smotrich eingefroren sowie Einreiseverbote gegen die beiden Politiker verhängt. Zudem müssen britische Finanzinstitute Beziehungen zu den beiden einstellen.

»Die heute angekündigten Maßnahmen zeigen die Entschlossenheit des Vereinigten Königreichs, gegen diejenigen vorzugehen, die zu Hass und Gewalt aufstacheln«, heißt es in der Mitteilung. Der britische Außenminister David Lammy erklärte laut BBC, die Minister hätten »zu extremistischer Gewalt und schweren Verstößen gegen die palästinensischen Menschenrechte aufgerufen.« Diese Handlungen seien »inakzeptabel«. »Deshalb haben wir jetzt Maßnahmen ergriffen, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen«, so Lammy.

[…] Die Regierung in London schließt sich mit dem Schritt Kanada, Australien, Neuseeland und Norwegen an. In der Mitteilung heißt es zudem: »Das Vereinigte Königreich und seine Partner unterstützen die Sicherheit Israels und werden weiterhin mit der israelischen Regierung zusammenarbeiten, um einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza zu erreichen.« […] Großbritannien ist international zu einem der größten Kritiker der israelischen Regierung geworden. […]

(SPON, 10.06.2025)

Sonntag, 1. Juni 2025

Impudenz des Monats Mai 2025

Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Es ist im Grunde müßig, noch über Donald Trump zu reden, weil es völlig unstrittig ist, wie sagenhaft bösartig und vollkommen verblödet er ist.  Er ist zweifellos der gefährlichste und schlechteste Mensch der Welt.  Eine wenig überraschende Erkenntnis zu dem senilen Sadisten. Auch das Project 2025 war lange vor der US-Wahl am 05.11.2024 bekannt. Man wußte also a priori sicher, daß seine zweite Amtszeit weit schlimmer als die Erste sein würde, als er die USA bereits international zum Paria gemacht, ein ökonomisches Desaster und eine Million Corona-Tote zu verantworten hatte. Nach 100 Tagen wissen wir sicher; es kommt mindestens so schlimm, wie man es sich im Worst Case-Szenario vorgestellt hatte.

Und es wird schlimmer.

[….]  „Die nächsten 100 Trump-Tage werden noch gefährlicher“

Die deutsch-amerikanische Politikwissenschaftlerin Cathryn Clüver Ashbrook meint, dass die US-Demokratie an einem „seidenen Faden“ hängt[….]

Frau Clüver Ashbrook, vier Monate Donald Trump – und kaum ein Tag vergeht, ohne dass der US-Präsident eine Regel bricht oder einen Verbündeten attackiert. Haben Sie mit dieser Intensität gerechnet?
Mit Geschwindigkeit und Umfang der Dekret-Offensive des Präsidenten habe ich gerechnet. Die Wucht allerdings, mit der Trump staatliche Strukturen zerschlägt, und das erratische Vorgehen dabei, haben mich überrascht. Wir haben 120 Tage Zersetzung des Systems praktisch ohne schnell funktionierenden Widerstand erlebt. Wir erleben einen imperial agierenden Präsidenten auch nach innen.

Sehen Sie die Demokratie gefährdet?
Die Demokratie hängt an einem seidenen Faden. Manche reden bereits von Verfassungskrise, weil das Weiße Haus und die Justiz, der Oberste Gerichtshof und Instanzen darunter, sich in einem Kleinkrieg befänden. So weit ist es noch nicht. Aber die Tatsache, dass der Präsident mit Notstandsgesetzgebungen aus dem 18. Jahrhundert regiert, ist alarmierend. Trump und seine Strategen suchen die Schwachstellen des institutionellen Gefüges, testen die Leitplanken aktiv aus.

Wann ist der Punkt erreicht, dass die USA die Grenze von Demokratie zur Autokratie überschreiten? Wenn die Exekutive Gerichtsurteile ignoriert?
Das jedenfalls wird in der Tat die kritische Phase einleiten. Der Justizapparat kommt in der Prüfung der Dekrete des Präsidenten nicht nach. Trump provoziert gewollt einen Konflikt zwischen den Verfassungsorganen. Und während die ersten 100 Tage den Rechtsstaat herausgefordert haben, werden die nächsten 100 Trump-Tage für das amerikanische System weitaus gefährlicher.
[….]

(Handelsblatt, 25.05.2025)

Die einzig verbliebene rudimentäre Hoffnung besteht in seiner beeindruckenden Fähigkeit, die US-Wirtschaft rapide zu zerstören. Vielleicht wachen doch noch einige der indolenten apolitischen US-Nichtwähler auf, wenn sie alle arbeitslos auf der Straße sitzen, ihre Häuser und Krankenversicherungen verloren haben, die sozialen und rechtlichen Strukturen der Nation vollkommen kollabiert sind und ob der Handelskriege Nahrungsmittel unbezahlbar sind. Wenn die Menschen an einfachen Krankheiten wegsterben, weil medizinische Versorgung nur noch für Superreiche möglich ist und dazu grinsend Joni Ernst, die GOP-Senatorin aus Iowa, erklärt „Na und, wir müssen alle mal sterben!“


Natürlich machte Ernst es anschließend noch viel schlimmer, als sie sich auf einem Friedhof stehend (sic!) über Kranke lustig machte und sagte, sie sollten lieber ihrem Lord and savior Jesus Christ folgen.


(….)  Die einzige Chance, Trump aufzuhalten, nachdem alle klassischen Säulen der USA versagen, bleibt nur noch Trumps ökonomische Ignoranz. Er ist hoffnungslos verblödet und versteht nichts von Wirtschaft.

[….] Wie kann zudem jemand, der angeblich Unternehmer war, so wenig von Wirtschaft verstehen? Trump will nun 50 Prozent Zoll auf alle Produkte aus der EU erheben; auch Apple droht er mit zusätzlichen Abgaben, sollte der Konzern seine Smartphones nicht endlich in den USA herstellen. Was er alles ignoriert: den Umstand, dass ein Handelsdefizit immer auch Ausdruck der Konsumfreude seiner Amerikaner ist; die internationale Arbeitsteilung, in der jedes Land das herstellt, was es besser oder billiger kann – eine Produktion von iPhones in den USA hätte zur Folge, dass sie unbezahlbar würden. Und so weiter.  Trump kapiert es möglicherweise nicht. Zum Schaden der Amerikaner und der Welt ist er auch noch stolz darauf.  [….]

(Detlef Esslinger, 23.05.2025)

Nur wenn Trump es vermag die gesamte US-Wirtschaft so sehr in den Abgrund zu ziehen, daß auch seine 77 Millionen MAGAs extrem leiden, hungern, ihre Jobs, ihre Häuser und Krankenversicherungen verlieren, gibt es eine Chance, daß diese nahezu völlig realitätsresistenten Fanatiker sich von ihrem Messias abwenden. (…)

(Kampf um die USA, 25.05.2025)

Die Impudenz des Monats Mai 2025 ist NICHT Trump, weil der erwartbar debil weiterhin die Welt ruiniert. Es hat keinen Sinn, sich über seine neuesten Zölle oder die letzten Aussagen zu Putin zu echauffieren, weil der irre Greis ohnehin stündlich seine Meinung ändert.


Die Impudenz des Monats Mai 2025 sind die Amerikaner, die das mit sich machen lassen und ob dieses offensichtlichen Wahnsinns, nicht daran denken, das Twenty-fifth Amendment to the United States Constitution zu verwenden, um so einen offensichtlich Geistesgestörten, von seinem Kabinett absetzen zu lassen.

Unglücklicherweise stecken die Minister aber alle in seinem Mastdarm fest und können daher weder denken, noch sprechen.

Republikaner, die Salinger und Shakespeare von den Schulen verbannen und die Wähler machen es mit.


Es herrscht ein Mad King, der schwer Drogensüchtige auf die US-Institutionen loslässt, während er selbst täglich hochabstruse Verschwörungstheorien absondert.

Ein US-Präsident schwört immerhin in seinem Amtseid auf mehrere Bibeln, die Verfassung zu schützen und Trump setzt sich nicht nur sofort daran, die Verfassung zu zerstören, sondern lässt auch seine Sprecherin offen seinen Hass auf die CONSTITUTION verkünden. Gewaltenteilung und Recht dürfe für ihn nicht gelten.


Das ist unheard of. Das US-amerikanische Volk versagt völlig, indem es das geschehen lässt.

Es müsste einen eisernen Generalstreik geben, bis Trump und Vance aus ihren Ämtern entfernt sind.

Aber nichts da. Die Medien feiern ihn und die Mächtigen knicken freiwillig ein.

Samstag, 17. Mai 2025

Israel-Fragen

Das dürfte wohl das einzige sein, das ich dieses Jahr über den ESC lese: Kann die israelische Sängerin Yuval Raphael sich in Europa frei bewegen und in der Schweiz auftreten? 2024 in Malmö musste Eden Golan wegen massiver Todesdrohungen in ihr Hotelzimmer weggesperrt werden und wurde angeblich vom israelischen Geheimdienst geschützt. So viel zur Freiheit in Europa.

Offenbar hofft man in Jerusalem, den grässlichen Bildern, die es letztes Jahr in Schweden gab, zu entgehen, indem man eine Vertreterin aussuchte, die eindeutig selbst ein tragisches Opfer ist.

[….] Mit der Nominierung Raphaels wurde versucht, das alles etwas abzukühlen. Gleichzeitig ist es aber eben auch sie, die den Nahostkonflikt als Person auf die Bühne trägt. Denn sie ist eine Überlebende des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023. Mit Freunden feierte sie an diesem Tag auf dem Nova-Festival, als aus dem Gazastreifen Raketen nach Israel geschossen wurden und Hunderte Terroristen begannen, auf dem Festival und in den umliegenden Kibbuzim wahllos Menschen zu ermorden und zu entführen. Raphael und ihre Freunde versuchten, erst mit dem Auto zu fliehen, versteckten sich dann aber doch in einem Bunker am Straßenrand, der eigentlich gegen Luftangriffe schützen soll. Dort fanden die Hamas-Terroristen sie. Sie feuerten in die Menge, warfen Granaten in den Bunker. Immer wieder. Raphael überlebte verletzt als eine der wenigen, unter den Leichen versteckt. Noch immer habe sie Schrapnelle in ihrem Körper, erzählt sie in Interviews. Womöglich sollte mit ihrer Teilnahme am ESC den Kritikern die Angriffsfläche genommen werden. Denn jede Kritik an Israel müsste sich dann auch mit dem Angriff der Hamas auseinandersetzen.  [….]

(Nicolas Freund, SZ, 17.05.2025)

Aber abgesehen von Raphaels persönlichem Martyrium; auch wenn sie keinerlei Bezug zum Hamas-Massaker hätte: Es ist die Paradedefinition von Antisemitismus, einer Person, wegen ihres Jüdisch-Seins zu drohen und sie aufgrund ihrer zufälligen Zugehörigkeit zu einem Kollektiv zu verurteilen. Hier verschwimmt alles: Judentum, Israel, Gaza, Netanyahu-Regierung, Ethnie, Religion.

Marcel Reich-Ranicki, 1920 im polnischen Włocławek geboren, hatte einen säkularen polnischen Vater (David Reich) und eine deutsche Mutter (Helene Auerbach). Er besuchte die deutsche Schule in Polen und zog 1929 mit seinen Eltern als kleines Kind nach Berlin. 1938 deportierte man ihn nach Polen, ab 1958 lebte er wieder dauerhaft in Deutschland. Eine Verbindung zu Israel hatte er gar nicht. Reich-Ranicki gehörte aber auch nicht zur jüdischen Religion, weil er immer Atheist war.

„Gott ist eine literarische Erfindung. Es gibt keinen Gott. […] Ich kenne keinen. Hab ihn nie gekannt. Nie in meinen Leben!“

(MRR)

Kein Israeli, kein Angehöriger des Judentums und dennoch zweifellos Jude, obwohl es gar keine „menschlichen Rassen“ gibt. Er gehörte nicht zu der Ethnie, nicht zu der Religion und nicht zu dem Nationalstaat (Israel), empfand sich aber eindeutig als Jude. Die Beispiele Marcel und Teofila Reich-Ranicki zeigen die Perfidie des Antisemitismus: Aufgrund nicht existenter, ausgedachter Zugehörigkeiten, wurden ihre gesamten Familien, ihre Eltern, alle Geschwister, alle Verwandte ermordet.

Yuval Raphael ist genauso wenig für den Gazakrieg und die Netanyahu-Regierung verantwortlich, wie Annalena Baerbock für Adolf Hitler oder ich für Donald Trump.

Menschen, die ihre außerordentlich berechtigte Kritik an Bibis inzwischen offenkundig genozidalen Krieg ausdrücken, indem sie einzelne Israelis und/oder Juden in Berlin, Malmö oder Basel angreifen, gehört meine ganze Verachtung.
Das ist Antisemitismus! Und es ist ebenfalls antisemitisch zu behaupten, man dürfe Israel nicht kritisieren, weil es die klassischen Stereotype aus der Nazizeit bedient: Es gäbe mächtige internationale jüdische Seilschaften, die so etwas verböten.

Selbstverständlich darf man Kritik üben.

(….)   Viele Rechtsextreme, viele Idioten und leider auch zu viele engagierte Linke, blamieren sich, seit die Hamas am 07.Oktober 2023 mehr als 1.400 Israelis massakrierte und rund 250 Menschen als Geiseln verschleppte, mit verstörenden Aussagen.

Möglicherweise gab es schon beim Jom Kippur-Krieg 1973, oder dem Sechstagekrieg von 1967 so abwegige deutsche Meinungen dazu. Aber glücklicherweise gab es damals noch kein Internet, so daß nicht jeder Depp seine irrelevanten Ansichten publizierte.

Ich möchte 20 Axiome zur Nahost-Meinungsäußerung in Deutschland nennen, die ich mir nicht etwa gerade selbst ausdenke, sondern seit Jahrzehnten rauf und runter gebeten werden. Aber offensichtlich dennoch immer weniger gehört werden.

1.   Niemand ist gezwungen sich zu positionieren.

2.   Niemand muss Nahost-Experte sein.

3.   Kritik an Israelischer Politik ist nicht verboten.

4.   Politisches Handlungen der Jerusalemer Regierung zu kritisieren, ist nicht antisemitisch.

5.   Einzelne Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland für Netanyahus Handlungen zu beschimpfen, ist antisemitisch.

6.   Die Hamas ist nicht identisch mit den Palästinensern.

7.   Ein nach 1945 geborener Deutscher ist nicht Schuld am Holokaust.

8.   Die Deutschen Bürger sind aber dafür zuständig, den Holocaust nicht zu vergessen und ihn nicht zu wiederholen.

9.   Für die historischen Leiden des jüdischen und des palästinensischen Volkes ist Deutschland sehr stark mitursächlich und sollte deswegen auf internationaler Ebene nicht ausgerechnet am Lautesten kritisieren und den moralischen Zeigefinger schwenken.

10.Hamas-Terror, der zum Beispiel beinhaltet, die deutsche Geisel Shani Louk, nackt zur Schau zu stellen, sie zu vergewaltigen, foltern, köpfen, zu zerstückeln und mit solchen Taten im Netz zu prahlen, ist eben nicht mit den Aktionen Israelischer Soldaten zu vergleichen.

11.Wenn man auf Social Media Israel beschimpft und dafür seinerseits kritisiert wird, bedeutet das nicht „man darf ja gar nichts mehr sagen“.

12.Meinungsfreiheit in Deutschland bedeutet nicht das Recht, seine Meinung immer widerspruchslos kund zu tun.

13.Wenn deutsche Juden nur unter besonderem Schutz in Schulen oder Synagogen gehen können, ist das nicht ihre Schuld, sondern eine elende Schande für die deutsche Gesellschaft.

14.Empathie für die getöteten Kinder im Gaza-Streifen zu empfinden, bedeutet nicht, israelfeindlich zu sein.

15.Empathie für die von der Hamas gefolterten und getöteten Israelis zu empfinden, bedeutet nicht, alle Palästinenser zu hassen.

16.Die internationale Gemeinschaft verlangt nicht von Fritze Meier in der Fußgängerzone von Buxtehude, eine Lösung des Nahostkonfliktes aus dem Ärmel zu schütteln.

17.Nicht jeder Deutsche muss über historisches Fachwissen verfügen.

18.Wer historische Vergleiche bemüht, sollte aber die Fakten kennen.

19.Deutsche Rechtsradikale, die mit ihrem extremen Hass auf Migranten und Muslime Stimmungen machen, sind nicht automatisch Israel-Freunde.

20.Die Kriegsverbrechen Putins rechtfertigen selbstverständlich nicht, 80 Jahre rückwirkend den deutschen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. (….)

(Historisch aufgeladene Zeiten, 04.11.2023)

Selbstverständlich wird auch Kritik geübt. Insbesondere in Israel selbst gibt es seit vielen Jahren massive deutliche öffentliche Kritik an Bibis Vorgehen. In Parteien, in der Presse, in der Zivilgesellschaft, sogar in Geheimdiensten und Armee.

[….] Laut einem Bericht  der »New York Times« haben israelische Militärangehörige intern gewarnt, dass den Palästinensern im Gazastreifen eine Hungersnot droht, falls die Hilfslieferungen nicht binnen weniger Wochen wieder aufgenommen werden. Die Zeitung beruft sich dabei auf drei israelische Armeevertreter, die mit den Bedingungen vor Ort vertraut sind.

Wie es weiter heißt, hätten Offiziere, die die humanitäre Lage in Gaza beobachten, ihre Vorgesetzten in den vergangenen Tagen gewarnt: Wenn die Blockade nicht schnell aufgehoben werde, drohe in vielen Gebieten des Gazastreifens ein Mangel an Nahrungsmitteln, um den täglichen Mindestbedarf zu decken.  [….]

(SPON, 14.05.2025)

Meiner Ansicht nach ist das Vorgehen der Israelischen Armee sogar so eindeutig verbrecherisch – nicht von ungefähr gibt es einen internationalen Haftbefehl gegen den Israelischen Regierungschef – daß es gerade deswegen nicht nur „unnötig“ ist antisemitischen Vorurteile zu bedienen, sondern mit diesen antisemitischen Tönen sogar den Palästinenser schwer geschadet wird, weil es die richtige und gerechte Kritik am „Umgang“ mit ihnen diskreditiert.

Nur zu gerne benutzen daher rechte Bibiphile Kreise (Trump, Merz) das Todschlagargument „Antisemitismus“, um gebotene Kritik nicht inhaltlich beantworten zu müssen.

[….] Der Antisemitismus-Beschluss der Linken ist völlig in Ordnung

Seit dem Parteitag in Chemnitz tobt eine Debatte, ob die Partei sich nun dem Hass auf Juden verschrieben hat.  Mit der Realität hat die Aufregung nichts zu tun.  Man könnte meinen, die Partei von Bodo Ramelow, Gregor Gysi und Heidi Reichinnek hätte mit Blick auf den Nahostkonflikt etwas entsetzlich Dumpfes und Empathieloses beschlossen in der vergangenen Woche. Man könnte das meinen, wenn man die Schärfe der Kritik hört, die der Präsident des Zentralrats der Juden übt, der ansonsten eher maßvoll formulierende Josef Schuster: „Die Linke zeigt, wo sie steht: nicht an der Seite der Juden in Deutschland“, hat er kürzlich gepostet. Und man könnte es meinen, wenn man liest, was im Echo darauf auch Bild getitelt hat: „Getrieben von Israelhass: Skandal-Beschluss der Linken bei Parteitag“. [….] Die Linkspartei als Ganze hat auf ihrem Parteitag, der Ende vergangener Woche in Chemnitz stattfand, nicht Ulrike Eifler gefeiert. Nein, nach der Aufregung hat die Partei eine Deklaration gegen Antisemitismus verabschiedet. Ein symbolischer Akt: Mit knapper Mehrheit beschloss man, sich in Debatten über Nahost künftig an der „Jerusalem Declaration on Antisemitism“ zu orientieren. So heißt ein Papier einiger Wissenschaftler aus dem Jahr 2021. Dessen Kernaussage lautet: Auch im Streiten über Israel flackern antisemitische Ressentiments auf; aber bei Weitem nicht jede Kritik an Israel ist antisemitisch. [….

 (Ronen Steinke, 15.05.2025)

Man sollte es den Rechten nicht zu leicht machen, indem man sich vor berechtigter Empörung über die Myriaden toten Kinder von Gaza zu Antisemitismus hinreißen lässt. Man sollte genau zuhören, bevor man Kritik als „antisemitisch“ abwinkt.

https://taz.de/Antisemitismus-Definition/!6088799/

[….] Im Streit um die Antisemitismus-Definition bekommt die Linkspartei Schützenhilfe von 55 Wissenschaftlern, Historikern und Intellektuellen. Die Linkspartei hatte sich auf ihrem Parteitag in Chemnitz die Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus (JDA) zu eigen gemacht und die von vielen Staaten akzeptierte „IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus“ kritisiert. Diese verwische die Grenze zwischen Antisemitismus und Kritik an Israel.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Joseph Schuster, hatte der Linkspartei daraufhin vorgeworfen, „Hass auf Israel“ zu schüren. Massive Kritik kam von der Union, aber auch von einzelnen Linkspartei-Politikern wie Bodo Ramelow.

Die Erklärung, die der taz vorliegt, unterstützt die Linkspartei und deren Bekenntnis zu der JDA. „Dass die IHRA-Definition von Regierungen angenommen wurde, ist weitgehend Ergebnis politischer Kampagnen von Akteuren im Einklang mit der israelischen Regierung.“ heißt es. Die IHRA-Definition werde „von illiberalen Kräften instrumentalisiert, um bürgerliche Freiheiten und Menschenrechte zu untergraben.“

Die JDA hingegen stelle ein „sorgfältiges Gleichgewicht zwischen dem Kampf gegen Antisemitismus einerseits und der Wahrung der Redefreiheit und anderer demokratischer Freiheiten andererseits her.“ Eine Definition von Antisemitismus dürfe „nicht als Regulierungs- und Disziplinierungsinstrumente dienen – diese Rolle sollte ausschließlich Recht und Gesetz zukommen.“

[….] Die Erklärung der 55 Wissenschaftler, Historiker und Intellektuellen zur Unterstützung der Linkspartei und deren Bekenntnis zu der JDA finden Sie hier.

Die Autoren, die meisten jüdische Intellektuelle, fordern die Linkspartei auf, „selbstbewusst zu dieser Entscheidung zu stehen, die ein tieferes und breiteres Nachdenken in Deutschland darüber anregen sollte, wie Antisemitismus am besten bekämpft werden kann.“ [….]

(Stefan Reinecke, 17.05.2025)

Deutschland darf Netanyahu nicht als Staatsgast empfangen, ohne ihn zu verhaften. Deutschland darf keine Waffen mehr nach Israel liefern, Deutschland darf nicht zu den Verbrechen in Gaza schweigen!

Deutschland darf aber auch keine Judenhass verbreiten. Deutschland darf nicht akzeptieren, wenn Juden in Deutschland attackiert werden.

In seinem neuen Buch „Judenhass“ (Berlin Verlag 2024) dröselt Michel Friedman die Situation auf und erklärt in leicht verständlichen Worten, was judenfeindliche linke Akademiker und Kunstschaffende bedenken sollten.

[….] Die Documenta in Kassel  hat in aller Deutlichkeit gezeigt, dass BDS* auch ein eliminatorisches Prinzip formuliert. Selbst die bekanntesten Wissenschaftler, Künstlerinnen, Musiker sollen nicht mehr auf­treten dürfen, bekommen also ein lebenslanges Berufsverbot, nur weil sie israelische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sind. Selbst wenn sie sich gegen die Regierung auflehnen, ihre Politik also verurteilen und für eine Zweistaatenlösung kämpfen, ändert das nichts an dem Bann. Sie sind Juden und als solche verdächtigt, angeklagt. Verurteilt. Eine Kollektivstrafe, die der Einzelne nicht aufheben kann. Diese autoritäre, größenwahnsinnige Haltung, die auch von vielen Nichtjuden aus unterschiedlichen Gründen als mutig und konsequent angesehen wird, ist Antisemitismus. Boykott ist immer undifferenziert. Wenn also wie bisher israelische Musiker, Wissenschaftlerinnen und Künstler nicht mehr auftreten dürfen, nur weil sie Israelis sind, und dies als gerecht empfunden wird, ist das für mich ein Ausdruck blinder Selbstgerechtigkeit.  [….]

(M. Friedmann, zitiert aus dem SPIEGEL, 27.01.2024)

* Boycott, Divestment and Sanctions ist eine transnationale politische Kampagne, die den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren will.

Samstag, 19. April 2025

Faszination Inselverarmung – Teil II

Für seine Herkunft kann er natürlich nichts.

Heribert Prantl wurde 1953 in Oberpfalz als Sohn des frommen Stadtkämmerers geboren. Prantl Senior war Kirchenpfleger und ehrenamtlicher Vorsitzender des Kolpingwerks in Nittenau, den seine Hochzeitsreise zum Wallfahrtsort Altötting verschlug.

Jener ultrafromme Ort, den Prantls auch in den Folgejahren mit den Kindern immer wieder besuchten. Der kleine Heribert begeisterte sich für den Bund der Deutschen Katholischen Jugend. Die Religiotie saugte er mit der bayerischen Muttermilch auf.

Zufälligerweise erwies er sich aber zudem als äußerst intelligent, absolvierte im Rekordtempo ein Studium der Rechtswissenschaft, Geschichte und Philosophie. Mit 27 Jahren legte er das zweite Juristische Staatsexamen ab. Seine Promotion zum Dr. jur. erfolgte magna cum laude und erhielt den Wissenschaftspreis der Universität Regensburg und des Hauses Thurn und Taxis. Parallel absolvierte er als Stipendiat des Instituts zur Förderung publizistischen Nachwuchses der katholischen Kirche seine journalistische Ausbildung. Er wurde mit 26 Jahren Rechtsanwalt, später Richter am Amtsgericht, Richter am Landgericht, Pressesprecher des Landgerichts Regensburg und schließlich Staatsanwalt, bevor er ab 1988 Leitartikler bei der Süddeutschen Zeitung wurde.

Dort entwickelte er sich zu einer gewichtigen Stimme des deutschen Liberalismus und wurde mit Preisen nur so überhäuft.

    1983: Wissenschaftspreis der Universität Regensburg und des Hauses Thurn und Taxis für die Rechts- und Wirtschaftswissenschaften

    1989: Franz-Karl-Maier-Preis der Pressestiftung Der Tagesspiegel in Berlin für „hervorragende und parteiunabhängige Kommentierung“

    1992: Pressepreis des Deutschen Anwaltvereins für sein „Plädoyer für die Stärkung des Grundgesetzes“

    1994: Geschwister-Scholl-Preis für sein Buch „Deutschland, leicht entflammbar“

    1996: Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik

    1999: Siebenpfeiffer-Preis für Freiheit und demokratische Rechte

    2001: Theodor-Wolff-Preis in der Kategorie „Essay“ für den Beitrag „Lob der Provinz“, Süddeutsche Zeitung am 1./2. April 2000

    2004: Rhetorikpreis für die „Rede des Jahres 2004“, verliehen von der Eberhard-Karls-Universität Tübingen

    2006: Erich-Fromm-Preis, gemeinsam mit Hans Leyendecker

    2006: Arnold-Freymuth-Preis „für Verdienste um den demokratischen und sozialen Rechtsstaat“

    2007: Roman-Herzog-Medienpreis des Konvents für Deutschland für seine Analysen und Kommentare zum Föderalismus

    2007: Politikjournalist des Jahres durch das Medium Magazin

    2008: Goldener Prometheus für politischen Journalismus verliehen vom Medienmagazin V.i.S.d.P.

    2008: puk-Preis für Kulturjournalismus, verliehen vom Deutschen Kulturrat

    2008: Ketteler-Preis der KAB-Stiftung 'Zukunft der Arbeit und der sozialen Sicherung' (ZASS)

    2009: Medaille für Verdienste um die Bayerische Justiz

    2010: Cicero-Rednerpreis

    2011: Wilhelm-Hoegner-Preis der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag

    2012: Brüder-Grimm-Preis der Philipps-Universität Marburg

    2013: Publizistikpreis der Landeshauptstadt München

    2015: Hildegard Hamm-Brücher Preis für Demokratie

    2015: Bayerische Verfassungsmedaille in Silber

    2016: Ehrendoktor des Fachbereichs Theologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    2019: Katholischer Medienpreis / Sonderpreis der Jury für die Leitartikel zu den Hochfesten der Kirche

    2022: Verleihung des Memminger Freiheitspreises 1525

    2024: Große Staufermedaille in Gold

Der Mann sieht sein Gesicht gern im Fernsehen, ist natürlich eitel und prahlt in seinen Kolumnen mit seiner Bildung, indem er prätentiöse Einleitungen schreibt. Aber da er tatsächlich gebildet ist und tatsächlich so gut schreiben kann, verzeiht man ihm das amüsiert.

Heribert Prantl ist ein faszinierendes Beispiel für die Schmidt-Salomonische „Inselverarmung“.  Ein hochintelligenter und hochintegrer Mann, der sozial und ethisch immer auf der richtigen Seite steht. Im Laufe der Jahrzehnte habe ich viele seiner Texte ausgeschnitten, bzw abgespeichert, weil die so gut und scharfsinnig sind.

Außer es geht um Religion. Dann fängt er pawlowsch an zu schwurbeln, idealisiert seine naiven Kinderglauben, verschließt die Augen vor der Realität.

Besonders klar sah man das beim „Beschneidungsurteil“ von 2012, als er diametral entgegengesetzt zu seinen humanistischen und rechtlichen Überzeugungen, die Position der Kirchen annahm und sich gegen die Kinderrechte aussprach.

Das war für seine Verhältnisse katastrophal unterkomplex. In diese Kategorie fallen auch seine latenten Sympathien für Covidiotie, die er glücklicherweise nicht weiter vertiefte.

Heute arbeitet Prantl nicht mehr als SZ-Chefredakteur, sondern beliefert Deutschlands beste überregionale Zeitung nach eigenem Gutdünken mit Kolumnen, die fast immer sehr lesenswert sind. Außer, es naht ein christlicher Feiertag. Dann biegt er unweigerlich falsch ab. Dann schaltet er in den Religiotie-Modus und wird besonders peinlich, weil er viel zu schlau ist, um tumb Kirchenpositionen nachzuplappern. Nein, er gibt sich, seiner Bildung entsprechend, als kritischer Geist, bleibt aber generell unfähig, seine eigene Inselverdummung zu bemerken. Zum Karfreitag geht es selbstverständlich wieder los:

[….] Der Karfreitag ist ein Feiertag, an dem es nichts zu feiern gibt. Es ist ein Tag, an dem Ostern viel weiter weg ist als zwei oder drei Kalendertage. [….] In den Kirchen verklingt die Orgel, die Bibel wird zugeschlagen, die Lichter gehen aus; es herrscht Stille, Todesstille; den Gläubigen wird abverlangt, dass sie das aushalten. Es ist dies das Gedenken an einen Justizmord, begangen an einem Jesus von Nazareth vor zweitausend Jahren. [….]

Der Karfreitag bringt eine schmerzhafte Erkenntnis: Da ist keine überirdische Allmacht, die von oben eingreift, die das Schlimme und das Schlimmste verhindert – die klassische religiöse Hoffnung wird enttäuscht. Im Karfreitagsevangelium schreit der Jesus am Kreuz, dass Gott ihn verlassen hat: „Eloi, Eloi, lema sabachtani“, übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Dieser Schrei eines Einzelnen ist der Schrei der Vielen. Karfreitag ist also der Tag der Gottabwesenheit und der Gottlosigkeit. An diesem Tag wird der angeblich Allmächtige nicht verteidigt, an diesem Tag ist die Abwesenheit Gottes anwesend. [….] Dieser Tag mit seinen Schrecknissen, seinen Ungeheuerlichkeiten und der völligen Abwesenheit Gottes wird bisweilen als eine Art Vorspiel für das österliche Happy End betrachtet; das aber ist eine Herabsetzung und Entwertung des Karfreitags. [….] 

Der Glaube an Gott verlangt entweder ungeheure Naivität oder ein unglaubliches Ringen. Das Kreuz ist der Identifikationspunkt für Lebens- und Todeserfahrungen, die nicht auflösbar sind. Es ist der Ort für die Warum-Fragen, die unbedingt gestellt werden müssen, auch wenn sie keine letzte Antwort finden. Warum verrät einer seinen besten Freund? Warum wählen so viele Menschen ihre eigenen Zerstörer? Warum habe ich das bloß getan? Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Sollte man Fragen, die keine Lösung finden, besser gar nicht stellen? Im Gegenteil! Sie sind lebensnotwendig und darum österlich. Sie sind Leben. Nicht mehr zu fragen ist der Tod. [….] Auferstehung bedeutet, in den Glauben daran zu springen, dass es sie gibt. Sie ist nicht eine Wiederbelebung des Vergangenen; sie ist das Wunder neuer Hoffnung in den alten hoffnungslosen Situationen. Auferstehung ist, wenn man das Leben wieder spürt.  [….]

(H.P., 16.04.2025)

Es tut mir wirklich weh. Einem durchschnittlich Gebildeten, einem Dorfpfarrer oder einem der üblichen generell Desinteressierten, gestehe ich diese intellektuelle Unterkomplexität gern zu. Aber doch nicht einem Denker, wie Prantl. Wieso begreift er nicht, wie sich all die Theozidee-Verwirrung auflöst, wenn er endlich einsieht, daß Religion eine Fiktion ist und es keinen Gott gibt?

Ich habe ihn mal in einem ausführlichen Leserbrief freundlich auf seinen blinden Fleck hingewiesen und bekam auch prompt eine extrem unfreundliche Antwort, die ihm keinesfalls würdig war. Offensichtlich hatte ich da etwas getriggert.

Ich vermute, tief im Unterbewusstsein weiß er, daß er beim „Lieben Gott“ auf einem unredlichen Irrweg wandelt. Aber er kann sich irgendwie nicht davon lösen und dieses Gaga-Gebäude zum Einsturz bringen.

Ich halte das letztlich für ein psychologisches Problem. Oder vielleicht kann die Hirnforschung da weiter helfen.

 Solange nämlich Religioten das Sagen auf unserem Planeten haben - und das haben sie leider, Mensch sei’s geklagt, in vielen Teilen der Welt -, sind alle Versuche, das Zusammenleben der Menschen vernünftiger, freier, gerechter zu gestalten, notwendigerweise zum Scheitern verurteilt. (Denken Sie nur an die muslimischen Extremisten in Somalia, die 2011 dringend benötigte internationale Hilfe für die hungernde Bevölkerung nicht zuließen.) Versuchen wir also angesichts der Bedeutung dieses Phänomens eine kurze Definition des religiotischen Syndroms:
Religiotie ist eine selten diagnostizierte (wenn auch häufig auftretende) Form der geistigen Behinderung, die durch intensive Glaubensindoktrination vornehmlich im Kindesalter ausgelöst wird. Sie führt zu deutlich unterdurchschnittlichen kognitiven Leistungen sowie zu unangemessenen emotionalen Reaktionen, sobald es um glaubensrelevante Sachverhalte geht.

 Bemerkenswert ist, dass sich Religiotie nicht notwendigerweise in einem generell reduzierten IQ niederschlägt: Religioten sind zwar weltanschaulich zu stark behindert, um die offensichtlichen Absurditäten ihres Glaubens zu erkennen, auf technischem oder strategischem Gebiet können sie jedoch (siehe Osama bin Laden) hochintelligent sein. Wie es „Inselbegabungen“ gibt (geistig behinderte oder autistische Menschen mit überwältigenden mathematischen oder künstlerischen Fähigkeiten), so gibt es offensichtlich auch „Inselverarmungen“ (normal oder gar hochintelligente Menschen, die in weltanschaulicher Hinsicht völlig debil sind).

Religiotie sollte daher als „partielle Entwicklungsstörung“ verstanden werden – ein Begriff, den der Entwicklungspsychologe Franz Buggle schon vor Jahren vorgeschlagen hat, um die spezifischen Denkhemmungen religiöser Fundamentalisten zu erfassen.

(Keine Macht den Doofen, s.42f)

Zumal solchen Fälle nicht immer so enden. Ich erinnere an Helmut Schmidt, der als erwachsener intellektueller Mann „so wahr mir Gott helfe“ bei seiner Vereidigung zum Kanzler schwor und noch an die wichtige ordnende Kraft Gottes glaubte, als er schon im Rentenalter war, aber dann doch im Laufe seines weiteren Lernens und Lesens zu der Erkenntnis kam, daß es keinen Gott gibt und er sich selbst als Atheist bezeichnete.

Viele Intellektuelle der Generation wußten das schon seit ihrer Jugend; Marcel Reich-Ranicki zum Beispiel, oder Rudolf Augstein.

Geistig flexibel zu bleiben und diese kulturell aufoktroyierte Religiosität durch intellektuelle Kraft abzuwenden, erscheint mir als die größere Leistung.

Ich kann da gar nicht mitreden, weil meine beiden Eltern schon Atheisten waren, die mich zwar sehr tolerant auf meinen eigenen Wunsch hin zum Konfirmandenunterricht gehen ließen, aber es war für mich kein großer geistiger Kraftakt, das Pfaffengeschwurbel als Unsinn zu detektieren, da ich von zu Hause keinerlei religiöse Rituale kannte und mir keine Ehrfurcht anerzogen war.

Prantl hat es da insofern schwerer, aber er ist ja auch keine 13, wie ich damals.

Freitag, 7. März 2025

Was ist Satire?

Neunte Klasse, Deutsch-Unterricht beim Herrn Pfahl. Das war eine komische Type. Erst versuchte er uns linguistische Fachbegriffe beizubringen – was ist ein Oxymoron? Was ist eine Metapher? Was ist Pleonasmus? – konnte damit aber nicht viel Interesse wecken und ging daher dazu über, uns Mini-Geschichten von Günther Kuhnert und Marie-Luise Kaschnitz-Gedichte interpretieren zu lassen.

Ich schrieb damals sehr gute Klausuren, litt aber ein bißchen  darunter, daß Herr Pfahl meine Deutscharbeiten so gut wie gar nicht kommentierte.

Es stand einfach die Note mit seinem Unterschriftenkürzel PF drunter. „1- Pf.“ Es hatten nicht etwa alle Schüler so gute Noten; insofern beschwerte ich mich nicht. Aber es blieb ein schales Gefühl. Schon ein paar Jahre später, im Deutsch-Leistungskurs, in dem extrem hart zensiert und jeder Fehler empört ausgewalzt wurde, dämmerte mir, was in der Neunten los war: Pfahl hatte meine Arbeiten vermutlich gar nicht gelesen. Oder maximal überflogen. Inzwischen hatte ich zu meiner Empörung auch Geschichten darüber gehört, wie sehr er dem Rotwein zugeneigt war. 40 Jahre später sehe ich das natürlich anders und habe volles Verständnis dafür, ob des Gesülzes von 36 Jung-Teenagern zu einem Kaschnitz-Gedicht zum Alkoholiker zu werden. Das kann kein Mensch aushalten. Oh Graus, und im nächsten Jahr kam auch noch Kafka, der uns Zehntklässler natürlich vollends abdrehen ließ. Wir nannten es „philosophieren“, aber es dürfte sich eher um „schwafeln“ gehandelt haben.

Wenn ein Teenager mir gegenüber heute die Namen Kaschnitz, Kuhnert, Kafka oder Hesse in den Mund nimmt, renne ich sofort schreiend weg.

Dabei sind diese Autoren tatsächlich der perfekte Unterrichtsstoff für die Mittelstufe, da man auch mit schwach entwickelten Hirnen, sehr leicht Zugang bekommt, die Phantasie angeregt wird. Der Clou dabei ist, daß der Stoff das Erwachsenwerden überlebt. Heute lese ich solche Texte zwar ganz anders, aber sie sind immer noch gut. Kaschnitz (1901-1974) schrieb 1951 ihr berühmtes „Hiroshima“, welches Generationen von Schülern interpretieren mussten. Ein Gedicht, das 30 Jahre später perfekt in meine NATO-Doppelbeschluss-Anti-PershingII-Haltung passte, so daß ich es weitere 40 Jahre später tatsächlich immer noch (fast) auswendig kann.

Der den Tod auf Hiroshima warf
Ging ins Kloster, läutet dort die Glocken.
Der den Tod auf Hiroshima warf
Sprang vom Stuhl in die Schlinge, erwürgte sich.
Der den Tod auf Hiroshima warf
Fiel in Wahnsinn, wehrt Gespenster ab
Hunderttausend, die ihn angehen nächtlich,
Auferstandene aus Staub für ihn.

Nichts von alledem ist wahr.
Erst vor kurzem sah ich ihn
Im Garten seines Hauses vor der Stadt.
Die Hecken waren noch jung und die Rosenbüsche zierlich.
Das wächst nicht so schnell, dass sich einer verbergen könnte
Im Wald des Vergessens. Gut zu sehen war
Das nackte Vorstadthaus, die junge Frau
Die neben ihm stand im Blumenkleid
Das kleine Mädchen an ihrer Hand
Der Knabe, der auf seinem Rücken saß
Und über seinem Kopf die Peitsche schwang.
Sehr gut erkennbar war er selbst
Vierbeinig auf dem Grasplatz, das Gesicht
Verzerrt von Lachen, weil der Photograph
Hinter der Hecke stand, das Auge der Welt.

Hiroshima, die Enola Gay (der B-29-Bomber der 509th Composite Group der United States Army Air Forces) und ihr Pilot Colonel Paul W. Tibbets, jr. waren mir damals stets gegenwärtig und wurde in der Folgezeit immer mehr zu Ikonen der Popkultur. Jeder wußte, Tibbets hatte das Flugzeug nach seiner geliebten Mutter Enola Gay Tibbets genannt und so sangen beispielsweise OMD im Jahr 1980:

Enola Gay
Is mother proud of little boy today?
Ah-ha, this kiss you give
It's never ever going to fade away

Paul Warfield Tibbets, der den Tod von mindestens 160.000 Menschen verursacht hatte, starb tatsächlich erst 2007 im Alter von 92 Jahren, ohne je Gewissenbisse bekommen zu haben. Hochzufrieden und mit Auszeichnungen überhäuft.

Kaschnitz verfügte 1951 offenkundig über prophetische Gaben.

Der Wahnsinn der Menschheit zeigt sich in unserer Lernunfähigkeit und Verdummung. 2025 lautet der EU-Common-Sense: Aufrüstung und mehr Atombomben! Dabei sind diejenigen, die heute über das US-Atomwaffenarsenal gebieten, noch viel irrer als Harry S. Truman Paul Tibbets vor 80 Jahren.

Donald Trump und Defense Secretary Pete Hegseth sind intellektuell schwer minderbemittelt und moralisch völlig verkommen.

Der konservative Claude Malhuret findet im französischen Senat passende Worte.

[….] »Europa befindet sich an einem kritischen Punkt seiner Geschichte. Der amerikanische Schild bricht weg. Die Ukraine steht vor der Gefahr, im Stich gelassen zu werden. Russland wird gestärkt. Washington ist zum Hof von Kaiser Nero verkommen: Ein zündelnder Führer, unterwürfige Höflinge und ein Clown auf Ketamin, der damit beauftragt wurde, den öffentlichen Dienst zu säubern.

Noch nie hat ein Präsident der Vereinigten Staaten vor einem Feind kapituliert. Noch nie hat er einen Aggressor statt eines Verbündeten unterstützt. Noch nie hat er die amerikanische Verfassung mit Füßen getreten, so viele illegale Dekrete unterzeichnet, Richter entlassen, die ihn aufhalten könnten, die ganze militärische Führung auf einmal entlassen, die gesellschaftlichen und politischen Gegengewichte geschwächt und die Kontrolle über die sozialen Netzwerke übernommen. Das ist kein illiberaler Trend, es ist der Beginn der Beschlagnahmung der Demokratie.

Was sollten wir angesichts dieses Verrats tun? Die Antwort ist einfach: Standhaft bleiben und sich nicht täuschen lassen. Die Niederlage der Ukraine wäre die Niederlage Europas. Die baltischen Länder, Georgien und Moldawien stehen als Nächstes auf der Liste. Putins Ziel ist, nach Jalta zurückzukehren, wo die Hälfte des Kontinents an Stalin abgetreten wurde.«  [….]

(Senator Malhuret, 06.03.2025)

Es gibt auch Neues zur Enola Gay, von der weder Hegseth, noch Vance oder Trump je gehört haben. Dafür kämpfen sich umso intensiver gegen „DEI“.

[….] In New York City, warnt unser Kongressabgeordneter Dan Goldman, nehme die Grenzpolizei ICE »wahllos« Latinos und Asiaten fest, »US-Bürger inklusive«, um sie zu inhaftieren und dann auszuweisen. Heimatschutzministerin Kristi Noem postete einen Beitrag von einem Einsatz in unserer Stadt, kostümiert mit einer ICE-Schutzweste, und sagte: »Wir holen die Drecksäcke von der Straße.« Aus Coney Island und Brighton Beach, wo weiße Immigranten leben, gab es solche Berichte nicht.

»Diversity, equity and inclusion« (DEI), die Vision der Förderung von Minderheiten in Regierung und Privatwirtschaft, ist zu einem Schimpfwort geworden, als Nachfolger von »woke« und »Affirmative Action«. Darunter gab es viele gut gemeinte, aber mitunter schlecht praktizierte und am Ende überzogene Ideen, die jetzt von den Rechten genau ins Gegenteil verdreht werden – um die Gleichstellung auszubremsen und den Fortbestand der patriarchalen »White Supremacy« zu sichern.

Trump und seine Bewegung »Make America Great Again« (»MAGA«) haben alle derartigen Maßnahmen für illegal erklärt, weil sie angeblich Weiße diskriminierten – eine absurde Umkehr der Realität. Mit einem seiner ersten Dekrete  hob Trump die staatlichen DEI-Regeln auf. Justizministerin Pam Bondi will zudem auch Privatfirmen verklagen, wenn sie ihre internen Vorschriften nicht entsprechend ändern. Viele Großkonzerne tun das bereits in vorauseilendem Gehorsam, darunter etliche, zu deren Kunden wir gehören – der Social-Media-Konzern Meta, der Discounter Target, der Onlineversandhändler Amazon. Die aus Protest zu boykottieren, ist machbar, aber nicht einfach.

Trumps Wahlsieg, freute sich der rechtsextreme Wortführer Jared Taylor, habe Weißen neuen »Glauben an Amerika« gegeben. Ein 25-jähriger Mitarbeiter aus Musks »Effizienzteam«, der »aus Versehen« Zugang zum zentralen staatlichen Zahlungssystem bekam, prahlte auf X: »Ich war rassistisch, bevor es cool war.« Seinen Job durfte er behalten.

Die Anhänger des »MAGA«-Kults zeigen sich immer enthemmter, das andere Amerika hingegen scheint wie paralysiert.  [….]

(Marc Pitzke, 02.03.2025)

In seinem Anti-Wokeness- und Anti-DEI-Wahl ließ der Verteidigungsminister nun auch Bilder der „Enola Gay“ aus dem Ministerium entfernen. Zu Linksgrünversifft. Zu schwul!


[….]  References to a World War II Medal of Honor recipient, the Enola Gay aircraft that dropped an atomic bomb on Japan and the first women to pass Marine infantry training are among the tens of thousands of photos and online posts marked for deletion as the Defense Department works to purge diversity, equity and inclusion content, according to a database obtained by The Associated Press.

The database, which was confirmed by U.S. officials and published by AP, includes more than 26,000 images that have been flagged for removal across every military branch. But the eventual total could be much higher.

In this image provided by the U.S. Air Force, the Boeing B-29 named the "Enola Gay" is seen on Tinian in the Marianas Islands. (U.S. Air Force via AP)

One official, who spoke on condition of anonymity to provide details that have not been made public, said the purge could delete as many as 100,000 images or posts in total, when considering social media pages and other websites that are also being culled for DEI content. The official said it’s not clear if the database has been finalized.

Defense Secretary Pete Hegseth had given the military until Wednesday to remove content that highlights diversity efforts in its ranks following President Donald Trump’s executive order ending those programs across the federal government.  [….]

(AP, 07.03.2025)

Willkommen im Zeitalter der Trumpanzees: Wenn man etwas vollkommen Irres liest, das wirklich nur Satire sein kann, ist es bittere US-amerikanische Realität.